jedermensch
 

Jedermensch

Zeitschrift für soziale Dreigliederung,
neue Lebensformen und Umweltfragen

Frühling 2007 - Nr. 642
Die Seele und das Soziale

Inhalt

Solidarische Ökonomie
Dieter Koschek denkt über neue Formen ökonomischen Handelns nach

Weltsozialforum
Frank Kürschner-Pelkmann berichtet vom afrikanischen Weltsozialforum (gekürzt)

Gesundheitsversprechung und Täuschung
Karl-Heinz Dewitz berichtet über die Einführung der Gesundheitscard und die Folgen

Eine Alternative zu Drogen und Gewalt
Walter Burgart von der GLS Entwicklungshilfe Bochum stellt eine Kleinbauern Kooperative in Kolumbien vor.

Der Agrar-Rebell
Andreas Pahl bespricht Bücher von Sepp Holzer

Schulgründung in Nepal
Irina Staschewska bittet um Unterstützung für eine Schule in Kathmandu

Das Bildnis eines behinderten Mannes
Dieter Koschek bespricht einen Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung in Innsbruck

Bruderzwist
Jürgen Kaminski berichtet über die unterschiedlichen Positionen in Palästina

Karma und Dharma
Andreas Pahl denkt über die Begriffe nach

Äußere Unsicherheit und innere Gewissheit
Gedanken von Peter Schilinski

Was die Schicksalsgöttin sprach
Ein Märchen aus „Märchen griechischer Inseln und Märchen aus Malta"

Das Interesse füreinander soll leiten
Den Beitrag von Anton Kimpfler können Sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen

Ein Gesprächswochenende im Eulenspiegel
Klaus Korpiun berichtet über das Freundeskreistreffen von Modell Wasserburg e.V. Projekt Eulenspiegel

Case Caro Carrubo
Ein Einladung von Renate Brutschin

Große Gefühle und gelebte Ideale
Gedanken von Peter Schilinski

Wie das Altern anfängt
Günter Bartsch über das Altern

Alarmsignal Altersselbstmord
Von Ansgar Liebhart

Anthroposophie & jedermensch: Ängste erkennen und überwinden
Den Beitrag von Anton Kimpfler können Sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen

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Solidarische Ökonomie

Ein Streitfeld um den richtigen Weg ist die Ökonomie, die heute sich in der Gestalt des neoliberalen Kapitalismus global als Feind präsentiert. Alternativen dazu dokumentiert ja diese Zeitschrift immer wieder genügend.
Diese Initiativen spiegeln weltweit das Bemühen um eine neue Wirtschaftsform, die die Bedürfnisse der Menschen befriedigt und dabei nicht die Schäden und Ungerechtigkeiten anrichtet, wie der neoliberale Kapitalismus im Besonderen.
Vorbei sind die Zeiten, wo Überlegungen besonders in Deutschland über eine andere Wirtschaftweise wie die soziale Marktwirtschaft verboten sind. Hier hat die weltweite Bewegung gegen den „freien" Welthandel, die sogenannte Globalisierung, geholfen. Beispiele aus der ausgebeuteten „Dritten" Welt haben die Kritik wieder geschärft und die Frage nach Alternativen wieder aufgeworfen.
Mit nur diffusem Wissen der Marxschen Analyen des Kapitals möchte ich doch ein paar Gedanken hierzu einbringen. Zwei grundlegende Dinge müssen sich hier ändern:

Die Zielrichtung des Wirtschaftens darf nicht mehr die persönliche Bereicherung sein, sondern muss eine dienende einnehmen, nämlich die Bedürfnisse der Menschen und
Gesellschaften zu befriedigen. Es muss die Wirtschaft auf die natürlichen Grundlagen des Lebens, der Natur und der Menschheit überhaupt gestellt werden.
Das grenzt die Aktivitäten der heutigen Wirtschaft schon wesentlich ein. Nämlich das Produzieren auf bloßen Überfluss hin und der Raubbau der natürlichen Ressourcen. Wenn diese Grundlagen geschaffen wären, würden sich die Formen des Wirtschaftens wesentlich ändern.
Nun kann man dies nicht einfach proklamieren und alles wird gut. Auch hier müssen viele kleine Schritte entwickelt werden und wie das heute üblich ist, auch angefangen werden, umzusetzen. Das passiert weltweit und die vielen Projekte derart wurden in dieser Zeitung ja schon ausführlich dargestellt.
Zusammenfassen möchte ich deshalb weitere Grundlegungen, die meiner Meinung nach notwenig sind, um zu einer alternativen, solidarischen Wirtschaftsweise zu kommen.
Ökologische Grundlagen:
Die Ökologiebewegung muss sich weiter entwickeln und versuchen gesetzgeberisch die ungehemmte Raffsucht der Wirtschaft einzudämmen, indem Ökologie zum Grundmuster des Wirtschafen wird.
Bedürfnisorientiertes Produzieren:
Damit die Unternehmerschaft auch weiß, was sie zu tun, zu produzieren hat, muss die wahnsinnige Werbewirtschaft zu einer Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft umgebaut werden. Als erstes müssen die Verbraucherorganisationen und –initiativen gestärkt werden, als die eigentlichen Auftraggeber der Produktion. Dazu muss eine neue Form einer Instanz gefunden werden, die die Produktion kontrolliert.
Abschaffung des Lohnverhältnisses:
Das moderne Lohnsystem bleibt ein Sklavenhaltersystem. Damit sind nicht nur die modernen Formen der Sklavenarbeit gemeint, sondern durchaus auch unser europäisches Modell, in dem der Mensch ein Kostenfaktor ist. Hier muss der Arbeiter (die Arbeit) zum gleichberechtigten Faktor neben Kapital, Produktionsmittel und Boden werden, etwa in die Richtung, dass (wenn’s denn sein muss) das Betriebsergebnis gerecht geteilt wird. Die monatliche Ausschüttung muss ein Teil des Betriebsergebnisses sein. Aus dieser Veränderung ergibt sich ein neues Betriebssystem mit sozialen Gesellschaftsformen.
Zugriffsrechte der Gesellschaft:
Das der Staat nicht wirtschaften darf, ist nach den Erfahrungen des Staatssozialismus allgemein anerkannt, doch er muss die Einhaltung der oben genannten Grundsätze überwachen. Nicht Strafen á la Gebühren sind die Sanktionen, sondern der Entzug der Verfügung über die Produktionsmittel. Es muss also das Eigentumsrecht hier verändert werden, und zwar in der Richtung, dass Unternehmer weiterhin über das Kapital etc. verfügen und handeln können, aber nicht im luftleeren Raum, sondern unter der gesellschaftlichen Androhung des Verlustes dieser Verfügungsrechte bei Missachtung der „staatlichen" Vorgaben.

Dieter Koschek

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Weltsozialforum

Schub für afrikanische Zivilgesellschaft

Es war ein großer Erfolg, das erste Weltsozialforum in Nairobi, Afrika vom 20.- 25. Januar 2007 – jedenfalls für die afrikanischen Zivilgesellschaften, weniger für die Organisatoren. Auch wenn die Großveranstaltung durch zahlreiche organisatorische Pannen beeinträchtigt wurde, gelang es afrikanischen NGOs und sozialen Bewegungen, ihre Themen, Einsichten und Positionen mit großem Selbstbewusstsein in die weltweite Debatte der Globalisierungskritiker einzubringen

„In den kommenden Tagen werden wir Schluss machen mit dem Kapitalismus, der so viel Leiden verursacht hat." Mit dieser Ankündigung zu Beginn des Weltsozialforums (WSF) brachte Henri Dikoumé von der Föderation der zivilgesellschaftlichen Organisationen Kameruns das Selbstbewusstsein und die Hoffnungen vieler afrikanischer Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Ausdruck. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur IPS sagte er weiter: „Unsere alternative Vision in Kamerun besteht darin, ein Land aufzubauen, das den Menschen ins Zentrum stellt. Die Zukunft des kamerunischen Volkes muß in den Händen der Einwohner liegen. Wir sind solidarisch mit allen Kräften in unserem Land, die wirkliche Alternativen erreichen wollen."

Erfahrungsaustausch und Vernetzung zentral: Dass es solche Alternativen zu einem Kapitalismus, der Afrika ausplündert, geben muss davon mussten die Afrikanerinnen und Afrikaner auf dem WSF nicht erst überzeugt werden. Die meisten von ihnen engagierten sich bereits in Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegungen. Sie nutzten die Versammlung der 46.000 Globalisierungskritiker aus aller Welt, um Verbindungen zu Initiativen zu knüpfen, die in anderen afrikanischen Ländern und anderen Weltregionen zu ähnlichen Themen arbeiten. Dabei gelang es, Themen wie Klimawandel und Ernährungssicherung miteinander zu verknüpfen, also Zusammenhänge globaler Probleme zu benennen und daraus Konsequenzen für die eigenen Strategien zu ziehen. Besonders erfolgreich waren die Fraueninitiativen dabei, Gender-Themen mit den übrigen Schwerpunkten des Treffens in Nairobi zu verbinden und hierfür Gehör zu finden.

Erfahrungsaustausch und Vernetzung waren zentrale Stichworte in Nairobi. Zugleich bot das WSF viel Ermutigung für die oft noch kleinen zivilgesellschaftlichen Gruppen in Afrika, denn sie konnten erleben, wie viele dieser Gruppen und Organisationen es kontinentweit inzwischen gibt. Wichtig für das eigene Selbstbewusstsein war auch, mit welch profunden Analysen die afrikanischen Diskussionsteilnehmer den globalen Dialog ganz entscheidend mitprägten. Dabei sorgten sie dafür, dass wichtige Themen des eigenen Kontinents wie Migration, AIDS und die Folgen der Rohstoffausbeutung einen hohen Stellenwert bei diesem Forum  erhielten, während sich ihr Interesse an der Bewertung der Politik von Chávez oder Lula durchaus in Grenzen hielt.

Beispiel Bergbau und Öl: Ein Beispiel für Erfahrungsaustausch und Vernetzungen war die Beschäftigung mit den sozialen Folgen von Bergbau und Ölgewinnung in Afrika. Delphine Kemneloum Djiraibi vom Friedenskomitee im Tschad beschrieb den Beginn der Ölförderung in ihrer Heimat im Jahre 2004 bei einer Veranstaltung des Sozialforums so: „Das war der Ausgangspunkt für unsere Probleme." Die Ölförderung habe die Armut nicht vermindert, sondern zur Bereicherung der Elite und zu Konflikten innerhalb der herrschenden Schicht geführt, die den neuen Bürgerkrieg mit entfacht haben. Die Veranstaltung zum Thema „Rohstoffgewinnung in Afrika – wer gewinnt, wer verliert?" wurde von verschiedenen kirchlichen Organisationen durchgeführt, ein Beispiel für das große kirchliche Engagement bei dem Treffen in einer überwiegend christlichen Bevölkerung und einer engen Verknüpfung von Glauben und gesellschaftlichem Leben. Bei der Veranstaltung ging es neben der Erdölförderung im Tschad und dem dazugehörigen Pipelineprojekt vom Fördergebiet des westafrikanischen Binnenstaates an die Küste Kameruns um das zivilgesellschaftliche
Engagement in anderen afrikanischen Ländern, die von negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen von Bergbau- und Ölförderprojekten betroffen sind.

Honoré Ndoumbe Nkotto aus Kamerun schilderte, wie mehr als 500 Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Bau der Ölpipeline akribisch dokumentiert wurden. In mehr als der Hälfte der Fälle gelang es, Verbesserungen für die betroffenen Menschen durchzusetzen. Grundlage hierfür ist ein intensiver Dialog der Zivilgesellschaft mit Regierung und Bergbauunternehmen. Im Tschad wurde auf Druck der Zivilgesellschaft ein Gesetz verabschiedet, das sicherstellen soll, dass die Öleinnahmen der Bevölkerung und insbesondere den Menschen in den Fördergebieten zugute kommen. Bei der Veranstaltung berichtete Delphine Kemneloum Djiraibe allerdings auch, dass die Regierung das Gesetz vor kurzem geändert hat, um damit ihre Armee im Bürgerkrieg zu finanzieren.

Schwächen: Martin Petry, der im Team Menschenrechte von Brot für die Welt für Friedensarbeit und Konflikttransformation verantwortlich ist, betonte am Ende der Veranstaltung: „Neben der Darstellung von Erfolgen wurde auch offen angesprochen, vor welchen Problemen die Zivilgesellschaft in Afrika steht. So wird bisher reaktiv gearbeitet. Die Bergwerksunternehmen kommen in die afrikanischen Länder, überrollen alles, und die Zivilgesellschaft versucht dann, darauf zu reagieren. Das wurde als Schwäche erkannt, und es wird nun versucht, andere Strategien zu entwickeln." Bei einer zweiten Veranstaltung ging es um das Thema „Bergbau – die Nutzung von Menschenrechtsinstrumenten in Konflikten bei Bergbauaktivitäten". Als Fallbeispiel wurde Ghana gewählt. Hannah Owusu-Koranieng von der Menschenrechtsorganisation WACAM, die sich für ghanaische Gemeinschaften einsetzt, die zu Opfern von Bergbauprojekten geworden sind, erläuterte, wie der Goldreichtum des Landes vor allem internationalen Bergbauunternehmen genützt hat, während Ghana arm geblieben ist und die ökologischen Schäden groß sind, so die starke Schadstoffbelastung des Wassers in den Fördergebieten.

Der Leiter des Menschrechtsteams von Brot für die Welt, Michael Windfuhr, stellte dar, wie sich Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit Bergbauprojekten mit juristischen Mitteln zur Wehr setzen können. Ein Hindernis ist dabei in Afrika, dass unter dem Einfluss und dem Druck der Weltbank in den letzten Jahren die Land- und Bergbaugesetze in mehr als 30 afrikanischen Ländern liberalisiert und dadurch die rechtlichen Möglichkeiten der Opfer von Unrecht durch Bergbauprojekte eingeschränkt worden sind.

Um so wichtiger sei es, sich in den afrikanischen Ländern auf internationales Recht zu berufen: „Wenn man die lokale Gemeinschaft verteidigen will und die nationalen Gesetze hierfür immer weniger Möglichkeiten offen lassen, ist es wichtig, die Regierung mit internationalen Standards zu konfrontieren. Auch können Richter internationale juristische Instrumente für ihre Urteile heranziehen. Auf diese Weise können die Rechte der Menschen verteidigt werden."

Kleine Schritte: Die Begegnung von Initiativen von Sierra Leone bis Angola, die sich mit den Folgen des Bergbaus in Afrika befassen, wird zu einer engeren Zusammenarbeit führen. Beim Weltsozialforum in Nairobi wurden viele solcher kleinen Schritte getan, die zwar nicht gleich Schluss mit dem Kapitalismus machen, aber doch dafür sorgen, dass die afrikanischen Zivilgesellschaften so viel Kompetenz und Durchsetzungskraft gewinnen, dass aus alternativen Visionen Wirklichkeit wird.
Frank Kürschner-Pelkmann, WEED

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GRUNDEINKOMMEN! - Arbeit um jeden Preis?

Offener Kunstwettbewerb poolbar-Festival
"Arbeite nur, wenn du das Gefühl hast, es löst eine Revolution aus." (Joseph Beuys)
Das poolbar-Festival und die IG BILDENDE KUNST veranstalten 2007 im Zuge des poolbar-Festivals zum dritten Mal einen offenen Kunstwettbewerb und laden Kunst- und Kulturschaffende aus den Bereichen Bildende Kunst, Medien- und Performancekunst sowie angrenzender Gebiete ein, sich mit Projekten zu beteiligen. Gesucht werden zwei künstlerische Interventionen für das Alte Hallenbad (unter Berücksichtigung der Notwendigkeiten des poolbar-Festivalbetriebes) und für den öffentlichen Raum (im Bereich zwischen der Parkanlage im Reichenfeld und der Altstadt Feldkirchs).
THEMA
Wir bekommen es seit frühester Kindheit eingehämmert: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!" (Zweiter paulanischer Brief an die Thessalonicher; 3,1,10). Doch, "'Arbeit um jeden Preis' zu forcieren, bedeutet eine soziale Zeitbombe auf den Weg zu bringen. Jetzt schon leben 253 000 Menschen in Österreich in Haushalten, in denen der Verdienst trotz Erwerbsarbeit nicht reicht, um die eigene Existenz - und die der Kinder- zu sichern.", zitiert die ARMUTSKONFERENZ die aktuellen Daten der Statistik Austria.
Die Verschlechterung von Arbeits- und Lebensverhältnissen macht auch vor Kunst- und Kulturschaffenden nicht Halt. Besonders betroffen ist die freie Szene, die seit Jahren systematisch ausgehungert wird. Allerdings sind Einkommen, die weit unter der Armutsgrenze liegen, auch in besser subventionierten Institutionen keine Seltenheit. Dieser voranschreitenden Prekarisierung gilt es entgegenzutreten. Neue Konzepte der sozialen Absicherung sind gefragt. Diskussionen über eine bedarfsorientierte Grundsicherung bzw. ein Grundeinkommen gewinnen allmählich an Öffentlichkeit - auch, wenn diese sehr unterschiedlichen Konzepte noch oftmals in einen Topf geworfen werden.
Die künstlerische Intervention im Zuge des poolbar-Festivals soll sich mit der Idee des Grundeinkommens und damit möglichen Bedeutungsverschiebungen von Arbeit und Erwerbsarbeit auseinandersetzen. Visionen, Illusionen, aber auch Bedenken und mögliche Antworten darauf sollen Bestandteil künstlerischer Überlegungen sein:
* Welche Möglichkeiten eröffnet ein Grundeinkommen in der künstlerischen Arbeit?
* Fördert ein Grundeinkommen das Nichtstun?
* Wo bleibt die Gegenleistung?
* Wer profitiert von einem Grundeinkommen für alle?
* Schafft Grundeinkommen (finanzielle) Anerkennung für bislang nicht bezahlte Arbeit?
* Was motiviert zur Arbeit - liegt die Motivation in der Person selbst (primäre bzw. intrinsische Motivation) oder wird für Geld oder Anerkennung geleistet (sekundäre bzw. extrinsische Motivation)?
Ausführliche Informationen zum Thema Grundeinkommen
www.grundeinkommen.at www.grundeinkommen.info
Budget und sonstige Leistungen
Projektbudget: max. 1200.- EUR für voraussichtlich max. 2 Projekte (je 600.- EUR, Honorar inkl. Spesen und Produktionskosten). Das poolbar-Festival bemüht sich um zusätzliches Sachsponsoring. (Die Verhältnismäßigkeit von Honorar zu Materialaufwand innerhalb des Gesamtbudgets ist selbst abzuwägen.)
Gratis Zugang zum Festival für max. 2 ausführende KünstlerInnen pro ausgewähltes Projekt, kostenlose Nächtigung für die Dauer des Auf- und Abbaus, evtl. Erstattung einmaliger Reisekosten (nur n.V. mit dem poolbar-Festival).
Projekte, die zur Ausführung gelangen, werden in den Medien des poolbar-Festivals und der IG BILDENDE KUNST vorgestellt und beworben.
Außerdem: Intensive Medien- und Öffentlichkeitsarbeit durch das poolbar-Festival.
Einreichfrist: 14. April 2007
www.poolbar.at

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Gesundheitsversprechung und Täuschung

Heute benützen ca. 90 % der Bevölkerung in Deutschland eine Krankenversicherungskarte.1994/95 eingeführt. Diese soll nun durch eine, eigentIich schon ab Mai 2007, elektronische Gesundheitskarte (eCard) abgelöst werden.

Nach einer Studie sollen sich über 500 Millionen Euro jährlich einsparen lassen. Der Missbrauch werde schwieriger, Doppelbehandlungen werden vermieden usw. "Endlich gewinnt eines der größten IT-Vorhaben an Fahrt" verkündet der Bundesverband Informationswissenschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITK0M). Das soll heißen, die Investitionen von bisher 170 Millionen Euro und erhebliche Folgekosten sollen durch den Verkauf des Systems weltweit vergoldet werden.

Beim Testverfahrensbeginn gab es erste technische Probleme: Ab 1.1.2007 haben in Deutschland in sieben Regionen Teststarts zur Erprobung der elektronischen Karte begonnen. In Bremen, als achte Testregion gedacht, wurde der Vertrag dazu von der Kassenärztlichen Vereinigung Ende 2006 gekündigt. "Zu teuer" , "zu umständlich" sei die Karte, sagen die dortigen Ärztevertreter. Dieselbe Einschätzung hört man von der hessischen Ärzteschaft.

Die eCard soll "administrative Daten " enthalten: Alter, Name, Anschrift, Krankenkasse, Geburtsdatum, Geschlecht, Versicherten - und Zuzahlungsstatus, Passbild. Letzteres kam in Diskussion, evtl. wird darauf verzichtet, weil es zu teuer sei.
Sicherheitspolitisch gesehen ist sie so als Kennkarte brauchbar. Sie passt dann genau ins Konzept des 1999 gestarteten Reformprogramms der Bundesregierung "Moderner Staat - Moderne Verwaltung", das den digitalen Personalausweis, das Job-Card-Verfahren, die elektronische Steuererklärung und die elektronische Gesundheitskarte eng aufeinander abstimmen will. Ein Teil der Rückseite der eCard dient als Sichtausweis der Europäischen Krankenversicherungskarte. Dadurch entfällt der Auslandskrankenschein und dem "Aktionsplan für einen europäischen Raum der elektronischen Gesundheitsdienste" soll damit genügt werden.

Die Elektronische Gesundheitskarte soll in mehreren Stufen eingeführt werden: In der ersten Stufe erhalten alle Versicherten in Deutschland eine elektronische Gesundheitskarte mit oben genannten Daten. Durch den in der Karte enthaltenen Prozessor wird die Möglichkeit geschaffen, auf ein Computernetzwerk zurückzugreifen und somit ist die Speichermöglichkeit zweitrangig.

Dennoch soll in der zweiten Etappe der Einführung die Menschen vom Nutzen der Speichermöglichkeiten der Karte überzeugt werden. Schrittweise sollen voraussichtlich folgende Daten gespeichert und genutzt werden: Notfalldaten, also Kenntnisse über Blutgruppe, Allergien und ähnliches, verschriebene Arzneimittel, Diagnosen des Arztes, das Krankheitsprofil des Patienten. Diese Daten wären (meines Erachtens zuerst einmal vorläufig) freiwillig.

Die zuletzt genannten drei Datenarten werden auf verteilten Servern (Computer, Rechnern) zentral gespeichert und sind mit der eCard überall abrufbar. Freilich nur, wenn der Arzt/Apotheker diese zusammen mit der jeweiligen Patientenkarte und ihrer Heilberuflerchipkarte den Computer bedienen. Also jeder Heilberufler bekommt auch eine Karte. Zudem sollen Computerterminals öffentlich aufgestellt werden, um den Patienten mittels eines PIN (Geheimnummer) Einblick in seine Karte zu ermöglichen. Doch welcher nicht medizinisch geschulte Mensch kann sich aus diesen Daten einen fruchtbaren Reim machen ?

Ist es überhaupt möglich, hochkomplexe und nicht selten unzureichend verstandene Krankheitsbilder auf den Punkt zu bringen? Können nicht Unverständnis und Täuschung damit verbunden werden?

Vielleicht gleichen die Texte dann jenen Beipackzetteln, von denen der Normalmensch zurecht vermutet, dass sie nur zur juristischen Absicherung der Firmen dienen, weniger der Aufklärung des Patienten?

Überhaupt: Wie lassen sich Daten löschen - auch nur zeitweise?

Geh ich zum Masseur, muss der ja nicht unbedingt meine urologischen Befunde einsehen können. Oder: Eine Frau will ihrem Hausarzt keine Einsicht über sensible Daten, etwa einer Abtreibung, gewähren.

Der Aufwand wird groß sein. Es müssen die informationell geladenen Karten laufend ergänzt und ihre Informationen mit anderen getauscht werden. Alle Angehörigen von Heilberufen bedürfen dann solcher Gerate mitsamt der ständigen Online-Vernetzung.

Somit steht der erste Gewinner bereits fest. Die Informations- und Kommunikations-Industrie darf sich auf die Einrichtung und Pflege der flächendeckenden bundesweiten Kommunikations-, Informations- und Sicherheitsinfrastruktur freuen. Die Kosten der Erstausstattung sind zwischen 1,1 - 4,4 Mrd. Euro geschätzt.

Die Karte soll den Alltag in den Arztpraxen und Kliniken neu regeln und die Zusammenarbeit untereinander und mit dem Patienten fördern bzw. letzterem die Eigenverantwortung stärken. Doch unzählige Studien belegen es: Der Alltag ist von obigem Vorsatz weit entfernt. Über Diagnosen, therapeutische Alternativen und über die Situation, in der der Patient steht ,erfährt er wenig bis gar nichts von den Medizinern.

Zur Behebung dieser Mängel trägt die eCard wenig bei, eher wird sie diese steigern und verschärfen. Man denke nur wie lange das ganze Einlesen der Daten in den Computer braucht und den Grossteil muss eben der Arzt bewerkstelligen. Der Behandelnde wird dann noch mehr auf den Bildschirm sehen müssen, anstatt dass er ins Gesicht des Patienten schaut.

Weiter müssen die Mediziner den vorgefertigten Mustern, die ihnen in den betreffenden Servern (Rechnern) entgegentreten, foIgen. Die Mediziner (und der Patient) fixieren sich darauf. Alle neuen Informationen folgen dem im Computer angegebenen Vorgabebild. Eigene Vorstellungen sind nicht eingebbar.

Die Krankheitsbilder und ihre Behandlung müssen EDV-tauglich gemacht werden. Komplexe, individuelle Krankheiten werden auf eine Zahlen/Zeichen-Kombination (ICD-Nummern) reduziert und somit vergleichbar gemacht.

Das zielt langfristig unweigerlich auf eine Standardisierung von Diagnosen und Therapien. Werden diese von spezialisierten Medizinern in Großkrankenhäusern festgelegt - evtl. sogar computerprogrammiert? Somit wäre aller Kontext und alle Besonderheiten ausgeschaltet. Egal wer die Bedingungen eingibt - mittel- und langfristig wird eine Massen- und Autobahnmedizin gefördert. Dieser technische Aufbau zielt nicht auf eine individuelle Medzin/Therapie, sondern wirft so viele Patienten wie möglich in eine gleiche Art der Behandlung.

Die Gesundheitskarte soll die Verordnung von Arzneimitteln sicherer machen. "Der Hannover Pharmaprofessor Jürgen Fröhlich rechnete 2003 vor, dass jährlich 58 000 Todesfälle auf internistischen Stationen in Deutschland durch unerwünschte Arzneimittelerkrankungen verursacht worden seien. Das deutet auf eine mangelhafte Aus- und Weiterbildung der pharmakologischen Kenntnisse vieler unserer Ärzte hin. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Bruno Müller-Örlinghausen schätzt, dass Ärzte nur jeden zehnten Fall unerwünschter Nebenwirkungen melden." (Klaus Peter Görlitzer, Probleme lösen statt Technik promoten) Auch zu diesem Problem leistet die eGK (EIektronische Gesundheitskarte) keinen nennenswerten Beitrag zur Lösung.
Auf alle Fälle kann mit der geplanten Chipkartentechnik vieles kontrolliert, beschränkt und eröffnet werden. Etwa könnte der Wechsel von Arzt zu Arzt erheblich erschwert werden und es wäre schwer sich eine zweite Meinung zu einer medizinischen Frage einzuholen.

"Standardisierte elektronische Patientendaten der Chipkarte können technisch problemlos ausgewertet und an andere Computer weitergeleitet werden. Extern gespeichert, können sie mit beliebigen Variablen verknüpft werden - und zwar jederzeit ohne Berücksichtigung von Einzelfällen und Kontexten der Datenentstehung. Spätestens wenn Daten anonymisiert oder pseudonymisiert in externen Rechnern gespeichert worden sind, endet die Verwendungshoheit der Betroffenen; sie können dann nicht mehr beeinflussen, zu welchen Zwecken diese Daten weiter genutzt und ausgewertet werden, und auch professionelle Datenschützer sind dann formal nicht mehr zuständig." (Klaus Peter Görlitzer s.o.)

Das schreit ja gerade nach Überprüfung von Verordnungsverhalten anhand vorgegebener Soll-Daten, die als angemessen und wirtschaftlich gelten. Vielleicht wird die Ärzteschaft zum Gehilfen vom computerisierten Expertensystem, die sie Diagnosen eintippen lässt, um danach vom Rechner zu erfahren welche Behandlung die richtige sein soll?

Bei Abweichung davon wird vielleicht die Bezahlung der Therapie qekürzt oder verweigert oder gar bei Misserfolg ein Kunstfehler dem Arzt angekreidet. Der Entwurf eines Gesetzes "Zur Stärkung, des Wettbewerbes in der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 25.10.2006" deutet schon einmal die Richtung an. Versicherte, die die angebotenen Früherkennungsuntersuchungen nicht in Anspruch nehmen und dann die Zielkrankheit entwickeln, sollen künftig zwei statt ein Prozent ihres Bruttoeinkommens zuzahlen. Das ist angesichts des unklaren Nutzens vieler Früherkennungsuntersuchungen nicht vertretbar. Im Ratgeber "Untersuchungen zur Früherkennung von Krebs, Nutzen und Risiken" der Stiftung Warentest werden die meisten Untersuchungen als nicht sinnvoll bewertet. Dieses Muster der Gängelung ließe sich aber auch per Gesetz beliebig ausweiten, z.B. auf Impfungen. Folgt ein Elternpaar den heutigen Impfempfehlungen, kann das betreffende Kind bis zum 9. Lebensjahr schon mal auf ca. fünfzig Impfungen kommen.

Ein wahres Paradies wird die bundesweite medizinische Datensammlung für Wissenschaftler sein, die mittels genetischer Zusammenhänge Volkskrankheiten ausrotten möchten. Man könnte Legitimationen liefern zu gezielten Programmen zur Prävention und Ressourcenverteilung. Wer da mittels Statistik als Risikoperson ermittelt wurde, der kann schon unter Druck geraten, unter Umständen zur Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen gedrängt werden.

Freilich würde das wahrscheinlich mit verschiedenen "Bonusprogrammen" flankiert werden, um Arzt und Patient auf die gewünschte Richtung einzuspuren.

SAGEN WIR NEIN ZU DIESEM VORHABEN!

Unterstützen Sie die Unterschriftenaktion des Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Aquinostr.7-11, 50670 Köln, www.grundrechtekomitee.de

Die meisten Informationen meines Schreibens stammen aus der Broschüre o. g . Vereins (Das große Gesundheitsversprechen - und seine Täuschung) und aus dem Heftchen "Alles auf eine Karte?" vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. Goetheplatz 4, 28203 Bremen, Telefon:0421-33659256.

Karl-Heinz Dewitz

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Eine Alternative zu Drogen und Gewalt

Die Gewalt in Kolumbien ist nicht abstellbar. Es kann aber ein Vorbild gegeben werden, dass sich sauberer und redlicher Gelderwerb lohnt, zum Beispiel durch ökologische Kaffeekultivierung und sorgfältige Kaffeeverarbeitung bei genossenschaftlicher Organisation und Fairtrade.

In der Region Cauca zählt die Bevölkerung zu den Ärmsten in Kolumbien. Es fehlt an Schulen und Jobs. Trotz fruchtbarer Böden ernähren die landwirtschaftlichen Kleinbetriebe (Fincas) kaum ihre Besitzer. Dies führt zu Landflucht in die Slumgürtel der Großstädte. Die verarmte Landbevölkerung sieht im Drogenanbau oft die einzige Chance. Coca und Mohn mit einer geschätzten Anbaufläche von
über 4000 Hektar sind zu einem bedeutenden Faktor in der Region geworden.

Um ihre Situation zu verbessern, haben sich circa 110 Kleinbäuerinnen zu einer Kooperative zusammengeschlossen (Asociacion de Mujeres Campesinas). Sie wollen ihre Fincas von jeweils circa 2 Hektar nunmehr ökologisch bewirtschaften. Wichtigster Punkt ist die qualitätsentfaltende Pflege der Kaffeesträucher mit Kompost. Ihr traditioneller Kaffee ist bis zu 3 Meter hoch und gibt auf der besten Anbauhöhe von 500 bis 1700 Meter über dem Meer besonders milden Arabica Kaffee.

Sodann geht es aber auch um die schonende Verarbeitung des Kaffees, so dass keine Preisabschläge mehr hingenommen werden müssen: Preisabschläge gibt es bei ungleichmäßiger Reifung, bei gebrochenen Bohnen, bei nicht aussortierten Bohnen nach Befall mit dem Kaffeebohrer, bei nicht aussortierten Fremdkörpern (wie Steinchen) und bei fermentierter Ware (durch Rückstände von Fruchtfleisch und Silberhäutchen).

Dazu sind auf den Höfen die hoffnungslos verlotterten Pulper (Quetscher), Waschzuber und Trocknungsflächen so zu verbessern, dass der Rohkaffee am liberalisierten Weltmarkt konkurrenzfähig wird.

So wird der zentrale Drusch des Silberhäutchens von jedem Bohnenpaar erst in der Kooperative effizient möglich. Die Genossenschaft sorgt unter anderem für den Absatz, und zwar zu einem garantierten Preis im Fairtrade. Preisdrückende Zwischenhändler werden also ausgeschaltet. Mit sechs Großhändlern in Europa laufen Absatzgespräche zu garantierten Preisen auf Jahre hinaus. - Die Arbeit lohnt wieder und gibt Befriedigung durch die Arbeit mit der Natur.

Bisher betrug das Einkommen circa 600 US-Dollar pro Jahr (bei 2000 Kaffee-Sträucher a 0,3 kg mal 1 US-Dollar). Dieser Verkaufspreis kann sich durch verbesserte Qualität auf das Dreifache steigern. Wenn man außerdem die Sträucher versiert schneidet und kultiviert, kann man die Verkaufsmenge verdreifachen. Damit ergeben sich also bis zu 5400 Dollar pro Jahr pro Finca statt bisher nur 600 Dollar. Von den gestiegenen Erlösen ist allerdings auch die Kooperative zu vergüten (Drusch, Lagerung, Absatz und Beratung). Zudem sind genossenschaftliche Fonds zu bedienen wie der Notfallfonds, der Gesundheitsfonds und der Ausbildungsfonds. Vor allem sind die Anfangsinvestitionen wieder an die Genossenschaft zurückzuzahlen (rotierende Kredite). So wird eine Ausbreitung der zukunftsträchtigen Bewirtschaftungsart und Verarbeitung möglich und immer mehr Kleinbäuerinnen können in ihren Nutzen kommen.

Die deutsche Bundesregierung bezuschusst das dreijährige Projekt mit 75 Prozent, so dass jährlich pro Kleinbäuerin noch 67 Euro Spenden nötig sind. Spendenkonto: 12330010 bei GLS-Bank (BLZ 430 609 67), Zweck: Kaffeebäuerinnen in Kolumbien
Walter Burkart für die GLS-Entwicklungshilfe Bochum

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Der "Agrar-Rebell"

Manche werfen ihm pure Gewinnsucht vor, überteuerte Ab-Hof-Verkaufspreise und dergleichen. Gewiß hat Sepp Holzer schon als Knabe einen "gesunden Geschäftssinn" gehabt, als er die selbstgezüchteten "Stoaroatbe" (an wärmenden Steinen gezogene Walderdbeeren) an die begehrlichen "Dirndla" seiner Schulklasse verkaufte. Dieser Geschäftssinn ist ihm zweifellos erhalten geblieben, etwa bei Einrichtung von Besuchs-Tiergehegen (seinem "Alpenwildpark Ramigstein"), Züchtung von teuren Papageien und Delikatesspilzen, führt andererseits auch den Nachweis der unanfechtbaren Wirtschaftlichkeit seiner Produktionsmethoden. Diesen sollte dann auch das Hauptaugenmerk gelten. Bekannt und gefürchtet wurde er dadurch, daß er im übernommenen und ausgebauten elterlichen Anwesen am "Kältepol Österreichs" im Salzburger Lungau in bis zu 1500 m Höhe Kiwis, Kirschen, Kürbisse und anderes zog, was nach der Schulmeinung dort "nicht möglich" sei.

In inzwischen drei Büchern kann man sich über seine Biografie und seine Methoden unterrichten. Das erste, "Der Agrar-Rebell", zunächst im Leopold-Stocker-Verlag erschienen, jetzt auch preisgünstig bei Goldmann-Arcana, läßt ihn umfangreich selbst zu Wort kommen, auch mit Schilderungen aus Kindheit und Jugend, die an Peter Roseggers "Waldbauernbub" erinnern, und in teils köstlichen Szenen den unbefangenen Natursinn des Knaben erinnern. Ein Schlüsselerlebnis wurde für ihn später ein Seminar von Forellenzüchtern, das ihm die verheerende Wirkung von Düngechemikalien auf die Mikrolebewesen im Wasser deutlich machte: "Dieser Kurs hat mir sehr viel gebracht, theoretisch und praktisch. Mein Denken wurde kritischer. Ich glaubte von da an nicht mehr alles, was ich hörte. Ich lernte damals, die Dinge kritisch zu hinterfragen und von mehreren Seiten zu betrachten." Mit 19 Jahren übernimmt er den Hof des erkrankten Vaters, es folgen auch wirtschaftliche schwere Jahre, die mit Aufbau einer Pension, des Wildgeheges, Fischteichen, Pilzzucht, Imkerei, Pelztierzucht bewältigt werden. Dabei bleibt er seinen Grundsätzen der naturgerechten Haltung und Bewirtschaftung treu, nicht ohne soziale Auseinandersetzungen: "Es ist schon sonderbar: Erst wird man belächelt und beschimpft, dann beneidet." Zahlreiche Kämpfe mit offiziellen Stellen wie der Forstverwaltung werden dokumentiert.

Das zweite Buch (unter Mitwirkung der inzwischen erwachsenen Kinder) "Sepp Holzers Permakultur" wendet sich vor allem an den Praktiker und gibt zahlreiche Erfahrungen und Ratschläge für den alternativen Obst- und Gartenbau, so auch für die von Sepp Holzer aufgegriffene und weiterentwickelte Permakultur und Hügelbeet-Technik. Für Holzer gibt es kein "Unkraut", sondern höchstens "Pro-blempflanzen". Seine Erfolge beruhen auf genauer Beobachtung, ungewöhnlichen Pflanzensymbiosen und Zusammenarbeit mit, statt Kampf gegen die Natur, in der für ihn alles einen Sinn hat. Holzer setzt sich ebenso für Erhalt alter Obstsorten und für Sortenvielfalt ein. Ein alter "Permakultur-Veteran" Joe Polaischer aus Neuseeland schreibt im Geleitwort: "Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Zukunftsfähigkeit sind Begriffe, die in unserem Leben mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit werden. Der Sand im Stundenglas der Weltgeschichte scheint immer schneller zu rinnen. Es seien hier nur Stichworte wie Globalisierung, Technologie und Wirtschaftswachstum genannt. Die natürlichen Ressourcen des Planeten Erde werden immer mehr in Mitleidenschaft gezogen. … Die weltweit wachsende Permakultur-Bewegung leistet mit ihrer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft einen konstruktiven Beitrag zur Bewältigung aller dieser Probleme." Auch Holzer kommt zu dem Ergebnis (wie in anderem Zusammenhang Jean Ziegler), daß auf natürliche Weise ohne weiteres 12 Milliarden Menschen ernährt werden könnten. Dies – auf regional autonomer Basis – ist die Gegendarstellung zur gescheiterten "grünen Revolution" der Agrokonzerne und ihres Monopol-orientierten Gentechnik-Angebotes, welche mit ihren Chemikalien weltweit unfruchtbare Steppen hinterlassen.

Das dritte, neue Buch "Wo ein Wille, da ein Weg" ist vor allem dem Bereich Naturheilkunde gewidmet, der Volksmedizin, geschichtlichen Entwicklungen und Fehlentwicklungen im Umgang mit der Tier- und Pflanzenwelt. – (Homepage: www.krameterhof.at)
Andreas Pahl

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Schulgründung in Nepal

Die Bürgerkriegssituation in den letzten zehn Jahren hat in Nepal vieles in Unordnung gebracht und erschwert. Es sind um die 10 000 Menschen gestorben, hauptsächlich Männer im kriegstauglichen Alter, und die hinterbliebenen Familien haben oft unfassbare Existenznöte. Es gibt allein in Kathmandu, der Landeshauptstadt, rund 60 Kinderheime für Waisenkinder.

Wir, das bin ich, Irina Staschewska und eine nepalesische Großfamilie, die Erfahrung in der Leitung von drei Kinderheimen hat, sehen die Notwendigkeit zu einer menschenwürdigen Schule in Kathmandu.

Diese Schule soll wesentliche Elemente der Waldorfpädagogik integrieren. Als ehemalige Waldorfschülerin aus Berlin, als Eurythmielehrerin in Sao Paulo, Brasilien, und als Waldorfmutter hat die Beschäftigung mit der Waldorfidee und die Begeisterung für diese Schulform (ich hatte sehr positive Erfahrungen als Schülerin!) sich wie ein roter Faden durch mein Leben gezogen. Während meiner Schulzeit lebte die Idee einer eigenen und reformierten Schulgründung auch am stärksten in mir, konnte aber nie verwirklicht werden.

In Nepal aber ist es möglich! Hier kostet ein Lehrergehalt um die 80 Euro pro Monat, die Bestimmungen sind freilassender als bei uns und der Bedarf ist sehr hoch!

Umfassen soll unsere Schule Kinder aus verschiedenen Kasten und Religionen, damit auch aus verschieden begüterten Familien. Das heißt, die reichen Familien werden die armen mittragen. Die Schule sollte sich längerfristig selber unterhalten können, am Anfang wird finanzielle Hilfe nötig sein, wie lange, könnte ich nicht abschätzen. Vielleicht wird auch immer externe Hilfe gefragt sein, da es ja immer auch etwas zu verbessern gibt.

Nun soll diese Schule nicht nur für Kinder im schulpflichtigen Alter sein, sondern auch für junge Erwachsene, die in diesen Zeiten irgendwie zwischen die Maschen gefallen sind und nicht Lesen und Schreiben gelernt haben. Immer wieder sind mir solche jungen Leute begegnet, vom 16. Lebensjahr an, die nicht erfolgreich ihre Schulbildung abschließen konnten. Für diese soll eine Möglichkeit außerhalb der normalen Arbeitszeiten bestehen, frühmorgens von 6:00 bis 9:00 Uhr und eventuell noch abends. Für sie ist die Schule kostenlos, da sie meist schon nicht mal für ihre Lebenshaltungskosten genügend Einkommen haben, wenn sie überhaupt irgendein Einkommen haben.

Ich werde dafür sorgen, dass die Lehrer dieser Schule immer mehr Verständnis für Waldorfpädagogik entwickeln und auch, dass ein Minimum an künstlerischer Betätigung stattfinden kann. Die Beteiligten müssen nicht von Beginn an alles über das Konzept wissen und es verstehen, aber sie müssen einwilligen, immer mehr dazulernen zu wollen und die Idee, die hinter dem Ganzen steht, nach und nach aufzunehmen.

Dazu bitte ich Sie um ihre Hilfe. Auch kleine Beträge helfen weiter.
Irina Staschewska, Stefan-Meier-Straße 86, D-79104 Freiburg (Kontonummer 184148759, Bankleitzahl 660 100 75, Postbank Karlsruhe)

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Das Bildnis eines behinderten Mannes

Das Bildnis eines behinderten Mannes aus dem 16. Jahrhundert ist der Ausgangspunkt. Er sieht wohlhabend, ernst, fordern, ja sich stolz präsentierend aus. Nicht leidend, ausgegrenzt, am Rande der Gesellschaft. Dieses Bild eines Unbekannten gab den Anstoß für ein Forschungsprojekt, eine Ausstellung in Schloss Ambras bei Innsbruck (zu sehen bis Mitte 2007) und zwei Begleitbücher.

Bereits erschienen ist der „Ausstellungskatalog und Wörterbuch", das sich auch in die zwei Teile gliedert. Ohne die Ausstellung gesehen haben zu müssen, ist dieser Katalog eine Fundgrube an Information. Neue, ungewohnte Blicke und Ansichten vermittelt das Buch. Es weitet meinen Blick. Die schöne interessante Frau mit Downsyndrom, die Selbstbildnisse der Schlumper, die Puppen, die LKW-Plane sind Zeugnisse der Disability Culture.
Das Foto von Monika Zanolin, das das Knäuel von TänzerInnen der Innsbrucker Gruppe movido zeigt, lässt mich fragen, was passiert da eigentlich? Die sichtbaren Rollstühle verweisen auf Aktionismus und Performance Behinderter. Doch die Aktion nach Art des DanceAbility wirft die Frage nach der Perspektive auf. Von welchen Standpunkt oder Gesichtshöhe aus ergibt sich welches Bild? Sieht es nur für mich Stehenden seltsam aus? Muss ich mich etwa hinknien oder gar hinlegen?

Verwirrt und nicht verstehen wollend sehe ich auch die Fotografien von Martin Bruch. Die Perspektiven sind komisch, seltsam, anscheinend liegend, fotografiert er Menschen, Türen. Die Perspektive des Liegenden lassen die Szenen willkürlich erscheinen – und erst mal denke ich, was soll’s. Doch da diese Bilder nicht irgendjemand irgendwann gemacht hat, sondern eben Martin Bruch, nachdem er infolge von Gleichgewichtsstörungen stürzte, sind es nicht einfach Schnappschüsse, schnelle, schlechte Fotos, sondern die normale Perspektive eines Gestürzten. Da erscheint dann nicht der Liegende als Lachnummer, sondern das Gesehene nach dem Sturz. Nicht Menschen mit Behinderung werden abgebildet, sondern Menschen mit Behinderung sehen sich selbst und ihre Umwelt. Disability Culture in der Tradition der Menschenrechte einer Minderheit. Ich staune und das ist gut so.

Viel mehr will ich eigentlich gar nicht schreiben, denn die Texte zu den Bildern und die Kurztexte im Wörterbuch geben ein rundes Bild ab. Mein eigener Umgang mit Menschen mit Behinderung wird dadurch sicherlich gestärkt. Ich sehe nicht mehr die Behinderung, sondern übe mich im Sehen von Freude, der Akzeptanz von Ärger, den Barrieren draußen und in mir. Ich sehe die Vielfalt der Menschheit.

Das Forschungsprojekt, aus dem die Ausstellung und die Bücher entstanden sind, fußt dabei auf Disabilty Studies. „Nichts über uns - ohne uns!" – wie ein anderer Band aus dem Verlag „AG SPAK Bücher" heißt. Ist es folgerichtig, dass wir nicht einfach erfahren, ob die HerausgeberInnen und ForscherInnen eine Behinderung haben? Im Wörterbuch finden wir die Erklärung: Zwei der ForscherInnen sind behindert, eine Referenzgruppe aus Menschen mit Behinderung bringt ihre Sicht als Expertinnen in das Forschungsprojekt ein. Ich empfinde das gesamte Projekt als einen Teil der Tradition der „Selbstbestimmt Leben–Gruppen", der für uns Nichtbehinderte(?) selbstverständlichen Art zu leben. Wie viele barrierefreie Häuser und Straßen braucht es noch – bis die Barrieren in Forschung, Bildung und Wirtschaft überwunden sein werden?

Christian Mürner, Volker Schönwiese (Hrsg.)
Das Bildnis eines behinderten Mannes
AG SPAK Bücher, Neu Ulm, 2006, ISBN 978-3-930830-81-7, € 9,80
www.agspak-buecher.de
Zur Ausstellung: http://www.khm.at/ambras/03ausstellungen/ausstellungen.html

Dieter Koschek, Projektwerkstatt am See

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Bruderzwist

Die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" enthält jeweils ein Dossier mit genaueren Berichten zu einem aktuellen Thema. In der Ausgabe vom 31. August 2006 ging es um einen der Hintergründe vom israelisch-libanesischen Krieg dieses Sommers.

Es wurden dabei gezielt Teile der Versorgungsstruktur des Libanon zerstört sowie auch etliche Wohnhäuser. Durch den Angriff auf eine Ölraffinerie wurde ein Küstenstreifen mit Öl verseucht. Der Krieg forderte etwa tausend Opfer, zumeist Angehörige der Hisbollah, jedoch auch Menschen aus der Zivilbevölkerung sowie israelische Soldaten. Durch vermehrten Raketenbeschuss aus Hisbollah-Stellungen kamen auch israelische Zivilisten zu Schaden.

Anlass zu diesem Krieg waren zwei von der Hisbollah entführte israelische Soldaten. Ziemlich unerwartet startete daraufhin der neue Regierungschef Olmert jenen Angriff, der auch vom israelischen Militär in seinem weiteren Verlauf als nicht besonders gelungen beurteilt wurde. Er führte letztlich zu einer Situation, welche die Hisbollah eher noch stärkte, weil sie dem Angriff standgehalten hatte und damit in den Augen vieler Araber gewann.

Im Libanon ist diese schiitische Organisation, welche engere Verbindung zum Iran pflegt, sogar im Parlament vertreten. Sie gilt als Vertreter des wachsenden schiitischen Bevölkerungsteiles.

Die Entführung der Soldaten war ein weiterer von mehreren Versuchen, jemanden freizupressen, der seit 1979 in israelischer Gefangenschaft einsitzt. Er hatte mit einer kleinen Gruppe versucht, einen Israeli zu entführen, was aber misslang. Dabei wurde das Opfer erschossen und seine kleine Tochter, die anwesend war, erschlagen. Der jetzt Einsitzende wurde als offensichtlicher Täter dieser Morde verurteilt. Zur Tatzeit war er ein Jugendlicher im Alter von 17 Jahren.

Bald darauf begann man, ihn in seiner libanesischen Heimat als Freiheitskämpfer zu verehren. Plakate von ihm wurden vielfach aufgehängt. Die misslungene Entführung galt als Heldentat und von einem dabei getöteten Kind war nicht mehr die Rede.

In Wirklichkeit gab es noch ein weiteres Opfer bei diesem Überfall. Als die mit einem Schlauchboot angelandete Gruppe das Haus des zu Entführenden durchsuchte, versteckte sich die Mutter mit der anderen Tochter in einer Nische. Voller Todesangst hielt sie dabei der Kleinen den Mund zu. Nachdem die Leute wieder abzogen, sieht sie, dass ihre Tochter daran erstickt ist.

Die von den Zeit-Journalisten im Umfeld der Attentäter angestellten Recherchen ergaben durchaus Zwiespältiges. In dem Dorf der Familie, das nach Clan-Zugehörigkeit aufgeteilt ist, schwanken die Meinungen. Neben den Vertretern jener Linie, wonach ein Kampf gegen Israel alles rechtfertigt, gab es sogar Zustimmung zur israelischen und der amerikanischen Position.

Der Einsitzende gehört den Drusen an, einer eigenen islamischen Richtung, deren Führer Dschumblad eigentlich angeordnet hat, dass man sich aus dem israelisch-palästinensischen Konflikt heraushalten solle. Das taten auch die meisten. Nur der jugendliche Attentäter, der bereits wegen eines ähnlichen Versuchs in einem jordanischen Gefängnis gesessen hatte, ließ sich danach in einem speziellen Lager ausbilden. Er führte dann das kleine Kommando an.

Seitdem gab es immer wieder Versuche, ihn freizupressen. Vor dem neuerlichen Entführungsfall existierte, so fanden die Reporter heraus, bereits eine Abmachung, den Gefangenen freizulassen. Als Gegenleistung hätte sich die Hisbollah aus den grenznahen Gebieten zurückziehen müssen - woher der andauernde Raketenbeschuss auf israelischeSiedlungen stammte.

Das wurde nun hinfällig und die Positionen haben sich nach dem Krieg einmal mehr verhärtet. Das Wechselverhältnis der Gründe dieser Konfrontation lässt sich weit in die Vergangenheit hinein verfolgen - eigentlich bis in alt-biblische Zeiten hinein. Wo die JahweReligion eine Zeitlang etwas Herausgehobenes mit sich brachte, sollte der Mohammedanismus später etwas Besonderes für seine Anhänger darstellen. Das bloße Verharren auf solche Vorstellungen führt zu gegenseitigen Verdrängungen, was zunächst die Juden besonders erleiden mußten. Sie machten in der Fremde vielfach ein schweres Schicksal durch, bis eine massenhafte Flucht durch die Barbarei des Nationalsozialismus in die alte Heimat zurückführte.

Um aus der Aufrechnung vergangener Untaten herauszukommen, ist viel Hilfe nötig. Es geht nicht nur um die Behebung eines alten semitischen Bruderzwistes. Eine brüderlich-schwesterliche Gesinnung hat sich hier besonders zu erweisen; sie ist jedoch weltweit zu verankern. Ohne eine solche verzeihende Haltung gibt es kein tragendes Fundament in der Zukunft, das zeigt sich insbesondere an Palästina.

Jürgen Kaminski

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Geistige Lebensbegegnungen

Ein Musikpädagoge erzählt sein Leben, das sich unter widrigen Umständen entwickelt und emporringt. Der zeitliche Rahmen wird mit Jahreszahlen nur orientierend erwähnt. Der allgemeine Zeitstrom und das Leben in zwei diktatorischen Staaten (unter nationalsozialistischer Herrschaft, dann unter Herrschaft dersozialistischen Eineheitspartei) bleibt im Hintergrund. Auch die Flucht aus Ost-Berlin nach dem Musikstudium ist nur im Nebensatz erwähnt.

Aus spirituellem Erleben ist der Erzählstrang dieser Lebensschilderungen gewoben. Von Kindheit an erfährt der Erzähler ein Begleitetsein in einer elementarischen Sphäre, von einem ihm wohlbekannten Lichtraum umgeben. Dessen zeitweiliges Erscheinen ist stets mit einem besonderen Geschehen verbunden und macht in der Rückschau die frühen Erlebnisse bewusst. Ähnliche Schilderungen von Begegnungen mit einer Lichtgestalt, von ätherischen Strömungen, die wahrgenommen werden, von seelischem Farbenspiel, werden zahlreich gegeben. Die Art der Darstellung zeigt, dass es objektive Wahrnehmungen sind, wie sie verschiedene Menschen übereinstimmend beschreiben können.

Es ist ein unruhiges Leben, das durch einige Gefährdungen den Lebensfaden zieht und viele Erfahrungen sammeln muß: „Jede einzelne festigte meine Kräfte des Durchschauen- und Durchstehen-Könnens und reinigte meinen Seelenblick von falschem Mitleid und ähnlichen subjektiven Empfindungen." Die Fähigkeit zur musiktherapeutischen Arbeit mit Seelenpflege-bedürftigen Kindern reift heran, von der der Verfasser einige Beispiele gibt. In der Arbeit mit ihnen gelangt die Imagination zur karmischen Schau.

Der Weg dorthin ergibt sich nicht naturgemäß. Schwierigkeiten mit dem Üben auf dem Erkenntnispfad werden wahrheitsgemäß geschildert. Manches gelingt nicht in der gewünschten Weise und es steigt die Ahnung auf, dass die Jugendzeit im Internat, das beständige Vorbildsein-Müssen dort, Hindernisse in den Weg gelegt hat. Es treten selbstgefundene Übungen hinzu, Bildbetrachtungen während Galeriebesuchen, physiognomische Betrachtungen und anderes.

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist in dem Vorauserleben eines möglichen Verkehrsunfalls erzählt, was durch die Geistesgegenwart des Verfassers dann vereitelt wird. Es zeigt sich klar, wie durch konsequentes Befolgen des Übungsweges ein Aufbruch in zukünftige Sphären erfolgt. Negative Folgen können verhindert werden, weil diese zuvor einsichtig wurden.

Die der Darstellung angemessene schlichte Sprache lässt die Lektüre zu einem wohltuenden Lese-Erlebnis werden. Hier ist eine geistige Entwicklung bis zu einer gewissen Stufe spiritueller Einsicht gelangt, die die Mitteilung des Erlebten möglich macht. Der Rezensent möchte hinzufügen, dass jegliches Mitteilungsbedürfnis zuvor ausgelöscht sein muss, um vergleichbar transparente Bilder niederschreiben zu können.

Matthias Bideau
Lothar Brandes: Geistbegegnungen auf dem Schicksalsweg. Erfahrungen mit dem neuen Hellsehen. Wege-Verlag, Scheffelstraße 53, D-79102 Freiburg, 1999. 184 Seiten, Euro 15,-.

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Karma und Dharma

Der orientalische Begriff des »Karma« ist – vor allem durch New-Age-Kreise vorbereitet – schon fast in die Umgangssprache übernommen worden. Vor allem werden Begegnungen damit bezeichnet: »Karmische Begegnungen« (synonym zum Begriff des »Schicksals«) oder Beziehungsprobleme werden damit zu erklären bzw. aufzuarbeiten versucht. Der Karmabegriff im althergebrachten, traditionellen Sinne ist jedoch noch weiter gefaßt: Er umgreift auch das ganze spezielle »So-Sein« jedes Menschen in seinem individuell ausgebildeten Körper, auch das Sich-Vorfinden in den persönlichen Lebensumständen der Familie, des Wohnortes usw. Die unmittelbarsten Menschen, auf die man trifft, sind »karmisch« bedingt. (Hier setzt der Karmabegriff natürlich als Gesetz der Folgen früherer Taten die Akzeptanz der Lehre von der Reinkarnation voraus. Ohne Verursachung in einem »früheren« Leben kann natürlich keine zusammenhängende Folge in einem nächsten Leben auftreten. Nur kann der Mensch, weil er zu sehr an der Vorstellung seiner jetzigen Erscheinungsform klebt, sich schwerlich ein früheres Leben vorstellen. Er muß sich dazu erst eine Vorstellung seines »geistigen Wesenskerns« erarbeiten.) Ferner gehört zum Karma, daß man etwa eine schiefe Nase hat, eine angeborene Blindheit, eine chronische Krankheit oder sonst eine spezielle Lebensvoraussetzung. An dem »Sternzeichen«, in dem man geboren ist, wird zudem deutlich, daß niemand sich ganz der karmischen Einseitigkeit entziehen kann, selbst wenn er an der Grenze zwischen zwei Sternzeichen zur Welt kam (er wird dann eben astrologische z.B. »Mischtyp« genannt). Goethe suchte in seinen »Urworte – orphisch« den Karma-Begriff zu fassen als das »Gesetz, nach dem du angetreten«. Er ging allerdings darin etwas zu weit, daß er dieses Gesetz dann als alleinbestimmend für das ganze Leben definierte. In diesem Punkt gab er lediglich die damals für ihn interessante islamische Auffassung wieder, welche den Menschen durch Horoskop, Fatum oder »Kismet« vollkommen vorbestimmt sieht. Dieser Kismet-Gedanke beschäftigte immer wieder die Gemüter auch in der Literatur, schon in der griechischen Tragödie, später u.a. bei Droste-Hülshoff, Thornton Wilder oder den »Prophezeiungen der Celestine«. Eine einseitige, deterministische Auffassung des Kismet ist problematisch und kann erheblich in die Irre führen. Wenn dem so wäre, könnte man ja ab sofort die Hände in den Schoß legen und bräuchte nichts mehr zu tun, da ohnehin alles »vorbestimmt« sei. Dies steht jeglicher »moralischen Intuition« oder Caritas, also menschlichem Mitverantwortungsgefühl konträr gegenüber. Interessanterweise deckt sich der westliche Materialismus, der die Beweggründe für alles Geschehen in die Materie legen will, in seiner Schlußfolgerung völlig mit dem arabistischen Kismet-Begriff – er ist fatalistisch. Und diesen Fatalismus, man »könne eh‘ nichts machen«, alles würde nach »objektiven Gesetzen« ablaufen etc., findet man besonders bei Materialisten verbreitet. Auch dem Neoliberalismus der WTO liegt dieser Fatalismus zugrunde, er deutet sich früh schon in den englischen Wirtschaftstheoretikern Malthus und Adam Smith an, wobei man ahnen kann, »wes Geistes Kind« sie sind. Nicht menschliche Verantwortung, sondern »objektive Marktgesetze« sollen hier das Geschehen bestimmen! Es dürfte deutlich sein, daß solcher Karma-Fatalismus jegliche Moral untergräbt. (Auch der marxistische »dialektische Materialismus« hat mit der Maxime »das Sein bestimmt das Bewußtsein« eine solche fatalistisch-materialistische Komponente, ruft aber groteskerweise zugleich dazu auf, dieses »Gesetz« befreiungsartig zu durchbrechen.)

Karma ist jedoch keinesfalls ein »lebenslänglich«, eine mehr oder weniger unüberwindbare Prädestination, sondern bezeichnet vielmehr die Summe aller Voraussetzungen für das individuelle Leben. Voraussetzungen sind aber nie das eigentliche Bestimmende, sondern gleichsam das Material, die Substanz, mit der der eigentliche Bildner, der »Künstler« (das menschliche Ich) gestaltend arbeitet. Das ist der tiefere Sinn des Ausspruchs von Josef Beuys »Jeder Mensch ist ein Künstler«. Das bedeutet nicht, daß er als perfekter Maler, Bildhauer, Musiker etc. auf die Welt gekommen ist und jede Peinlichkeit, die er hervorbringt, nun als von vollkommenster künstlerischer Qualität erachtet werden müsse (wie manche polemischen Beuys-Hasser gern fehlinterpretieren), sondern es bedeutet, daß die menschliche Biographie (ganz gleich, auf welchem Gebiet der Mensch arbeitet) nicht vollkommene Folge einer »Vorbestimmung« , einer »geprägten Form« ist, sondern diese gleichsam nur das Material, die Substanz ist, mit der und auf deren Basis der eigentliche Mensch erst arbeitet. Die Selbstdefinition »ich bin dieses, ich bin jenes« ist also gleichsam ein »do it yourself«-Gefängnis, ein selbstprojiziertes Vexierbild, das zugleich als Selbstblockade funktioniert. Nicht selten versucht der Einzelne, dieses Bild mittels Exzessen wie Rausch, Betäubung und allerlei anderen Fluchtmitteln zu »überwinden«. Meist nähren und mästen solche selbstzerstörerischen Versuche das Bild dieses »Doppelgängers« erst recht noch und es wird unansehlicher als je zuvor. Nicht gerade hilfreich sind dann noch Kommentare so genannter Mitmenschen, welche in die bereits vorhandenen Kerben nochmals hineinschlagen, indem sie bloß das Bild ihrer oberflächlichen Wahrnehmung kundgeben, ohne irgendetwas der tieferen Vorgänge auch nur im Entferntesten zu verstehen. Diese Oberflächenspiegelung oder auch Goethes »so mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen« (Urworte orphisch) schildern jedoch nicht den eigentlichen kreativen Kern im Menscheninnern, sondern die »geprägte Form«, die nun nicht automatisch »lebend sich entwickelt«, wie Goethe in biologistischer Übertragung des Pflanzenmetamorphosegedankens auf den Menschen meint, sondern die wesentlich vom Menschen selbst bearbeitet und mitgestaltet werden kann.

Normalerweise akzeptiert der Mensch bis zum 12., 13. Lebensjahr ohne Auflehnung (wenn auch oft unter vielen Schmerzen!) sein »Karma«, er rebelliert nicht grundsätzlich gegen das Schicksal, was eine unsäglich heroische Haltung des Kindes ist. Erst mit Einzug der Pubertät, mit dem Erwachen des individuellen Ich, polarisiert sich die Situation, wobei das soziale Umfeld in Ablehnung und Anerkennung nicht unwichtig ist. Der Mensch beginnt, sich selbst zu wägen. Im allgemeinen ist suicidgefährdet erst der Jugendliche. Er lebt in einer Art »mittleren Periode« (zwischen dem 13. und dem 20. Lebensjahr, wobei die »Volljährigkeit« unter der Regierung Brandt leider auf 18 Jahre verfrüht herabgesetzt wurde, was nicht unbedingt der biologisch-psychologischen Reife entspricht), zwischen dem unbewußten Sich-Einleben ins Karma (in der Kindheit) und dem aktiven Ergreifen des Karma ab der Volljährigkeit.

Der soziale Kontakt, aber auch das innere Leben polarisiert sich in dieser Zeit zwischen Selbsthass und Selbstliebe (Narzißmus) bei jenen, die überhaupt auf die kritische Situation aufmerksam werden, d.h. die eine Intuition von ihrem »Doppelgänger« bekommen. Eine dritte Fraktion schläft eher vegetativ über das Drama hinweg und gibt später gute Beamte in Dauerstellung ab. Die beiden Extrempositionen sind jedoch jeweils Irrtümer. Sowohl Selbsthass wie auch Narzißmus sind Sackgassen, in denen die Entwicklung nicht recht weitergeht. Soziale Präferenzen tragen jedoch schon kräftig dazu bei –und niemand ist oft parteiischer und grausamer in sozialen Präferenzen als Kinder und Jugendliche.

Kinder jedoch schlucken ein »schlechtes« oder besser: schwieriges Karma (schlecht ist es im Grunde nie, denn nur am Schweren können entsprechende Überwindungskräfte erworben werden, das ist der eigentliche Sinn von missbrauchten Worten wie »Sieg Heil!«) eher als der schon mit einem gewissen Erlebnis des »auf sich selbst gestellt Sein« ausgestattete Jugendliche. Der Fehler bei beiden erwähnten Varianten ist, daß das Karma als etwas Fortbestehendes fehlinterpretiert wird. Selbst eine »Lichtgestalt« oder ein »Leitengel«, wie sie manche auserlesenen Glücklichen erleben mögen (Jean Paul z.B. beschreibt solches) darf nicht als etwas Festes angesehen werden: Erstens sind auch Engel in Entwicklung und zweitens kann sich auch der Hyperbegnadete die schiebende Sympathie seines Engels verscherzen (was er allerdings meist tunlichst unterlassen wird!). Viele kommen aber erst nach tausenden von Fragen, Flüchen oder Klagen zum schließlichen Frieden mit »sich selbst«, d.h. genauer zum Einklang mit ihrem »selbstgewählten Schicksal«, wie die Ungarin Elisabeth Stückgold ihre Autobiografie nannte.

»Wer seines Lebens viele Widersinne
Versöhnt und dankbar in ein Sinn-Bild faßt,
der drängt die Lärmenden aus dem Palast…« (R.M. Rilke)

Selbst dieser Frieden ist nicht eine mechanische Patenterrungenschaft, sondern muss unter Umständen nicht wenige Male wieder neu erübt und erreicht werden – wie die Kunst, eine schwierige Sonate zu spielen.

Der Künstler im Menschen läßt sich also weder vom Lieblingsbild des Selbsthasses noch vom »Starfoto« des Narzißmus vollends verblenden und aufhalten, sondern sucht darüber hinaus in die soziale Fruchtbarkeit hinein fortzuschreiten. Hier kann er, und idealerweise nur er, Aufgaben ergreifen, zu welchen er aufgrund seines »Karmas« besonders prädestiniert ist. Und hier eben gesellt sich der Begriff des »Dharma« zu dem des »Karma«. In einer Besprechung des Buches »Der Pfad der Jüngerschaft« von Annie Besant, welches 1905 erschien, führt der Rezensent Rudolf Steiner folgendes aus:

»Karma und Dharma sind ja zwei Begriffe, die sich gegenseitig ergänzen und bedingen. Das Karma des Menschen bestimmt sein Schicksal nach demjenigen, was er in seinen früheren Daseinsstufen getan hat. Das Dharma aber ist das Gesetz, nach dem er weiter, in die Zukunft hinein, nach seinen von ihm in der Vergangenheit erworbenen Eigenschaften und Fähigkeiten leben soll. Und eines jeden Dharma ist durch sein Karma bestimmt. Er wird am weitesten kommen, er wird das für ihn Beste erreichen, wenn er sich innerhalb der Grenzen seiner Fähigkeiten hält, die ihm durch seine Lebenslage auferlegt sind. Es ist nicht richtig, sich ohne Rücksicht auf diese Lebenslage an Aufgaben zu hängen, die einem besonders reizvoll und wert erscheinen. Es sind das vielleicht Aufgaben, die nur derjenige lösen kann, der ein ganz anderes Karma hat.« Annie Besant formuliert das etwas knapper: »Besser den eigenen Dharma, wenn auch unvollkommen tun, als versuchen, den höheren Dharma eines anderen zu erfüllen.«

Dies besagt, daß es dem Menschen nur bis zu einem gewissen Grade vergönnt ist, »über seinen Schatten springen« zu können. In einem Märchen von Hauff ist das »Verkaufen des Schattens« (an den Teufel) sogar ein sehr unratsamer Akt. Der Mensch kann zwar rebellieren und sich erheben wollen gegen sein Karma, er würde dies aber bezahlen mit Stagnation und Entwicklungsstillstand, eine Folge sinnloser Ungeduld. Er wird erkennen, daß die Selbstakzeptanz (aber auch ohne narkotische Selbstverblendung) der Weg ist, auf dem er am besten und schnellsten fortschreiten kann. Jedes Zeitalter hält dann Aufgaben bereit, die der zu seinem »Dharma« Schreitende dann ergreifen kann. –

Andreas Pahl

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Äußere Unsicherheit und innere Gewissheiten

Nach meiner Erfahrung kann man es namentlich für jüngere Menschen als einen normalen Zustand bezeichnen, dass sie sich über ihre eigenen Absichten und Wünsche kaum jemals im voraus klar werden können. Erst dann, wenn sie durch ihre eigene Lebenserfahrung mit bestimmten Möglichkeiten konfrontiert werden, die sie sehr oft sogar vorher theoretisch mit einem riesigen Gedankengebäude als unmöglich für sich selbst bezeichneten, wissen sie, wie sie in einem konkreten Falle wirklich sind und wie sie handeln. Nur so ist wohl erklärlich, dass es heute immer noch so außerordentlich viele namentlich junge Menschen gibt, die gewissermaßen, weil es modern ist, eine Ehe ablehnen, weil sie sie mit einem gewissen Recht als etwas empfinden, was sie zu sehr festlegt. Sie fühlen instinktiv, dass sie den Problemen und Schwierigkeiten der engen Zweisamkeit einer Ehe eigentlich nicht gewachsen sind. In dem Augenblick aber, wo sie dann einen Partner oder eine Partnerin finden, zu der sie eine überaus große Zuneigung haben, fällt das ganze vorher aufgebaute Gedankengebäude in sich zusammen, und ihre Umgebung kann nur staunend wahrnehmen, dass sie, die doch vorher alle möglichen Theorien aussprachen über die Unmöglichkeit ehelicher Beziehungen, im Laufe weniger Monate vor dem Standesamt stehen.

Der Mensch ist eben ein durch und durch widerspruchsvolles Wesen, und er kann sich in seinen Gedanken nur sehr schwer damit abfinden. Sein Gefühl für individuelle Freiheit ist in mancher Lebenslage viel größer als das Bedürfnis nach Bindung. Aber diese Freiheit, die er in gewissen Phasen durchaus genießt, führt ihn auch in Einsamkeit, und gerade diese Einsamkeiten sind es, die den Gegenpol herausfordern: das Bedürfnis nach einer sehr oft unbedachten, rein aus dem Gefühl herauskommenden Bindung. Der immer wieder besprochene Tatbestand einer einmalig großen Anzahl von Ehescheidungen im geografischen Raum aller "zivilisierten" Länder scheint mir Ausdruck dafür zu sein, dass im Moment, in dem eine solche, vielmehr aus dem Gefühl als aus der Erfahrung herauskommende Bindung zur Ehe geführt hat, eben die Schwierigkeiten auftreten, die sich ergeben müssen, wenn zwei Menschen sich in eine so enge Zweisamkeit, gerade heute, begeben. Es tritt dann wieder das Gegenbedürfnis, das Bedürfnis nach Freiheit auf und führt, mal durch die Initiative des einen, mal durch die des anderen, zur Auflösung der Ehe.

Ich verstehe diese und viele andere ähnliche Vorgänge heute so, dass sie Ausdruck eines Schicksals sind, dem der Mensch in dem Maße unterliegt, in dem er sich über sich selbst, über sein Wesen, über seine Bedürfnisse, seine Verpflichtungen usw. nicht Klarheit verschafft. Das Schicksal wird in solchen Situationen zu einem mehr oder weniger blinden Faktor, der den Menschen bald hierhin, bald dorthin reißt. Es liegt aber darin zugleich die Herausforderung, dass der älter werdende und womöglich reifer werdende Mensch sich immer klarer über sich selbst wird, so dass er schließlich ganz allmählich nicht von einem blinden Schicksal gelenkt wird, sondern mehr und mehr das Steuer des Schiffes, das er selbst ist, in die Hand bekommt. Ich habe Menschen kennen gelernt, die sich auf diesem Wege aktiv befinden, die sich weder in Isolation stürzen, weil sie die Zweisamkeit nicht aushalten, noch in Zweisamkeit, weil sie die Einsamkeit nicht mehr aushalten können, sondern die allmählich erfahren und gelernt haben, in welchem Umfang sie die Zweisamkeit nicht nur bejahen, sondern auch tragen können, und in welchem Maße sie die Einsamkeit brauchen. Sie können dem anderen auf der für sie selbst und für den anderen doch befreienden Grundlage begegnen, dass sie etwas um sich wissen, weder grundsätzlich skeptisch noch grundsätzlich optimistisch sind, sondern auf vielen Gebieten wirklich wissen, was sie zu geben in der Lage sind, und was sie unter bestimmten Bedingungen oder grundsätzlich nicht oder noch nicht aufbringen können. Auch ganz plötzlich in gewisser Beziehung neu auftretende Erfahrungen sind für diese Menschen kein Anlass, um ihre bisherigen Lebensverhältnisse ruckartig sofort umzustülpen. Sie haben ein instinktives oder bewusstes Bewusstsein davon - so habe ich das erfahren -, dass vorhandene Beziehungen, oft jahrelange Beziehungen, nicht einfach aufgegeben werden können. Sie wissen bewusst oder unbewusst, dass vielleicht Umstände eintreten können, die ihren bisherigen Beziehungen zu ihren Freunden allmählich eine völlig neue Position geben, aber sie würden in der Regel nichts davon halten, Beziehungen abzubrechen, weil sie sich geistig umorientiert haben, es sei denn, dass zwischen ihnen und anderen Situationen eintreten, die sich nicht mehr überbrücken lassen. Ich glaube, dass jeder Mensch, der sich nicht ideologisch oder in irgendeiner Weise abgestumpft hat, bei genauerer Beobachtung seiner Umwelt Menschen entdecken kann, die oft in der schlichtesten Weise, oft auch in einer bewusst geistig erkämpften und ausdrückbaren Art eine mehr oder weniger große Lebensreife haben. Es ist doch kein Einwand, dass es nur eine verhältnismäßig kleine Minderheit solcher Menschen gibt. Im Gegenteil, es scheint einem Lebensgesetz zu entsprechen, dass es zunächst nur wenige schaffen, im Dschungel ihres Lebens und des Lebens überhaupt gangbare Wege zu finden.

Auch die sehr gut zu beobachtende Tatsache, dass in der Regel der junge Mensch sehr viel Drang hat, zu leben, ohne noch ein Verständnis für sich selbst und das Leben entwickeln zu können, gilt nach meiner Erfahrung nur für den Normalfall der absoluten Mehrheit. In den letzten Jahren sind mir immer mehr auch sehr junge Menschen begegnet, die von ideologisch-akademischen Schablonen wegstrebten und ganz ohne Konzept einfach versuchten, ihre Erfahrungen gedanklich zu erfassen. Einige von ihnen fielen mir dadurch auf, dass sie, obwohl erst zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt, nicht nur ein Wissen von sich selbst hatten, sondern auch um ihre Verpflichtungen gegenüber dem anderen Menschen wussten. Man konnte den Eindruck haben, dass es sich bei ihnen wirklich um ältere, im besten Sinne erfahrene Menschen handelt, die durchaus im Sinne eines realen Idealismus etwas für andere Menschen und gegen die schreckliche Lage der Welt und der Menschheit tun wollten, aber auch zugleich, ohne grundsätzliche Resignation, sich ihrer zunächst vorhandenen Grenzen bewußt waren. Die Erkenntnis dieser Grenzen war für sie keinerlei Hindernis dafür, weiterhin zu versuchen, die Grenzen ihres Bewusstseins und ihrer Tatmöglichkeiten zu erweitern.

In früheren Jahrzehnten gab es sehr wenig solche Menschen, es kann auch sein, dass sie mir in der Jugend der fünfziger und sechziger Jahre, mit der ich ständig zu tun hatte, nur nicht begegnet sind. Ich fand damals ein derart hektisches und eindeutiges Streben der jungen Menschen nach Berufsabschluss und Karriere, dass ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte, es würde einmal eine jugendliche, zahlenmäßig sogar sehr bedeutende Minderheit geben, wie sie dann 1968 und später wirklich aufgetreten ist. Bei einigen von ihnen, die mir lebhaft im Gedächtnis stehen, bemerkte ich die Fähigkeit, die ich selbst niemals hatte: in freundlicher, nahezu gütiger Weise die Angehörigen meiner Generation darüber aufzuklären, welchen Unsinnigkeiten im privaten und politischen Leben sich diese meine Generation hingegeben hatte. Was mich am meisten dabei beeindruckte, bei einigen wenigen, die mir selbst sehr lebhaft im Gedächtnis stehen, war die Tatsache, dass sie in keiner Weise dazu neigten, meine Generation zu verurteilen, sondern in einer selbstverständlichen, nicht belehrenden Art Verständnis für die Schwächen ihrer Eltern und ihrer Generation mit einer selbstverständlichen Kritik an ihnen zu verbinden.

Peter Schilinski

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Was die Schicksalsgöttin sprach

Es gab in irgendeiner Zeit einmal einen reichen Mann, dessen Frau kein Kind bekam. Die Frau machte der allerheiligsten Gottesmutter ein Weihgeschenk, um doch eins zu bekommen. Sie gebar dann ein kleines Mädchen, und sieben Tage nach der Geburt führte sie es vor.

Da naht sich auch die Schicksalsfrau und sprach im Schlaf zu dem Vater: »Euer Kind wird eine Dirne und eine Diebin werden!« So kam es, dass er am Morgen zu seiner Frau sagte: »Unser Kind wird eine Diebin und Dirne werden. Du Frau, ich werfe dies Kind ins Meer!«

Die Mutter erkrankte, als sie die Worte ihres Mannes hörte. Der Vater aber wurde - nachdem er das Kind schon an sich genommen hatte, um es ins Meer zu werfen, und schon in die Umhängetasche gesetzt hatte - unterwegs anderen Sinnes, kehrte nach Hause zurück und sperrte es in eine abgelegene Kammer. Seine Frau jedoch war unterdessen gestorben.

Als ein wenig Zeit darüber vergangen war, heiratete der Mann. Das Kind blieb ohne Nahrung und ohne Wasser in der verschlossenen Kammer. Wie sich der Mann wieder verheiratete, sagte er zu seiner Frau: »Du kannst alle Kammern öffnen - aber die Kammer da hinten aufzumachen, hast du kein Recht. Ich würde dir sonst den Kopf abschlagen!« Nachdem zwei, drei Jahre ihren Lauf genommen hatten, machte die Frau die Kammer doch aus Neugierde auf, um einmal zu sehen, was wohl darin ist. Und da erblickt sie ein sehr schönes kleines Mädchen! Sie fragt es: »Wer hat dich in die Kammer hier gebracht?« Das Kind konnte aber nicht antworten. Es tat der Stiefmutter leid, und sie führte es, ohne dass der Vater etwas davon wusste, auf den Hof hinaus, dass es Luft schöpfen konnte. Ganz, ganz langsam lernte das Kind auch sprechen.

Die Stiefmutter fragte es, wie es denn in der verschlossenen Kammer so lange Zeit hätte leben können, und da sagte es: »Die Allerheiligste brachte mir zu essen, und so aß auch ich.«

Eines Tages, als die Stiefmutter das Kind wieder herausgelassen hatte, sah es in der Nachbarschaft zwei Mädchen, die beim Sticken waren. Da lief das kleine Mädchen hin und setzte sich neben die Mädchen, stahl ihnen Fäden und brachte sie der Stiefmutter. Die Mutter zwang es aber, die Fäden den Mädchen zurückzugeben. Die Mädchen sagten zu der Kleinen: »Ach, nimm sie nur - wir haben ja noch mehr!«

Die Mutter nahm dann das Kind und schloss es wieder in die Kammer ein.

Am nächsten Tag ließ sie es wieder hinaus. Da erblickt das kleine Mädchen einen Dampfer- und rennt nur so hin. Seine Mutter läuft jedoch hinter ihm her. Wie das Mädchen die Seeleute sieht, geht es an sie heran. Die Mutter sagt aber den Seeleuten, sie sollten die Kleine wegjagen, denn sie sei noch viel zu klein, und wenn sie etwa hässliche Sachen machte, wär’ es eine Sünde. Die Seeleute jagten sie also weg.

Danach nimmt die Mutter das kleine Mädchen und schließt es wieder in die Kammer.

Mit der Zeit wuchs das Kind heran. Später lässt die Mutter es auch wieder hinaus. Und da bekommt es den Palast des Königs zu sehen, als der Königssohn gerade draußen ist. Die Mutter, die hinter dem Mädchen hergelaufen ist, spricht zu ihm: »Komm ins Haus, mein Kind, der, den du ansiehst, ist ja der Königssohn!« Das Mädchen sagt zur Mutter: »Mutter, das ist aber ein schöner stattlicher junger Mann!« Die Mutter schloss es wieder in die Kammer ein.

In der Nacht öffnet aber das Mädchen selbst die Türe, geht hinaus und läuft zum Palast des Königs, ohne dass jemand es sieht, auch die Wache nicht. Es geht in den Palast und legt sich zu dem Königssohn ins Bett. Der Königssohn schenkt ihm dann seine Goldsachen, das Kreuz und die Krone.

Nachts - während der Königssohn im Schlafe liegt - steht es heimlich auf und läuft fort. Es läuft in seine Kammer, schließt sich ein, nachdem es die Geschenke, die ihm der Königssohn gegeben, an sich genommen hat. Am nächsten Abend lief das Mädchen wieder zum Königssohn: Der Königssohn ließ es vor sich einschlafen, und da er neben dem Bett seine Truhe stehen hatte, hob er den Deckel, klemmte die Haare des Mädchens ein und schloss ganz sacht die Truhe wieder, damit es ihm nicht fortlaufen könnte. Und das machte der Königssohn, um nachher rauszubekommen, was für ein Mädchen das überhaupt ist. Dann schlief auch er ein.

Als das Mädchen wach wird und merkt, dass seine Haare in die Truhe geklemmt sind, nimmt es die Schere, schneidet sie ab und läuft aus dem Palast, rennt heim und schließt sich wieder in die Kammer ein. Mittlerweile wurde aber das Mädchen schwanger. Als ein wenig Zeit verstrichen war, merkte die Mutter, dass sie eine Frucht im Schoße trüge, und sie fragte sie, wer in ihrem Schoß gezeugt hätte. Die Tochter sagte: »Der Königssohn.«

Wie nun die Stunde, dass sie gebären sollte, näherrückte, rief die Mutter die Spielleute zum Musikmachen. Und das tat sie, damit der Vater bei der Geburt Schreie und Weinen nicht hörte. Als die Tochter geboren hatte, gingen die Spielleute wieder fort.

Am nächsten Tage nahm die Mutter (die Großmutter) das Kind und tat es in einen Korb, legte auf das Kleine die Goldsachen des Königssohns und deckte es mit Rosen und Röslein zu. Und dann übergaben es die Frauen der Magd, damit sie auf den Markt ginge, um die Rosen zu verkaufen.

Die Magd setzte den Korb auf den Kopf, ging aus dem Hause und fing mit dem Ausschreien an: »Hier sind schöne Rosen!...« Das hörte der Königssohn, er rief die Magd in den Palast, um Rosen zu kaufen. Sobald die Magd in den Palast eingetreten war, ließ sie den Korb stehen und lief davon.

Nun aber nimmt der Königssohn die Blumen und erblickt ein mit seinen Goldsachen bedecktes Kind. Da geht ihm auf, dass ist sein Kind. Er sagt seinem Vater, das wäre sein Kind. Da gebot der König den Wachleuten, alle Mägde der Stadt herbeizurufen, um sie zu fragen, welche von ihnen die Blumen gebracht hätte.

So fand auch die Magd sich ein, die den Korb mit den Blumen dagelassen hatte. Der Königssohn fragte sie, wer ihr die Blumen gegeben hätte, und welche Frau es auch wäre, sie müsste sie in den Palast bringen. Nun ging die Magd heim und sagte es ihrer Herrin. Die Herrin machte sich auf den Weg, ging zum Königssohn, tat ihm alles kund, was vor sich gegangen war, und auch, dass ihr Mann von nichts gewusst hätte. Der Königssohn aber sagt darauf zu der Mutter: »Die Tochter will ich zur Frau nehmen!« Die Mutter erwiderte: »Wenn du die Tochter nimmst, geben wir dir unser ganzes Vermögen!«

Mittlerweile kehrte die Mutter heim, und nun sagte sie ihrem Mann alle Einzelheiten. Der Mann begibt sich in den Palast, um sich zu vergewissern. Der Königssohn verspricht ihm, dass er die Tochter zur Frau nehmen würde. Der Vater sagt zu ihm: »Was sie getan hat, war ihr ins Schicksal geschrieben, und wenn du sie zur Frau nehmen willst, so kenne ihr Schicksal!« Der Königssohn nahm es hin, wie es war.

Es wurde Hochzeit. Da haben sie getrunken und gegessen und, uns was zu geben, vergessen.

Aus „Märchen griechischer Inseln und Märchen aus Malta", herausgegeben und übersetzt von Felix Karlinger (Düsseldorf, Köln 1979)

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Ein Gesprächswochenende im Eulenspiegel

Von Freitagabend bis Sonntagmittag des letzten Februarwochenendes trafen sich die Aktiven des Vereins "Modell Wasserburg" mit Freunden. Am ersten Abend wurde die Pflichtübung der alljährlichen "Mitgliederversammlung" absolviert. An den zwei folgenden Tagen trafen wir uns zu Gesprächen rund um die Belange des Vereins und der "Kultur- und Begegnungsstätte Eulenspiegel". Diese Bezeichnung hat sich mittlerweile für die von der Gaststätte inzwischen unabhängige Veranstaltungslokalität und -Kulturinitiative im ersten
Obergeschoß des Hauses eingebürgert, mit großem Seminarraum, Büro und Gastzimmer. Hier sind zu Hause der Verein, der Jedermensch-Verlag und die "Projektwerkstatt am See" und hier ist der Raum, in dem die meisten hausinternen Veranstaltungen stattfinden. Dazu gehört auch das "Holzhaus", unsere Gästeherberge im hinteren Winkel des Grundstücks.

Hauptthemen der Mitgliederversammlung waren, wie immer, die äußerst knappe finanzielle Lage und die sich daraus ergebenden Aussichten in die nahe Zukunft. Ein Großteil der nötigen Einkünfte des Vereins sollten sich aus Wohnungsvermietungen und aus der Verpachtung der Gaststätte ergeben. Zum Glück haben sich Freunde gefunden, die mit Krediten das saisonbedingte Winterloch der Gaststätte zu überbrücken halfen. Der nächste Sommer mit demnächst erweiterter Gartenwirtschaft und erfahrungsgemäß hungrigen und durstigen Touristenströmen wird hoffentlich den nötigen Ausgleich bringen. Bis zum Herbst sind wir also zuversichtlich. Das erinnert an das Bild vom schwebenden Träumer, der zur Verlängerung seiner beglückenden Flugbahn bei jeder Bodenwelle die Beine immer enger an sich heran zieht. Anstelle des dem Träumer drohenden Aufwachens versuchen wir in unseren Hochrechnungen voraus zu denken und böse Überraschungen abzuwenden.

Der Vereinsvorstand hat frischen Zuwachs bekommen durch Karl-Heinz Dewitz, der neben seiner schon immer aktiven Rund-Gesprächsarbeit nun auch noch die Finanzen und sonstige Sorgen des Vereins mit ins Auge fassen will.

In den Gesprächen der folgenden zwei Tage wurde über Selbstverständnisse und Ziele diskutiert und wie sich diese im Arbeitsstil, im Veranstaltungsprogramm und in der Darstellung nach außen widerspiegeln. Anlass dazu war sich ausbreitende Unzufriedenheit mit der sich im Veranstaltungsprogramm zeigenden Wahllosigkeit, die teils aus finanziellen Gründen der Saalauslastung und teils aus Mangel an aktiven Mitarbeitern entstanden ist. Das Problem wurde auch schon zuvor versucht, im neu entstandenen Initiativkreis anzugehen.

Wir sprachen über Gesichtspunkte zur Beurteilung auf uns zukommender Anfragen zur Saalnutzung und wie wir damit umgehen könnten. Bisher war fast automatisch mit der Saalnutzung auch eine Aufnahme ins Eulenspiegel-Veranstaltungsprogramm verbunden und damit in diverse regionale Informationsverteiler. Was da zusammenkam war und ist nicht immer und für jeden leicht verdaulich. - Was wollen die eigentlich und welche Idee steht dahinter?

Wir begannen damit, einzelne, auf Grund der kurzen Programmtexte uns problematisch erscheinende Veranstaltungen genauer zu betrachten und mussten feststellen, dass wir meist zu wenig darüber wussten. Persönlich in alle Veranstaltungen zu gehen, die mir von vorne herein gegen den Strich gehen, wäre zu viel. Dafür sind wir auch zu wenige Aktive. Es müssten also schon im Vorhinein Informationen verlangt werden und genauer darüber gesprochen werden, um was und um wen es sich bei den Bewerbern handelt. Eine Voraussetzung unsererseits zu einem solchen Umgang ist vielleicht mit dem neuen, bisher monatlich tagenden Initiativkreis gegeben. Dort könnten die Bewerbungen wahrgenommen, besprochen und beurteilt werden.

Modell Wasserburg sieht sich unter anderem als Initiative im Sinne einer von freien, selbstverantwortlichen Individuen getragenen Kultur und Bildung im Sinne des Konzepts der "sozialen Dreigliederung". Die geistige Autonomie und Selbstbestimmung des Einzelnen - auch der Kinder -, insbesondere auch im spirituellen Streben, ist Grundvoraussetzung. Unsere Form ist das Gespräch zwischen gleichberechtigten Menschen.

Veranstaltungen, bei denen zweite und dritte Personen stellvertretend als Medium oder als Vermittler geistiger Botschaften oder Heilungsprozesse auftreten sind mit diesem Grundsatz nicht vereinbar. Bei den Ankündigungen von "gechannelten" Botschaften und mediumistischen Heilmethoden waren sich alle einig, dass sie zur charakterisierten Kategorie gehören. Über "systemisches Familienstellen", wo auch mit "Stellvertretern" gearbeitet wird, wurde länger diskutiert. Da gibt es inzwischen diverse von Bert Hellinger abweichende Spielarten, die vielleicht unterschiedlich zu bewerten sind.

Die Gespräche führten zur der einmütigen Auffassung, dass in unser Veranstaltungsprogramm zukünftig nur von uns selbst getragene und befürwortete Ereignisse aufgenommen werden sollten - lieber weniger, aber mit eigenem Profil. Der Verein muss an diesem Profil arbeiten und es nach außen tragen. Die bisher praktizierte Multikulti- Beliebigkeit ist dem abträglich. Deshalb sollten zukünftig verstärkt Anstrengungen im Hinblick auf die Ausweitung, Verbesserung und Bewerbung eigener Veranstaltungen unternommen werden. Unser Programm sollte auch Hinweise auf Veranstaltungen befreundeter oder zielverwandter Initiativen in der Region enthalten.

Anwesend waren auch Freunde vom Achberger "Verein zur Förderung eines erweiterten Kunstbegriffs und der sozialen Plastik", die mit ihrer Arbeit an die sozialkünstlerischen Ideen von Joseph Beuys anknüpfen. Über eine gegenseitige Interessensbekundung und Wahrnehmung hinaus ergaben sich konkrete Ansatzpunkte für eine weitere Zusammenarbeit in Form von Rundgesprächen, Vorträgen und zur Verfügung Stellung von Raum.

Von unserem sizilianischen Partnerprojekt Case Caro Carrubo erfuhren wir durch Renate Brutschin aus erster Hand wie sich, trotz schwerer Krise, immer wieder Lichtblicke eröffnen, zumindest für die nächste Zukunft. In diesem Frühling und Sommer sind dort nach wie vor Ferien- oder helfende Gäste willkommen und gut aufgehoben.

Alle Teilnehmer haben es bemerkt, dass, nach den durch die schwierige finanzielle Lage geprägten Problemdebatten der letzten Jahre, unsere Gespräche wieder in konstruktiver und arbeitsfreudiger Stimmung verliefen und damit auch wieder Lust zum Mitmachen aufkam. Es kann also Frühling werden.
Klaus Korpiun

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Kleiner Hinweis auf ‚Case Caro Carrubo, Sizilien

Liebe ‚jedermensch’-Leserinnen und -Leser,
einen kleinen Frühlingsgruss aus Sizilien! Da ich ab Mitte April allein in Case Caro Carrubo sein werde, freue ich mich ganz besonders auf Besuch und Gäste.
Case Caro Carrubo bietet eine Menge Möglichkeiten Sizilien abseits des Massentourismus und in unmitttelbarem Kontakt zu Land und Leuten kennen zu lernen. Das Gästehäuschen kann bis zu fünf Personen beherbergen. Das Gehöft umgibt ein großes Stück Land auf dem Kinder gefahrlos ihrer Bewegung freien Lauf geben können.
Auch helfende Hände kann Case Caro Carrubo immer wieder gebrauchen (gegen Kost und Logis).
Cari saluti dalla Sicilia
Renate Brutschin
CaseCaroCarrubo c/o Taranto, Via dei Planatani 12, I – 97013 Comiso (RG) Tel: 0039-3393154580, www. Carocarrubo.org
" Im Herzen eines jeden Menschen gibt es Wahrheit,
und man muss sie dort suchen,
und sich von ihr leiten lassen,
wenn man die Wahrheit sieht.
Aber niemand hat das Recht,
andere zu zwingen,
nach seiner Sicht der Wahrheit zu handeln."
Gandhi

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Große Gefühle und gelebte Ideale

Der große Gefühlseinschlag kann ein Strohfeuer sein, das Monate oder auch einige Jahre hält. Er kann auch Signal für eine tiefe und langandauernde Lebensbeziehung sein. Um das zu bemerken, muss man ihn lange in sich tragen und auch die Beziehung zu dem Menschen, durch den dieser Gefühlseinschlag entstanden ist, in irgendeiner Weise leben können.

Heute würde ich sagen, dass man auf keinen Fall seine gesamte Lebenssituation abrupt unter dem Eindruck eines solchen tiefen Gefühlseinschlages ändern sollte. Gerade das, was sehr tief ist in unserem Leben, es geht ja dabei nicht nur um die erotische Beziehung, spricht sich in einer Tiefe von selbst aus. Und zwar dadurch, dass es sich, ob man nun will oder nicht, lange Jahre hindurch oder gar lebenslänglich erhält.

Wie kann man prüfen, ob eine tiefe Beziehung, die man hat oder die man gehabt hat, wirklich zu dem Wertvollsten des eigenen Lebens gehört? Ich meine, dass der Kopf, der Gedanke darüber wenig zu sagen hat. Der Gedanke ist in solcher Situation nur dann sehr wichtig, wenn es einem gelingt, mit seiner Wahrnehmung in die Tiefen des eigenen Gefühls mehr und mehr hereinzukommen. Was man dort erlebt, des sollte dann der Gedanke erfassen. Er ist dann der getreue Abbildner des wirklichen Geschehens und nicht jener intellektuelle Tyrann, der über uns herrscht, indem er aus pseudoethischen Vorstellungen heraus bestimmte Vorgänge überbewertet, die in unserer Wirklichkeit gar nicht so stark sind, und indem er andere Dinge unterbewertet, die in unserer Wirklichkeit viel stärker sind. In allen ethischen Kreisen, einschließlich der anthroposophischen, wird in der Regel das Leben unterdrückt zugunsten ganz bestimmter Wertvorstelllungen.

Auf diese Weise wird das so gelebte Leben eigentümlich fade und auch dogmatisch. Unser ganzes Leben, unser Leben in der Gesamtheit, soll ja das Ideal wollen, soll es als sein Bedürfnis haben. Das ist ein langer Weg. Wenn er einigermaßen gelingt, dann kommen, dort wo Ideale im Leben stehen, wirklich erfüllte, sonnige, lebensstrotzende Ideale heraus. Rudolf Steiner sagt mal, der wirkliche Idealist, der seine Ideale nicht nur denkt, sondern aus tiefstem Herzen fühlt, der schwelgt in Idealen wie andere Leute in anderen Sachen schwelgen. Das eisern und asketisch gelebte Ideal unter Zurückdrängung unseres Lebens, so wie es oft in anthroposophischen und anderen ethischen Kreisen gelebt wird, hat der Anthroposophie ungeheuren Schaden zugefügt. Wer noch nicht so weit ist, dass er ein gedachtes Ideal aus vollem Herzen und mit ganzer Lebenskraft wirklich ins Leben stellen kann, der sollte bescheiden werden, und sollte zunächst mal Lebensvorgänge wirklich leben, die ein paar Stufen tiefer liegen. Werden sie wirklich gelebt, dann erzeugen sie von sich aus den geistigen Drang zur höheren Stufe.

Aus einem Brief von Peter Schilinski vom Juli 1982

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Wie das Altern anfängt

In Deutschland gilt als Beginn des Alters das 60. Jahr. In Wahrheit ist der Beginn individuell sehr verschieden. Bei mir setzte das Alter erst mit dem 72. Jahr ein, und zwar mit der bekannten Vergesslichkeit. Was man zuletzt getan hat, wird sogleich vergessen. Dagegen rücken weit frühere Geschehnisse näher, insbesondere aus der Jugendzeit, an die man sich mit allen Einzelheiten erinnert.

Das zweite Merkmal des Alterns ist weniger auffällig, für einen Schriftsteller wie mich aber um so peinlicher. Erst ließ ich Buchstaben, dann Silben, schließlich ganze Wörter weg. Neuerdings kam noch hinzu, dass ich der Rechtschreibung nicht mehr ganz sicher bin, also nicht mehr weiß, wie ich dieses oder jenes Wort schreiben soll. Die Leser meiner Briefe und Manuskripte werden sich wundern.

Drittens macht man Bekanntschaft mit dem Tod. Er ist nun fast stets gegenwärtig. Man könnte sagen, Altern sei ein Lebensprozess, der unweigerlich zum Tode führt. Das wäre jedoch eine intellektuelle Spielerei mit Worten. Denn zweifellos stehen sich Leben und Tod gegenüber. Die Schwäche des Todes besteht darin, dass er es immer eilig hat, während das Leben sehr geduldig ist, auch wenn es innerhalb des Alternden nicht mehr rauscht. Dass er Leben in sich fließen spürt, macht in gewisser Hinsicht die Überlegenheit des Alternden aus.

Ferner bereitet uns das Altern auf den Übergang in eine andere Daseinsform jenseits der jetzigen Lebenslinie vor. Das ist der subtilste Vorgang innerhalb des letzten Lebensabschnitts. Der Alternde stellt sich ihm meist erst kurz vor seinem Tode.

Ich habe noch nie etwas so Erzdummes und Fragwürdiges wie den Satz gelesen, Liebe werde wohl erst in 1000 Jahren möglich sein. Sein Autor kann einem leid tun. Wenn das Universum trotz aller Zwistigkeiten zwischen den Individuen und Völkern noch nicht auseinandergefallen ist, so weil Liebe als universelle Kraft es trotzdem zusammenhält. Sie ist nach meinem Dafürhalten auch die Essenz der Schöpfung. Ihre Macht ist so groß, dass sie beim Menschen alle Lebensalter durchstrahlt. Ja, auch die Alten bedürfen ihrer, aber in gewandelter Form. An die Stelle der sexuellen Beziehung tritt bei vielen die Seelengefährtenschaft. Sie ist der Freundschaft ähnlich, geht aber über sie hinaus, denn sie ist eine neue Form der Liebe, die dem Alter am gemäßesten. Die Geschlechtspolarität bleibt erhalten, wird jedoch neutralisiert.

Wir sind auf die Erde gesetzt, um Lieben zu lernen. Der liebende Mensch steht dem Tod nicht ohnmächtig gegenüber. Er kann ihn sogar in die Schranken weisen.

Ist der Mensch ein Liebender und fest mit einem anderen verbunden, kann er dem Tod als gleichrangige Macht gegenübertreten. Die Liebende kann den Tod sogar bezwingen. Dafür gibt es zwar nur wenige, aber doch einige Beispiele.

Fast alle früheren Völker und Stämme hatten einen Ältestenrat, einen Rat der Weisen. Heute werden die Alten in eine Ecke gedrängt. An ihre Stelle sind die Experten getreten. Aber jeder davon vertritt eine andere Ansicht und von Weisheit ist keine Spur. Wird sich das wieder ändern?

Günter Bartsch

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Alarmsignal Altersselbstmord

Von den 11 000 Menschen, die sich jährlich in Deutschland das Leben nehmen, sind 40 Prozent 60 Jahre und älter. Fast alle zwei Stunden stirbt ein Mensch über 60 Jahre durch eigene Hand. Ein Tatbestand an dem die Gesellschaft weitgehend achtlos vorübergeht!

Immerhin sind in letzter Zeit Zeitungsberichte erschienen, die diese bedenkliche Situation ins Gesichtsfeld rücken. Als Kernproblem zeigt sich Einsamkeit und Isolation der alten Menschen. Im vierten Stock eines Mietshauses sind Menschen ohne Frischluft, ohne Sonne gefangen. Der Partner ist gestorben, Freunde, Geschwister, Kinder - alle weg. Man empfindet die Last des Übrig-geblieben-Seins und kommt sich nutzlos vor.

Viele Männer, die sich ein Leben lang über Beruf und Karriere definiert haben, fehlt nun jeglicher Lebenssinn. Die erschreckende Seite unserer Leistungs- und Erfolgsgesellschaft gibt sich da kund.

Der Zusammenbruch des sozialen Netzes, das Großfamilie und Dorfgemeinschaft einst gewähleistet haben, ruft nach einem Sich-Kümmern um den Einsamen und Belasteten aus freier Initiative. Das Frankfurter Modellprojekt "da sein" betreut 54 Ehrenamtliche, die in Altenheimen das oft überforderte Personal entlasten. Sie begleiten alte Menschen bis zum Tod. Dieses Versprechen gilt verbindlich und ist wörtlich zu nehmen.

In Zeiten zunehmender Arbeitslosigkeit zeigt sich hier ein weites Feld sinnvoller Tätigkeit. Wird dies erst einmal wahrgenommen, ist der bedenklichen Debatte das Wasser abgegraben, ob der Arzt dem Leid alter, kranker Menschen ein Ende setzen darf. Eine bejahende Antwort ist gewiß die billigste und feigste Lösung des Problems.

Tiefer gesehen zeigt sich am Problemfeld Alter die Unfähigkeit einer materialistischen Weltsicht, das Leben zu meistern. "Wenn sich ein Mensch umbringen will, liegt das vor allem an fehlenden Ressourcen, seelische Krisen zu bewältigen", sagt der Nervenarzt und Psychotherapeut Reinhard Lindner vom Therapiezentrum für Suizidgefährdete am Universitätsklinikum Hamburg.

Was hier allgemein formuliert ist, muss dahingehend konkretisiert werden: Das Bewusstsein des Umgeben- und Getragenseins von geistigen Wesenheiten gibt Mut, schwierige Lebenssituationen zu bestehen. Das Wissen um die daraus resultierende Lebenseinstellung, dass wir hier sind, um den höheren Menschen in uns zur Geburt zu bringen, was mit Mühe und Grenzerfahrungen verbunden ist, gewährleistet den Lebenssinn, der durchträgt. So gesehen ist Alter dann nicht bedauerliche Endphase, sondern Näherrücken des eigentlichen Lebensziels. Allein aus dieser Sichtweise ergibt sich den Alten, ihrer Umgebung und ihren Helfern die tiefere Motivation, menschenwürdig mit dieser Lebensphase umzugehen.

Ansgar Liebhart

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