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Jedermensch
Zeitschrift
für soziale Dreigliederung, neue Lebensformen und Umweltfragen Sommer 2003 - Nr. 627 |
Inhalt
Soziale Alternativen
entwickeln
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Soziale Alternativen
entwickeln
Im März fasste sich Bundeskanzler Gerhard Schröder Mut und
verkündete in einer Regierungserklärung mit welchen Reformen er den
Sozialstaat umzubauen gedachte. Auf dem Plan stehen Arbeitspolitik, Gesundheitspolitik und
die Rentenpolitik neben einigen anderen Aspekten, wie die Gemeindefinanzen und die
Bildungsreform. Die Regierung arbeitet mit dem Begriff Agenda 2010, der
Zukunftscharakter haben soll und die Grünen werben inzwischen für die Agenda 2010 mit
Floskeln wie Chancen gerecht verteilen und verstehen ihre Zustimmung dazu als
einen Schritt, dem weitere folgen sollen. Doch die
Agenda 2010 führte sofort auch zu Aufruhr: Linke SPD-Genossinnen und Teile
der Gewerkschaften erkannten mit bloßem Auge, dass der Kanzler hier Augenwischerei
betreibt und diese Agenda in der Essenz nur Sozialabbau bedeutet. Immerhin drohten die
Genossen mit einem Mitgliederbegehren, die Gewerkschaften riefen zu Demonstrationen auf. Und sie haben natürlich recht. Zuerst dachte ich, man muß den
Kanzler besser lesen, um die Bedeutung der Agenda für die Zukunft zu verstehen, aber es
ist und bleibt Sozialabbau mit angehängten kleineren Reförmchen in der Handwerksordnung
und im Bildungswesen. Bei mir wie bei vielen anderen bleibt der Eindruck,
dass die Regierung hier einen Schritt in Richtung Neoliberalisierung betreibt. Sozialabbau
bei Arbeitslosen, Kranken und Rentnern! Und eine Steuerpolitik, die weiterhin eine Entlastung der Reichen und
Unternehmen bevorzugt. Für die erste und zweite Stufe der Steuerreform wurden
Mindereinnahmen von 21 Milliarden Euro errechnet. Würden heute die gleichen
Steuerverhältnisse wie früher gelten, hätte der Staat rund 40 Milliarden mehr
Einnahmen. Diese Steuerreformen sollen den Wirtschaftstandort Deutschland und den privaten
Konsum fördern. Doch wie man sehen kann, funktioniert das auf diesem Wege nicht, denn
die Wirtschaftszahlen und hier die Arbeitslosenzahlen sprechend deutlich davon, daß die
Politik hier falsche Überlegungen anstellt. Aber die Regierung zieht daraus nur den
Schluss weitermachen und noch mehr Steuergeschenke für die Reichen und noch mehr
Sozialabbau. Festzustellen ist jedoch, dass die Regierung nicht nur aus
Eigeninteressen handelt, sondern dass tatsächlich Probleme auftauchen, die gelöst werden
müssen. Die Steuergerechtigkeit ist aus den Fugen, die gesellschaftliche Solidarität
weicht dem Eigennutz, die demografische Entwicklung erfordert Neujustierungen des
Rentensystems und die Entwicklungen in der Arbeitswelt erfordern Antworten, eine
Erneuerung des Gesellschaftsvertrages steht aus. Die außerparlamentarische Opposition und
die Kräfte der Zivilgesellschaft, die sich auf Solidarität, Partizipation,
Friedfertigkeit , Gerechtigkeit, Freiheit und Ökologie berufen, müssen ihren Teil zur
Lösung der Probleme beitragen. Was ist zu tun: Festzustellen ist, dass die außerparlamentarische
Opposition die gleichen Probleme hat wie der Kanzler. Es fehlen Analysen, Rückblicke,
eine offene Diskussion über die Entwicklungen und neue Impulse. Es fehlt eine
Zukunftsvision. Die Regierung und auch die parlamentarische Opposition CDU/CSU und FDP
(die alles nur noch schlimmer machen will) wollen dies nicht. Die außerparlamentarische
Opposition muss dies tun. Die letzten drei Monate zeugen hier von Hoffnung. Neben den
innerparteilichen Widerständen und dem von Teilen der Gewerkschaften, ist der Widerstand
dabei sich zu formieren, und ich hoffe hier stark auf attac, das Bündnis
gegen die neoliberale globalisierte Zukunftsgestaltung, denn hier bündeln sich derzeit
die gesellschaftlichen Kräfte der Bürgerbewegungen. Dort wurde eine Arbeitsgruppe
Sozialagenda eingerichtet und versucht die Kräfte in einem aktivierenden Prozess zu
stärken. Doch auch dort ist zu lesen, dass eine Zukunftsvision
fehlt und ob die Summe aller Einzelvorschläge diese ersetzt bleibt offen. Ich sehe ja auch die Vielzahl der Vorschläge für eine
Zukunftsvision, gerade die, die aus der Sozialen Dreigliederung kommen: Freiheit im
Geistesleben heißt klar setzen auf den Menschen, auf seine Kreativität und Motivation.
Freie Schulen, freies Lernen muss von der Gesellschaft anerkannt und gefördert
werden. Die Wirtschaft braucht Rahmenbedingungen aus ökologischer und sozialer
Sicht und muss sich auf die Bedürfnisbefriedigung beschränken, während der Staat die
rechtlichen Regelungen gewährleisten muss. Doch bereits kleinste Forderungen oder Impulse
führen zu vielen Gegenvorschlägen, setzen Ängste bei den Diskutierenden frei und
erfordern jedes Mal sofort ein Gesamtbild. Damit sind natürlich die Beteiligten Aber das Bohren dicker Bretter dauert seine Zeit und daher unterliegt
der gesamte Prozess einer gesellschaftlichen Erneuerung auch einem dynamischen Prozess,
der Wiederholungen, Pausen und auch Vergessen beinhaltet. Erschwert wird das Ganze
natürlich dadurch, dass Interessengemeinschaften diesen Prozess verhindern wollen. Doch die Veränderung fängt nach wie vor in jedem Einzelnen an. Wie
bewusst stehe ich in der Welt? Mit welchen Werten und Impulsen gehe ich durch meine Welt?
Wie verhalte ich mich in kleinen sozialen Zusammenhängen und gegenüber der Gesellschaft?
Mit welcher Motivation und Zielen beteilige ich mich an der gesellschaftlichen Erneuerung?
Wie stehe ich im Dreieck Arbeitsfeld, Konsum und freiem Geistesleben? Ansätze und Arbeitsfelder gibt es wahrhaft genug. Für mich
bedeutet dies das Täglich-Erinnertwerden an die Werte, die ich bei Peter Schilinski fand.
Allein das Erinnertwerden kann schon ein schmerzlicher Prozess sein, wenn die Erkenntnis
kommt, dass die Umsetzung noch viel mehr Energie erfordert. Das muss nicht in neuen
Gemeinschaftsformen geschehen, sondern an Ort und Stelle, wo ich lebe. Wie informiere ich
mich und gehe z.B. mit der Flut von Katastrophenmeldungen in den Medien um. Bilde ich mein
Bewusstsein oder lasse ich mich von den Medien einschläfern? Lähmt mich die Komplexität
der gesellschaftlichen Fragen oder suche ich meinen beizutragenden Teil? Wie gehe ich
damit um, dass mein Weg durch die Abgründe und Tiefen der menschlichen Seele geht und die
Höhe der Erkenntnis und Wahrheit oft nicht mal sichtbar ist, geschweige denn ich mich auf
dem Wege dorthin befinde? Oder bilde ich Illusionen statt Erkenntnisse? Den ersten Schritt zur gesellschaftlichen Erneuerung kann jeder tun. Dieter Koschek weitere Informationen zur Agenda 2010, dem Widerstand und der
gesellschaftlichen Erneuerungsbewegung Lesefund:
»Wer regiert die Welt?« Vor nicht langer Zeit veranstaltete die »Christengemeinschaft« im
Elsass eine Jugendtagung unter diesem äußerst wichtigen und bemerkenswerten Thema. Wie
man von TeilnehmerInnen später erfahren konnte, waren die Ergebnisse eher schleierhaft.
Dies wäre wohl nicht geschehen, hätte man Jean Ziegler als kompetenten und erfahrenen
Referenten eingeladen. Wer sich Zieglers neueres Werk »Die neuen Herrscher der Welt
und ihre globalen Widersacher« zu Gemüte führt, sollte gut sitzen und einen Kamm für
seine gesträubten Haare bereithalten. Als ehemaliger Schweizer Nationalrat (bis 1999) und
derzeitiger Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission für das Recht auf
Nahrung weiß er, wovon er spricht. Erfrischend ist Jean Zieglers Stil, die Dinge
unverblümt beim Namen zu nennen, was ihm sicher nicht wenige verübeln. Für den Leser
ist jedoch die klare Darstellung von globalen Wirtschaftsbeziehungen und die Aufdeckung
ihrer demagogischen Heucheleien so wohltuend wie die Wurzelbehandlung eitriger Zähne. Bei
aller unumgänglichen Informationsmenge schafft es Jean Ziegler, durch seinen menschlichen
und mitfühlenden Stil die Lektüre genießbar zu halten, nicht zuletzt auch deswegen,
weil Exkurse in die gegenwärtige Politik bis zu den Machenschaften der rechtstexanischen
Clique um G.W. Bush und Cheney aktuell unter die Haut gehen. Langjährige Einblicke in
politische und wirtschaftliche Verhältnisse ermöglichen es dem Autor, Schlaglichter auf
das trübe Gewebe finanzieller Schleichwege und fragwürdiger internationaler Connections
zu werfen. Auch philosophische und geschichtliche Elemente kommen nicht zu kurz. Wer sich
mit Themen wie »Privatisierung« oder »Globalisierung« etwas tiefergehender
auseinandersetzen will, wer wissen will, was Arundhati Roy mit dem »Imperium« meint,
findet in Zieglers Arbeit einen guten und angenehmen Reiseführer. Deutsche Übersetzung 2003 im Bertelsmann Verlag, französisches
Original in Paris 2002. Von J. Ziegler erschienen bereits u.a. »Die Schweiz wäscht
weißer«, »Die Barbaren kommen. Kapitalismus und organisiertes Verbrechen«, »Wie kommt
der Hunger in die Welt?« »Wie gelingt es den neuen Herrschern der Welt, sich an der Macht zu
halten, wo doch die Unmoral, die sie leitet, und der Zynismus, der sie erfüllt, für
niemanden zweifelhaft sind? Worauf beruht das Geheimnis ihrer Verführungskraft und ihrer
Macht? Wie kann es sein, daß auf einem mit Reichtümern gesegneten Planeten Jahr für
Jahr hunderte Millionen von Menschen Opfer von äußerster Armut, gewaltsamem Tod und
Verzweiflung werden?« »Wie oft ist mir die Frage nach dem überstürzten Abbruch der
Feindseligkeiten am Morgen des 28. Februar 1991 gestellt worden. General Schwarzkopf
hätte doch höchstens zweier zusätzlicher Tage bedurft, um in Bagdad einzumarschieren.
Aus der saudischen Wüste waren die Vorhuten ohne auf Widerstand zu stoßen
bis auf hundertfünfzig Kilometer an die Hauptstadt herangerückt. Selbst die
unzureichend gerüstete französische Brigade Daguet rollte nach vorn, was die
Motoren ihrer Panhard-Straßenpanzer hergaben. Die Iraker leisteten keinen Widerstand mehr
und flüchteten in hellen Scharen nach Norden. Der militärische Sieg der USA konnte nicht
kompletter sein. Der Untergang Saddam Husseins schien besiegelt. Dennoch wurde das
Unternehmen Wüstensturm zum großen Ärger des amerikanischen
Oberbefehlshabers Norman Schwarzkopf voreilig abgeblasen. Die Erklärungen sind vielfältig und oft widersprüchlich. Der
damalige Stabschef der US-Streitkräfte, General Colin Powell, der heutige Außenminister,
wollte bei einer Besetzung Mesopotamiens offenbar nicht in einen protracted warfare,
in einen Quagmire, so hieß es in Vietnam, verwickelt werden. Häuserkämpfe
in Bagdad hätten sehr blutig werden können, nachdem bisher nur 126 Soldaten gefallen
waren, darunter 79 Amerikaner
Die offiziellen Sprecher des Weißen Hauses haben behauptet, der Krieg
und vor allem die Landangriffe gegen die flüchtenden Iraker seien eingestellt worden, um
kein namenloses Gemetzel beim Gegner anzurichten
Die Schätzungen über die im Krieg
getöteten Iraker schwanken erheblich, variieren zwischen 85000 und 150000 Opfern. Aber
sie beziehen sich fast ausschließlich auf das gewöhnliche Fußvolk, auf die Masse der
schlecht ausgerüsteten Divisionen, die im südlichsten Abschnitt von Kuweit und Umgebung
massiert waren und denen in den meisten Fällen kein Pardon gegeben wurde. Die
Eliteeinheiten des Regimes, die Republikanische Garde, etwa 80000 Mann mit
ihren modernen T-72-Panzern, waren auf Anordnung Saddam Husseins in rückwärtigen
Stellungen disloziert worden und wurden von der US-Air Force aus mysteriösen Gründen
weitgehend verschont. Eine andere offizielle Erklärung besagt, George Bush senior habe vom
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen lediglich den Auftrag zur Befreiung Kuweits und
nicht zum Vormarsch auf irakisches Territorium erhalten. Doch wer wäre schon dem
US-Commando in den Arm gefallen, als es um die Eliminierung des Kriegsverbrechers
Saddam ging, und seit wann scherte Washington sich so skrupulös um UN-Resolutionen. Im
Gegenteil, es kam eine weltweite Enttäuschung auf, daß der Diktator von Bagdad sich an
der Macht behaupten würde
Die wirklichen Überlegungen, die dem plötzlichen Stillhalten der
US-Streitkräfte zugrunde lagen, waren anderer Natur. Weder die USA noch deren saudische
Verbündete besaßen irgendein Interesse an der staatlichen Auflösung der irakischen
Republik. Eine entscheidende Schwächung der tyrannischen Zentralgewalt in Bagdad hätte
diversen separatistischen Tendenzen freien Lauf gelassen. Die Bevölkerung des
Zweistromlandes setzt sich bekanntlich zu sechzig Prozent aus Schiiten zusammen, die vor
allem südlich der Hauptstadt und im Umkreis von Basra eine erdrückende Mehrheit bilden.
Die Gründung eines schiitischen Gottesstaates im Südirak nach dem Vorbild der
Khomeini-Revolution wäre in Teheran zwar mit Begeisterung aufgenommen worden, hätte
jedoch beim saudischen Königshaus die Befürchtung genährt, nun werde diese religiöse
Hochstimmung auch auf jene Schiiten übergreifen, die in der saudischen Provinz El Ahsa
stark vertreten sind. Im Norden wäre die Auflösung des Bagdader Staatsapparates von den
Kurden genutzt worden, um im Raum von Mossul, Kirkuk, Suleimaniyeh eine souveräne
Republik zu proklamieren, was wiederum die türkische Regierung in Ankara und die dortige
Armeeführung, die in Ost-Anatolien einen sporadischen Partisanenkrieg gegen die Rebellen
der PKK führen, zur militärischen Intervention, ja vielleicht zur dauerhaften Okkupation
der irakischen Nordprovinzen bewogen hätte. Kurzum, die Erhaltung des territorialen
Status quo erschien den geopolitischen Planern in Washington als das geringere Übel
« Aus: Peter Scholl-Latour, Kampf dem Terror, Kampf dem Islam? Auch in der deutschen Ausgabe hat das Buch Stupid White Men
von Michael Moore viele Auflagen erreicht (München 2002). Teilweise überzeichnet es in
sehr zynischer Weise, so als ob der weiße Mann das eigentliche Übel sei. Doch in Bezug
auf den Weg zur Macht von George W. Bush bringt es erschreckende Fakten. Miese Tricks wurden längst vor dem Wahltag vorbereitet. In Florida
waren nicht nur alle vorbestraften Schwarzen aus den Wahllisten entfernt wofür es
ein Gesetz gibt. Vielmehr sind gleich auch alle diejenigen noch gestrichen gewesen, deren
Name ähnlich klang oder die zwar ein geringfügiges Vergehen hinter sich hatten, jedoch
ohne Vorstrafe. Auf diese Weise war tausenden von Bürgern die Wahlmöglichkeit
genommen und zwar solchen, die weniger zu Mister Bush neigten. Auch eine falsche
Liste zum Streichen wurde noch benutzt, wo Menschen aus anderen Bundesstaaten darauf
standen, die ihre Vorstrafe abgesessen hatten und somit wieder wahlberechtigt gewesen
sind. Dann wurden von republikanischen Wahlhelfern erneut viele Schiffe der
Marine der Vereinigten Staaten benachrichtigt, um jeden verfügbaren Wahlzettel
auszugraben, auch auf sonstigen Militärstützpunkten. Viele gingen erst verspätet ein
und hatten Mängel, wurden aber entgegen der Vorschrift trotzdem zugelassen. Sie kamen
weit eher von wahrscheinlichen Wählern des George W. Bush. Dann gab es noch die Nachzählung in Florida. Und da sah es trotzdem
so aus, dass Al Gore sein Zurückbleiben gutmachen könnte. Beinahe in letzter Minute
stoppte das Oberste Gericht den Nachzählungsprozess. Insofern gibt es also mehrere ziemlich eindeutige Hinweise darauf, das
der wirkliche Wahlsieger anders geheißen hat. Doch George W. Bush besaß im Machtapparat
manipulierende Drahtzieher, die das Gesetz beugten. Beim Wahlzettel selber hatte es zudem
Probleme gegeben, was Al Gore auch vermutlich Stimmen kostete. In einem weiteren Abschnitt seines Buches durchleuchtet Michael Moore
sodann, was das für Leute sind, welche die Regierungsmannschaft von George W. Bush
ausmachen. Vor allem haben viele mit der Ölindustrie zu tun. Auch in Pharmakonzernen oder
bei sonstigen Großindustrien waren verschiedene enge Mitarbeiter tätig beziehungsweise
bei Biotechnologie-Unterneh-men. Bis dahin reichen die Verwicklungen, dass dem
Gesundheitsminister früher Auslandsreisen von der Tabakbranche bezahlt wurden. Bezüge zu
Automobilbetrieben dürfen genauso wenig fehlen wie Elektrizitätsversorger. Dass solch eine Regierung nicht ein bisschen gesteuert ist, versteht
sich von selber. Vor allem kommt noch ein riesiger Einfluss der Militärindustrie dazu.
Das Geschäft bestimmt somit einen Großteil der Politik mit. A.K. Wirkungen der UNO-Sanktionen im Irak
Hans Graf von Sponeck, Sohn des von Hitler wegen Befehlsverweigerung
hingerichteten Graf v. Sponeck, der deutsche Soldaten auf der Krim befehligte und in
aussichtsloser Lage zurückzog, war von 1998 bis zu seinem Rücktritt 2000 Leiter des
UN-Hilfsprogrammes »Oil for Food«. Er quittierte sein Amt, weil er wie sein Vorgänger
den Völkerrechtsbruch durch die von den USA gesteuerten UNO-Sanktionen nicht mehr
mittragen konnte. Bei einem Vortrag am 14.3.03 in Müllheim/Baden sprach er von einer
»neuen Weltmacht«, in die er seine Hoffnung setze und die in vielen Teilen der Erde
deutlich an Präsenz und Geltung zugenommen habe, und die er das »Weltgewissen« nannte.
Jeder könne sich nach seinen Möglichkeiten an dieser Weltmacht beteiligen, die keine
politischen oder religiösen Grenzen kenne. Der Korrespondent der Berliner
»taz«, Andreas Zumach, führte mit von Sponeck Mitte Januar in Genf ein Gespräch,
das als Taschenbuch erschien (s.u.). Nachfolgend einige Auszüge: Aus dem Vorwort von A. Zumach: Saddam Husseins Charakter und seine Greueltaten waren nie ein
Geheimnis. Seit seinem Aufstieg zur Macht in Bagdad konnte und musste jeder, der ihn
politisch unterstützte, mit ihm Geschäfte machte oder ihm Waffen verkaufte, genau
wissen, mit wem er zu tun hatte. Und besonders enge Kontakte und Beziehungen hatte Saddam
Hussein seit Mitte der 60er Jahre zu Geheimdienstlern, Diplomaten und Militärs aus den
USA. Als sich Saddam Hussein 1979 mit kräftiger Unterstützung der
CIA an die Spitze des Regimes geputscht hatte, kabelte der Stationschef des Geheimdienstes
in der Bagdader US-Botschaft diese Erfolgsmeldung an die CIA-Centrale in Langley,
Virginia: »Ich weiß, Saddam Hussein ist ein Hundesohn, aber er ist unser Hundesohn.«
Robert Gates, Direktor des Geheimdienstes CIA ab 1991, erklärte nach seiner
Pensionierung in einem Fernsehinterview, Washington habe »nie irgendwelche Illusionen
über Saddam Hussein gehabt«. Der Mann sei »kein Demokrat, kein Agrarreformer, sondern
ein ganz gemeiner Verbrecher«. Gates muss es gewusst haben. Als CIA-Agent und Protegé
seines Vorgängers auf dem Direktorenstuhl, William Casey, sorgte Gates in den frühen
80er Jahren dafür, dass Saddam Hussein die Technologie zur Herstellung der gefürchteten
Streubomben erhielt. Im ersten Golfkrieg (19801988) setzten Saddams Generäle diese
Streubomben dann gegen die zahlenmäßig überlegenen iranischen Truppen ein mit
verheerender Wirkung.
Aus dem
Interview: Außer 550.000
Kleinkindern sind seit Anfang 1991 im Irak nach Angabe von Unicef und anderen humanitären
Organisationen der UNO über eine Million Menschen im Alter von mehr als 5 Jahren an den
Folgen mangelnder Ernährung und unzureichender medizinischer Versorgung gestorben. Das
sind in 12 Jahren insgesamt über 1,5 Millionen Tote oder mehr als 7% der
irakischen Bevölkerung.
Ihr Vorgänger, der Ire Denis Halliday, ist 1998 von
seinem Amt zurückgetreten und hat die Sanktionen der UNO seitdem als Verstoß gegen das
Völkerrecht und sogar als eine Akt des Völkermordes kritisiert. Teilen Sie diese harte
Kritik?
Nach den Statistiken, die Unicef jährlich über die
Lebenssituation von Kindern in 188 Ländern dieser Erde veröffentlicht, sind 1990 im Irak
56 von tausend Kindern gestorben, bevor sie das Alter von fünf Jahren erreichten. 1999
starben bereits 131 von tausend Kindern. Das ist eine Steigerung von mehr als 160%
innerhalb von nur neun Jahren. Hinsichtlich der Kindersterblichkeit lag der Irak damit
unter den 188 von Unicef untersuchten Ländern auf dem letzten Rang.
Die Zahl [psychisch erkrankter Kinder] war nach Untersuchung
der Weltgesundheitsorganisation [WHO] von 220.000 im Jahre 1990 auf über 500.000 im Jahre
1998 angestiegen.
Der Sicherheitsrat hat alle Berichte über die verheerenden
Folgen der UNO-Sanktionspolitik weitgehend ignoriert. Und es wurde immer wieder die
Gegenfrage gestellt: Ist für all das Elend nicht Saddam Hussein verantwortlich?
Washington und
London behaupten also, Schuld an der katastrophalen Lage der irakischen Bevölkerung sei
nicht das Sanktionsregime der UNO, sondern das Regime von Saddam Hussein. Die Regierung in
Bagdad kooperiere nicht mit der UNO, sie behindere die Verteilung der humanitären
Hilfsgüter, zweige einen Großteil der Güter ab und bereichere sich durch deren Verkauf. Diese
Behauptungen sind völliger Unsinn und durch nichts belegt. Meine Kollegen und ich in
Bagdad waren immer fassungslos angesichts solcher Vorwürfe. Im September 1999 etwa
veröffentlichte das amerikanische Außenministerium eine reine Propaganda-Studie unter
dem Titel »Saddam Husseins Irak«. Darin lautet die zentrale These: »Irakische
Behinderungen des Programms Öl für Nahrungsmittel und nicht die
UN-Sanktionen sind der wesentliche Grund für das Leiden des irakischen Volkes.« Berichte
der Caritas, von Care und anderen Nichtregierungsorganisationen darunter auch
amerikanische , die seit Jahren im Irak arbeiten, zeichnen ein ganz anderes Bild.
Aber diese Berichte werden nicht zur Kenntnis genommen. Auch die Regierung Blair in London
hat schnell verdrängt, dass im Januar 2000 das englische Unterhaus einen Irak-Bericht
herausgab, der von einer Gruppe Abgeordneter aller Parteien angefertigt wurde. In diesem
Bericht lautet der zentrale Satz zu den Wirtschaftssanktionen gegen den Irak: »Wir
hoffen, dass niemals mehr ein Land mit derartigen umfassenden Wirtschaftssanktionen belegt
wird wie der Irak.« Man hat manchmal den Eindruck, dass all das, was gesagt wurde, von
Friedensgruppen, von Abgeordneten, von manchen Parteien, ignoriert wird, sobald es nicht
der Linie entspricht, die man sich in den Regierungen in London und Washington ausgedacht
hat.
Problematisch
ist, dass von den von der irakischen Regierung im Ausland bestellten und von den
irakischen Ärzten und Krankenhäusern dringend benötigten Medikamenten weniger als 75%
tatsächlich auch in den Irak gelangen. Bei medizinischen Geräten, ohne die die
Krankenhäuser oft lebensrettende Behandlungen und Operationen nicht durchführen können,
liegt die Quote sogar nur bei knapp 50%. Und bei Geräten und Ersatzteilen für die
Reparatur von Trinkwassersystemen und anderen lebenswichtigen Einrichtungen der zivilen
Infrastruktur gelangt sogar nur rund ein Viertel der bestellten Waren tatsächlich in den
Irak. Die Blockade der Lieferung humanitärer Güter, von denen Gesundheit und Überleben
der irakischen Bevölkerung abhängen, erfolgt im Sanktionsausschuss des
UNO-Sicherheitsrates in New York.
Für die Blockade einer Lieferung in den
Irak ist es ausreichend, dass nur ein Mitglied des Sanktionsausschusses Einspruch einlegt.
Und in 98% aller Blockaden, die seit Dezember 1996 vom Sanktionsausschuss verfügt wurden,
kam dieser Einspruch von den USA. Zumeist mit der Begründung, die von Bagdad bestellten
Güter darunter auch Nierensteinzertrümmerer für die Krankenhäuser seien
auch militärisch verwendbar. Die restlichen 2% der Einsprüche wurden von Großbritannien
eingelegt. Im Juli 2002 waren im Ausland bestellte Güter im Gesamtwert von über 5
Milliarden US-Dollar blockiert. Diese Blockaden wichtiger humanitärer Lieferungen
sind einer der wesentlichen Gründe für die katastrophale Lage der irakischen
Bevölkerung und nicht, wie von Washington und London immer wieder propagandistisch
behauptet, aber nie belegt, Abzweigungen, Bereicherungsversuche oder Behinderungen durch
die irakischen Behörden.
Auszüge aus: Hans v. Sponeck/Andreas Zumach Irak Chronik eines gewollten Krieges Kiepenheuer und Witsch, TB Reihe KiWi »Durch Kontrolle der Energie und auch des Erdöls hat man Nationen
und ihre Finanzsysteme im Griff.« (Henry Kissinger, Staatssekretär für
Foreign Relations unter Richard Nixon) Beim Tode Cromwells, so heißt es in der Dichtung, sei ein
furchterregender, düsterer Sturm aufgekommen, mit dem die Elemente zum Ausdruck gebracht
hätten, wie dessen Seele vom Teufel geholt würde. Der übliche Geschichtsunterricht
entbehrt gegenüber solchen Schilderungen an jeglicher Spannung und soll dies wohl auch,
damit das Interesse von an sich sehr interessanten Vorgängen abgelenkt wird. Wer sich
jedoch der Mühe unterzieht, sich durch die Betondecke des öden Lehrasphaltes
hindurchzubaggern, gräbt unter der Oberfläche Schätze und Zeugnisse hervor, die an
Dramatik und Spannung ihresgleichen kaum finden werden, handelt es sich doch jeweils um
nichts weniger als die menschliche Existenz in der Zeit schlechthin. Dichter, Philosophen
und Historiker wie Paul Valéry, Jacob Burckhardt, Gabriel Marcel oder Friedrich
Heer haben stets unternommen, Blut und Leben in die scheintote Geschichtslehre
einzuhauchen. An ihren erfolgreich behandelten »Patienten« entzündet sich der Verdacht,
dass hinter dem mechanischen und langweiligen Geschichtsbild, wie es meist Staatsschulen,
Universitäten und andere Dressuranstalten überbringen, Prinzip und Methode steht
von geheimnisvollen Drahtziehern, die gar nicht möchten, dass man da für irgendetwas
»Feuer zu fangen« beginnt. Der Puritaner Oliver Cromwell (1599-1658) steht als zwielichtige
Gestalt der protestantischen Erhebung dem Sohn der schottischen Königin Maria Stuarts,
Jakob I. gegenüber, der durch den Rosenkreuzer Robert Fludd in das esoterische
Christentum eingeweiht worden sein soll. Schon 11 Jahre vor Cromwells Geburt leitete die
siegreiche Seeschlacht gegen die spanische Armada die Vormachtstellung Englands auf den
Weltmeeren ein. Auslöser für den Angriff seitens der spanischen Flotte war wohl auch die
unrechtmäßige Hinrichtung Maria Stuarts durch die englische Königin Elisabeth 1587
gewesen. Der Untergang der kriegstechnisch unterlegenen »Armada« wurde durch einen
aufkommenden Sturm besiegelt. Wie schon bei Kain und Abel oder Jakob und Esau gewannen
wieder einmal jene intriganten Mächte, denen man nicht unbedingt seine Sympathie schenken
würde. Die schottische Stuart-Dynastie endet vorübergehend bei Jacobs Sohn Karl I., den
Cromwell wegen »Hochverrats« köpfen läßt (1649). Es ist, als würfen die Greuel der
Jakobiner ihre Schatten 150 Jahre voraus. Die sich zunächst als tolerant und freilassend
in Glaubensdingen gebenden »neuen Herren« kehren noch im gleichen Jahr andere Seiten
heraus in der brutalen Unterwerfung andersgläubiger katholischer Iren, Schotten und
Royalisten, was den Haß bis in die jüngste Vergangenheit schürte. Cromwell darf als
Erfinder des modernen Geheimdienstes à la Gestapo und Secret Service (später auch CIA)
gelten, unter seiner Ägide entsteht der »Commonwealth«, der als Testfall einer globalen
Weltherrschaft gelten kann. Heinz Pfeifer (»Brüder des Schattens«, Uebersax-Verlag Zürich
1987) bemerkt über ihn: »Cromwell war
mit den spirituellen Wahrheiten vertraut, z.B. dass jedem Volk eine bestimmte kulturelle
Aufgabe von den geistigen Welten zugewiesen ist. Er verfälschte, anstatt getreu dem Gebot
selbstlos zu sein, die ihm gewordenen Kenntnisse in ein politisches, heuchlerisches
Intrigenspiel. Er erhob sich zum Protektor Englands, Schottlands und Irlands und bereitete
die zukünftige anglo-amerikanische Weltmacht vor. Er teilte nach seinen Vorstellungen die
Erde in vier England hörige Gebiete ein
Auffallend an Cromwells Plan einer politischen Aufteilung der Erde war
die Ausklammerung Russlands. Ihm war eine besondere Rolle von den mit Zeitlabläufen von
Jahrhunderten rechnenden Gesellschaften zugewiesen. Sie hatten die anglo-amerikanische
Bevölkerung für eine zu bildende Herrenkaste der Erde ausersehen. Weil sie mit der
Evolution vertraut sind, wissen sie auch, dass eine neue Kulturepoche seit dem 15.
Jahrhundert anbrach. Andere Epochen gingen ihr mit gewaltigen Imperien in vergangenen
Zeiten voraus. Sie zogen im Verlauf der Menschheitsgeschichte von Osten nach dem Westen:
Der urindischen Kultur folgte die persische, abgelöst von der
chaldäisch-babylonisch-ägyptischen; ihr folgte mit der Errichtung des Alexander-Reiches
die hellenistische. Das Römische Imperium schloss sich an und nach ihm das Heilige
Römische Reich Deutscher Nation. Die Öffnung Amerikas und dessen Durchsetzung mit dem
englischen Volkselement lässt das Heraufziehen einer anglo-amerikanischen Kulturepoche
erkennen. Diese Zusammenhänge kennt und damit rechnet das geheime Logentum. Daher soll,
sich der besonderen wirtschaftlichen und politischen Befähigung des englischen Volkstums
bedienend, eine von den USA ausgehende und mit dem römischen Imperium vergleichbare
Suprematie, zugleich mit einer Weltwirtschaftshegemonie, errichtet werden. Es ist
beabsichtigt, die Erde den USA untertan zu machen. Wie aber Rom eine Grenze zu Germanien
errichtete, soll sich das anglo-amerikanische Weltreich gegenüber dem Slawentum
abgrenzen, es jedoch wirtschaftlich beherrschen.« Inzwischen dürfen ernsthafte Zweifel aufkommen, ob die amerikanische
Bevölkerung sich noch zu dem machen lassen möchte, was gewisse »führende« Gestalten
aus ihr machen woll(t)en, oder ob sie sich vielfach nicht schon eher dahin entwickelt, was
Carl Stegmann in seiner Studie »Das andere Amerika« beschrieb. Die Spaltung
zwischen diesen Bevölkerungselementen reicht weit vor die Gründung der USA zurück. Sie
haben ihre Vertreter in denjenigen, die offen, weitherzig, interessiert und brüderlich,
wie es nur Amerikaner sein können, auf andere Kulturen zugehen und sich und dem Prinzip
»leben und leben lassen« verpflichtet fühlen, denen, die »mit dem
Wolf« tanzen, und den Hardlinern, die schon bei der Rodung Amerikas zum Zwecke des
Eisenbahnbaus sich rücksichtslos den Weg frei schossen und indianische Siedlungsgebiete
»räumten«. Jene kriegsgewinnlerischen Exileuropäer, die schon von feinsinnigeren
Asiaten des 17. Jahrhunderts als die »südlichen Barbaren« bezeichnet wurden. Die
größten amerikanischen Friedensdemonstrationen unterstützt von
Kulturprominenz und Intelligenzia aller Sparten seit dem Vietnamkrieg sprachen eine
deutliche Sprache, die den »neuen Kontinent« auf eine Zerreißprobe stellt. Literaten,
Künstler, Kriegsveteranen stellen sich in vielfältigen Aktionen und Aufrufen gegen die
verlogene Regierungspolitik. Demgegenüber fällt es nicht allzu schwer, in dem neopuritanischen
und neocalvinistischen Geist, der sich als neue »Erweckungsbewegung« in gewissen Kreisen
des konservativen amerikanischen Bürgertums breitzumachen scheint, mit seinem
unnachgiebigen Missionsgebaren, eine geradlinige Verlängerung der Cromwellschen
»Welterlösung« zu sehen. Damals wie heute wird dabei die Meinung Andersdenkender
ausgespart, schließlich gar unterdrückt und verfolgt ein Prinzip, auf dem
niemals Weltfrieden, zu dem freiwillige Selbstbeschränkung gehört, gegründet werden
kann. Die Begründungen, die als offizieller Anlaß zur Invasion des Iraks
gelten sollten, zeichneten sich durch Konfusion, opportunistische Wechselhaftigkeit und
Unhaltbarkeit aus, was ihren Alibi-Charakter unterstreicht: 2.: »Präventive Zerstörung von Massenvernichtungswaffen«: Jürgen
Todenhöfer (ehem. MdB der CDU) gibt zu bedenken, dass die Waffeninspekteure der UN in den
90er Jahren mehr Irak-Waffen vernichtet haben als der gesamte Golfkrieg 1991 mit über
100.000 Luftangriffen und zwar ohne einen Tropfen Blut zu vergießen.
Hingegen sah die Weltöffentlichkeit und auch die USA »tatenlos zu«, als Saddam Hussein
gegen Ende des 1. Golfkrieges (1980-88) gegen den Iran in kriegsverbrecherischer
Weise Giftgas einsetzte, als das Kriegsglück sich zu Seiten der Iraner neigte. Offenbar
sollte der Irak gewinnen, gleich mit welchen Mitteln, um einen Riegel vor Khomeinis
expansiven islamischen Fundamentalismus zu setzen. Auf die gleiche Weise wurden
anschließend auch aufständische Kurden vergast ohne kriegs- oder
völkerrechtliche Konsequenzen! Das Waffenarsenal des Irak war zudem gut bekannt, denn es
stammte ja vor allem aus europäischen, russischen und amerikanischen Lieferungen. (Juni:
Inzwischen kam die Unsinnigkeit dieses Arguments heraus.) 3.: »Kampf gegen den terroristischen islamischen Fundamentalismus«:
Der Irak ist kein besonders einseitig islamisch-fundamentalistisches Land, wie der Iran
unter Khomeini aussah. Der irakische Außenminister Aziz war chaldäischer Katholik, die
säkular orientierte Baath-Partei, mit der Saddam Hussein an die Macht kam und der er
angehörte, wurde von einem syrischen Christen begründet. Das Zweistromland Mesopotamien
ist einer der geschichtsträchtigsten Böden der Menschheit, auf dem Sumerer, Chaldäer,
Babylonier, Assyrer, Zarathustra-Anhänger und verschiedene christliche Fraktionen ihre
Spuren hinterließen und noch heute vertreten und toleriert sind. Es gilt als Geburtsland
des Urvaters Abraham und der Streit zwischen Christen, Juden und Mohammedanern ist auf
diesem Boden nichts als ein Bruderkrieg. Der Gegensatz zwischen der sunnitischen
Minderheitenregierung und der schiitischen Bevölkerungsmehrheit trägt das seine zu
religiöser Zersplitterung bei. In Hinblick auf den erwähnten Krieg gegen den Iran wirkt
dies Argument mehr als absurd. 4.: »Befreiung der Bevölkerung von einem Terror-Regime«: Warum
sollte dies nun besser gelingen als im Februar 1991, zumal damals die Attacke zur
Befreiung Kuweits völkerrechtlich besser begründet war und ein Präventivschlag gegen
ein Terror-Regime keine weltjuristische Grundlage hat und schon in Ruanda hätte
angewendet werden müssen? Hingegen hat die USA auch bei der schiitischen Bevölkerung keinen
Kredit mehr, die damals zum Aufstand gegen den Diktator aufgerufen wurde, jedoch dann in
grausamster Weise im Stich gelassen und den nachträglichen Repressalien und Folterungen
von Saddams Republikanischer Garde ausgeliefert wurde. Dies kann nur als grausamster
Zynismus gelten. Andreas Pahl Eulenspiegel-Nachrichten
Seit Dieter auf der Mitgliederversammlung gesagt hat, dass er als
Pächter ab 2004 aufhören will, ist sehr viel in Bewegung geraten, aber einen gangbaren
Weg haben wir noch nicht gefunden. Ansonsten ist bei uns viel in Bewegung. Wir arbeiten ja jetzt mit
ziemlich viel Aushilfen, die dem Eulenspiegel und seiner Philosophie freundlich gegenüber
stehen. Das heißt aber auch immer wieder einen Wechsel, neue Gesichter, Einarbeitung usw.
Günther, Ursels Lebenspartner hat sein Interesse bekundet mitzuarbeiten. Das werden wir
ausprobieren. Wirtschaftslage
Dann gibt es die immer noch nicht gute Wirtschaftslage. Einem sehr
mageren Winter folgte ein gutes Osterge-schäft, eine Zwischenbelebung, jedoch war
Pfingstsonntag, einer der normalerweise umsatzreichsten Tage ein Totalausfall. Diese
unerwarteten Ereignisse, die sich nicht erklären lassen, bringen weiterhin Unsicherheit
mit sich. Eine Steuernachzahlung verschärft die finanzielle Situation unnötigerweise. Aufruf unser
Projekt zu unterstützen
Erfreulich sind die Reaktionen auf unseren Aufruf im letzten
jedermensch. Die Kampagne für neue Kredite brachte bislang folgende Resultate: Damit hat sich die Situation schon entspannt. Allerdings reicht es
noch nicht aus. Deshalb ergeht die auch weiterhin dringende Bitte an alle Abonnenten und
Freunde des Eulenspiegels nochmals in sich zu gehen und zu überlegen, ob sie das Projekt
mit einem längerfristigen Kredit unterstützen können: Es gibt zwei Wege unsere Arbeit zu unterstützen: 1. Spenden für die ideelle Arbeit des Vereins, kleine,
große, einmalige und regelmäßige, auf das Konto 100212652 bei der Bodenseebank
Wasserburg (BLZ 73369821), Spendenbescheinigungen werden ausgestellt). 2. 20 x 1000 - Kredite, kleinere und größere, mit
einer Laufzeit von bis zu 10 Jahren, zinslos oder zinsgünstig, um die wirtschaftlich
schwierigen Zeiten zu überstehen. Der Verein bürgt in jedem Fall für die Kredite. Bitte
sprechen Sie uns an. Nähere Informationen im letzten jedermensch oder direkt bei Dieter
Koschek in Wasserburg. Anruf genügt! Freundeskreistreffen
Am Samstag, 2. August und Sonntag, 3. August 2003 findet das
Freundeskreistreffen des Eulenspiegel statt. Beginn ist Samstag um 10 Uhr. Enden werden
wir am Sonntag gegen Mittag. Bitte teilt mit, ob ihr kommen könnt. Wir wollen natürlich
über die Zukunft unseres Projektes mit euch diskutieren. Ausstelllung
Nach der erfolgreichen Ausstellung von Jolanta Szalanska-Jensch, die
mit ihren farbenfrohen Fischmotiven die Gaststätte zum Leuchten brachte, sind zur Zeit
die Bilder der Lindauerin Mara Brod mit dem Titel Feine Kerle zu sehen. Ab
August wird Elke Martiny ausstellen und im Oktober und November der polnische Maler.Eduard
Uminski. Workshop
Soziale Projekte
Auf Günthers Vorschlag bei der letzten MV hin, haben wir dazu
eingeladen. Inzwischen haben sich zwei Projekte - Nepomuk in Reutlingen und
Ruffini in München - bereiterklärt mitzumachen. Der Workshop wird Ende
September/Anfang Oktober stattfinden. Ökotage im
September
Wie im vergangenen Jahr werden wir im September wieder an der
landesweiten Aktion zur Unterstützung der ökologischen Landwirtschaft teilnehmen. Es
werden stattfinden: Rundgespräch zum Thema mit Anton Kimpfler, eine Exkursion zur
Sennerei Sulzberg in Langen, eine Weinverkostung, eventuell wieder ein Herbstmenue sowie
eine Diskussionsveranstaltung zum Thema Stand der Bio-Wirtschaft im östlichen
Bodenseeraum. Genauere Daten gibt es dann auf unserer Internetseite. NACHRICHTEN
AUS CASE CARO CARRUBO Juni 2003 Die Verhältnisse erinnern am nächsten ans Paradies, wenigstens
für die Finnen
Die Aussicht von der Terrasse ist unglaublich schön. Das Konzert
der Vögel, der Duft der Blumen
Der Besuch bei den Hirten macht uns einen tiefen
Eindruck. Wir fühlen uns wohl in eurem Gasthaus und behalten viele gute Erinnerungen für
schlechte Tage. Hoffentlich können wir noch mal hierher kommen. Die
Tage an diesem Ort werden wir nicht vergessen, sowie auch den weisen Mann, den japanischen
Mönch auf dem hohen Hügel. Unser tiefster Wunsch für die Welt: Frieden. Die ersten Frühlingsgäste, ein Bauer und seine Schwester, hatten nur
drei Tage, Case Caro Carrubo kennen zu lernen. Trotz der kurzen Zeit wollten sie die lange
Fahrt nach Sizilien machen, mit Flug, Zug, Bus und zu Fuß. Ein Bericht über unser
Projekt im Mitgliedsblatt einer alternativen finnischen Bankinitiative weckte ihr
Interesse her zu kommen. Der erste Eindruck: Drei Menschen an einem runden Tisch,
Gläser, Teller, Schüsseln. Darüber ein blühendes Kirschbäumchen wippend. Und darüber
ein sanfter Frühlingshimmel. Eine seltene Kostbarkeit in diesem März/April 2003. Wir
haben Elvi, Nunzio und Tom gefunden und werden aufs Freundlichste eingeladen, in die Runde
zu kommen
Das tut gut. Was noch gut tut: Der kräftige Kräutertee, heiß, frisch
von der Wiese und gut für die Bronchien, die von Kälte und Sturm malträtierten,
die Holzkloben im Ofen, die uns Wärme und behagliches Bullern geben, die guten Wände und
das stabile Dach, die uns schützen vor den Sturmstössen und Regenschauern und der
unglaubliche Farbenzauber, den die Wiesenblumen unter jedem Sonnenstrahl entfalten
Barbara und Helmut überraschten uns mit ihrem Besuch gerade zur
Mittagszeit. Das Gästehäuschen war frei und unser Mittagessen reichlich genug - Fenchel
und Salat aus dem üppigen Frühlingsgarten - fast so, als hätten wir ihre Ankunft erahnt.
Die beiden hatten den Prospekt über Case Caro Carrubo von einer Freundin erhalten, die
den Eulenspiegel kennt. Auch der Biologe Michael fand über den Eulenspiegel
zu Case Caro Carrubo. In diesen Tagen waren vom Hügel Gitarrenklänge und Gesang zu
hören und die Flora wurde genau erforscht. Grazie per lospitalità. Ein Artikel über Case Caro Carrubo in einer Strassenzeitung von
Milano brachten Pasquale und seine englische Freundin Helen eine Nacht zu uns. Jan: Ich bin jetzt schon zum 3. Mal bei euch, und es ist für
mich eigentlich schon wie eine 2. Heimat im Urlaub. Toll fand ich, dass wir diesmal so
eine große Familie waren
Die heiteren Runden bei Tisch, das Spielen mit den
Kindern, die Radtouren durch das noch nicht zu heiße Land,
meine
Kommunikationsversuche auf Italiano bei Patrizia, Giovanni + Giovanni, Nunzios Eltern
nicht zu vergessen, die nette Einladung zum Pizzabacken (üben), wir hatten viel Spaß
miteinander. Und mit welchen Gedanken verabschiedeten sich die Mithelfer bei
uns, die mehr als die Gäste an unserem alltäglichen Leben teilnahmen? Tom mit den
Gedanken von Grossvater David Monongye (Hopi): Wir alle sind Blumen im Garten
des Grossen Geistes. Wir haben eine gemeinsame Wurzel: Mutter Erde. Der Garten ist schön,
weil er viele Farben hat: die Farben der verschiedenen Traditionen und Kulturen.
Und Matthias: Vom Trockenklo bis zur Trockenmauer
und dazwischen
wegzulesende Steine, rollende Steine, kleine Steine, flache Steine
Unkraut, tappi
und
viel Mist. Mir hat der Schnellkurs in
sizilianisch-biologisch-dynamisch-esoterisch-problematischer Landwirtschaft viel Spaß
gemacht!
So wie Jan in seiner Eintragung erwähnte, sind wir seit
ungefähr Anfang April sozusagen eine große Familie: Monika (langjährige Mitarbeiterin
vom Eulenspiegel) mit ihren beiden Kindern Stefanie und Marcel machen noch bis
Mitte Juni Urlaub bei uns. Kinderstimmen begleiten unsere tägliche Arbeit: Was
machst du? Kann ich dir helfen? Wo gehst du hin? Darf ich mitkommen?
Viele,
viele Fragen und richtiges Mittun: Unkraut bei den Bäumen hacken, Tiere füttern und
pflegen, Maulbeeren, Aprikosen ernten, spülen
Oder sie nehmen spielend Anteil an
unserem Leben: Stefanies italienische Erzählungen den Hügelwiesen
entlang, Hund sein, Katze sein, mit dem Trecker arbeiten, Gras schneiden
Alles, alles, was wir Erwachsenen machen, wird von den Kindern erstaunlich genau
beobachtet und nachgemacht! Was für ein anderes Erfahrungsfeld bietet für die Kinder das
Landleben im Unterschied zum Stadtleben. Und wir drei ständigen CCC-Arbeiter- und
BewohnerInnen? In dieser Zeit konzentrierte sich unsere Friedensaktivität aufs
Kleine. D.h. wir versuchten uns in der Zukunftswerkstatt (Methode nach Robert
Jungk) fürs Projekt, wie für uns selbst als Individuum und für unsere
Gemeinschaft. Über den Inhalt der Werkstattarbeit, was dabei auftauchte,
Ausdruck suchte, zu welchen Ergebnissen und Entscheidungen wir kamen, werden wir einmal
extra im jedermensch berichten. Wir haben Wertvolles für uns in dieser
Methode gefunden. Wir machen nun regelmäßig, einmal die Woche, die Werkstatt weiter. Wir
erleben, dass uns dieser Prozess im Alltag trägt. Wir freuen uns darüber. Cari saluti dalla Sicilia calda calda! Elvi
Symposion
zur Sozialen Plastik in Achberg Rainer Rappmann/News Network Anthroposophy
Gegen Schematisierung des Unterrichts und Verbeamtung der
Schule wehrt sich das Kind Man wird
zugestehen müssen, wenn man die kindliche Natur richtig kennt, dass die Unaufmerksamkeit
des Kindes gerade gegenüber einer derartigen Unterrichtsart ihre feineren Gründe hat. Es
strebt zurück von dem Buche, von der intellektualisierenden Anschauung, durch die Kraft
der Weisheit, die das Kind vor Schädigung bewahren will. Es ist eine Selbsthilfe des
Kindes, was als Unaufmerksamkeit eintritt. Das Kind entzieht sich den nivellierenden
Einflüssen eines derartigen Unterrichts. Unterrichtet man von der ersten Stunde bis zur
letzten in der geschilderten Art, dann wird der Versuch gemacht, durch Unaufmerksamkeit
sich einem derartigen Unterricht zu entziehen. Wie soll nun
aber dieser Versuch gelingen innerhalb einer Schule, die auch eine Disziplin hatte! Nicht
nur, dass in der eben angedeuteten Art und Weise der Lehrstoff herangebracht wurde; dem
Kinde wurde auch zugemutet, dass es innerhalb eines Vormittages drei bis vier mal sich
umstellen musste in bezug auf den Lehrstoff, so dass es gestürzt wurde von der einen
Stufe in die andere hinein. Wer deutlich die Entwickelung zu verfolgen wusste, der konnte
erkennen, wie in der letzten Zeit das Streben vorhanden war, die Stunden noch weiter zu
kürzen, auf 45 Minuten, kinemtogra-phisch den ganzen Unterrichtsstoff vorbeiziehen zu
lassen. Die Gliederung übertrug sich noch auf die einzelnen Stunden... Lassen Sie
sich klarmachen, was ein solche Lehrer innerhalb einer einzigen Unterrichtsstunde von 45
Minuten zu leisten hat. Der Stoff soll an das Kind herangebracht werden in sechs Phasen:
Erstens: Anknüpfung; zweitens: Vertiefung, und nach der Vertiefung kommt die Beseelung
des Stoffes; dann weiter nach der Beseelung kommt die Stufe der Verfügbarkeit des
Stoffes. Sie schließt wenig in sich. Dann kommt die Stufe der Stoffbemeisterung,
Stoffverwertung innerhalb der Stunde selbst. Aber das wiederholt sich ja viermal noch am
selben Vormittag innerhalb der verschiedenen Gebiete. Sie werden mir zugestehen,
wenn ich sagen muss, unsere Kinder können nach einer derartigen Methode, die die Kinder
misshandelt, nicht behandelt werden. Wenn sich solche misshandelten Kinder den
Wirkungen des Unterrichts, des Lehrplanes, der verlangt, am Dienstag, den 11. Mai, muss in
allen Klassen dies und dieses Ziel erreicht werden, entziehen wollten, was geschah da? Dann trat die
Disziplin in Kraft. Sie arbeitete von der allerersten Schulstunde mit Mitteln, die in
tiefer Weise das ganze moralische Leben des Kindes verseuchen mussten. Das Kind, das
gewohnt war, sich natürlicherweise zu äußern, sah sich auf Schritt und Tritt dem Lob
oder Tadel gegenüber. Schematisierung trat ein. Die Kinder stellten sich von vorneherein
auf die Möglichkeit ein, gefragt zu werden, so dass sie nur in gewissen Fällen mit der
Aufmerksamkeit beim Unterricht dabei waren. Wenn das Kind bis dahin gewohnt war, sich frei
zu äußern, und es das in der Schule ebenso tun wollte, so erlebte es, dass es
abgeschnitten wurde durch jene Rüge, die es immer erfuhr, wenn es in solcher Weise an den
Lehrer herantreten wollte; es hatte Strafe zu gewärtigen, die die allergrößten Bedenken
ins kindliche Seelenleben senken musste. Die Kinder mussten dann besondere Schulaufgaben
machen, anstatt dass ihnen von vorneherein die Anschauung wachgerufen worden wäre, es sei
eine Freude, in der Schule arbeiten zu dürfen. So wurde die Schulaufgabe zur Strafe
gestempelt. Das Kind bekam eine eigenartige Auffassung vom Unterricht solcher Art. Der
ganze Unterricht hat etwas mit einem Strafsystem zu tun. Es äußert sich in jenen
organischen Beeinträchtigungen, die das kindliche Wachstum hemmen, dass im Kinde
verschiedenes zur Wucherung kam, was sonst sich gesund entfaltet hätte. Ich möchte
darauf hinweisen, dass eine ganz bestimmte Erscheinung der späteren Schulstufe damit
zusammenhängt. Unsere Schüler stehen ironisch gegenüber dem gesamten Schulwesen, und
das durchsetzt das ganze Verhalten des Schülers zu seinem Lehrer, zu seiner Schule. Sie
wissen alle aus ihrer Schulzeit her, wie es Vergnügen bereitet hat, über die Lehrer zu
urteilen. Dann die Erscheinung der Schülerselbstmorde; immer mehr treten diese drohenden
Erscheinungen hervor, und immer ratloser sieht sich die Verwaltung gegenüber diesen
Erscheinungen. Wirkliche Lebenskräfte, die sich betätigen wollen in einem naturgemäßen
Unterricht, sind zurückgedämmt worden. Alles was so zurückgestaut wird, das bewirkt
jene Nervosität, die wir eine Zeitkrankheit nennen, die sich auf dem Gebiete des
Schulwesens offenbart. Nun fragen wir
uns, was wurde erreicht und bis zu einem bestimmten Abschluss gebracht, wenn man von der
untersten Schulstufe bis zur letzten Stufe geht? Unsere Volksschüler verlassen die Schule
mit dem fünfzehnten Jahr. Menschen, die viel mit Proletariern zu tun hatten und die
häufig den arbeitenden Menschen ins Gesicht gesehen haben, werden die Erscheinung
bemerken, dass etwas wie eine gewisse Herbheit sich ausprägt im Antlitz dieser Menschen.
Es ist viel darüber gesprochen worden, wenig gedacht. Aber man hat nicht beobachtet, dass
dies ja gar nicht anders sein könne, dass dies eine naturnotwendige Folge davon ist, dass
mit dem vierzehnten Jahre im Menschen das Empfindungsleben frei wird, und von diesem
Zeitpunkt ab war für die Mehrzahl unserer Volksgenossen die Bildung abgeschnitten. Wie
kann es anders sein, wenn Empfindungsfähigkeiten nicht zu bildenden Kräften zu werden
vermögen im Schicksal dieser Menschen? Die anderen,
die nun weiter fortgeführt wurden, die wurden erst recht hineingeführt in jene alte,
lateinische Methode, von der ich eingangs sprach. Das Studium der klassischen Sprachen
trat mehr in den Vordergrund, oder das Studium der Naturwissenschaften, die im Aufbau auch
nur das Erbe des Römischen Reiches und Rechtes angetreten haben. Die Folge davon war,
dass wenn aus der Volksschule notwendig in ihrer Entwickelung zurückgehaltene Menschen
austraten, so traten von dem humanistischen Gymnasium Menschen heraus, die später die
Vertreter des humanistischen Bildungsideals werden sollten. Es wurde dies als eine
Errungenschaft dargestellt, dass man Sprachen treiben könne, die man um ihrer selbst
willen treibe. Man bemerkte aber nicht, dass die Beschäftigung mit derartigen Sprachen
zurückstrahlt auf den ganzen Menschen, dass die Menschen, die sich in vielen Stunden in
die griechische Sprache versenkt hatten, unfähig wurden, die deutsche Sprache und die
Sprache der Tatsachen zu verstehen. Jene Menschen, die von der Realschule ins Leben
traten, die gaben ab die späteren Realpolitiker, die immer pochen auf Tatsachen, pochen
auf Gesetze aller Art, die aber nicht sehen, wie die Wirklichkeit beeinflusst wird von
ganz anderen Strömungen als denjenigen, die sie ihre Gesetze nennen. Alle diese
drei Schulaustritte dürfen wir so ins Auge fassen, dass wir die verhängnisvolle Wirkung
so arbeiten sehen, dass die Kräfte hintangehalten werden, die organbildend sein können
und Bildung beeinflussend im tiefsten Sinne des Wortes, dass anderseits die Kräfte, die
nicht einströmen konnten, wuchern mussten. Dort, wo ein Gefühlsleben nicht gepflegt
wird, hat es die Neigung, zur Sentimentalität zu gelangen auf Schritt und Tritt. Der Wille, was
wurde aus dem? Entweder er wurde so gebrochen, dass wir jene Ruinen von Menschen haben,
die heute auf verantwortungsvollen Posten stehen, oder auf der anderen Seite jene brutalen
Gewaltmenschen, die in die Welt so hineintreten, dass sie alles unter ihren Füßen
zusammenstampfen, eine Folge davon, dass der Wille gar nicht zu einer Pflege kommen
konnte. Diese
Erscheinungen sind häufig zusammengefasst worden. Kritik ist in Hülle und Fülle
ausgeübt worden. Als sich der Vorgang der Weltrevolution abspielte, da war die
Meinung entstanden: Jetzt wird aus dem Brodem der kochenden neuen Kräfte etwas
hineinfließen können, etwas wie eine neue Lebensströmung in das Schulwesen selbst; man
wird dazu kommen, die Kritik aufzupeitschen zu einer gestaltenden Tat. Seit jenen
Tagen ist man nicht müde geworden, immer wieder das Wort Einheitsschule zu
gebrauchen als einen Titel für die Bestrebungen, die meinten, sich mit der Zeit in
Verbindung zu setzen. Aber wenn wir die Auslassungen der Gesetzgebung beobachten, so
werden wir nicht umhin können zu sehen, was wie eine schwarze Gefahr uns gegenübertritt.
Wir sehen, dass zwar jene Gliederung der Schule, wie sie althergebracht war, äußerlich
verändert worden ist, dass aber, weil das was man Schulkonzession nennt, viel ausgiebiger
als sonst noch zur Geltung kommen möchte, die Gefahr als drohend bezeichnet werden muss.
Wir sehen, dass die Volksschule zu einer Konfessionsschule, einer Parteischule und Schule
von bestimmten wirtschaftlichen Gruppen werden kann, dass man noch weniger als früher
bedacht ist, auf das allgemein Menschliche Rücksicht zu nehmen, jetzt mit aller
Eindringlichkeit des juristisch arbeitenden Beamtenapparates. Sie werden
finden, dass der Beamte innerhalb der neuen Zustände nicht seine Bedeutung verloren hat,
dass er viel mehr wirken kann, dass er viel mehr zersetzen kann, als innerhalb des alten
Systems. Beachten Sie, mit welcher Eifersucht gewacht wird, dass alle Verfügungen
beachtet werden. Gegenüber diesem brutalen Willen wird man nicht umhin können zuzugeben,
dass es nicht leicht möglich werden wird, jenes Bildungsideal durchzuführen. Wir werden
gewärtig sein müssen, dass mehr als früher bestimmt werden wird, was als Unterricht ans
Kind herangebracht werden soll, namentlich im Geschichtsunterricht. Was wird die
Folge weiter sein? Die Folge wird sein, dass der Beamtencharakter des Lehrers sich noch
mehr ausprägen wird. Alledem
gegenüber steht unsere Welt von heute, die Not der Zeit, die noch nach ganz anderem
verlangt als demjenigen, was man als einen schwachen Zukunftsschimmer ausgießen möchte
über das Schulwesen und darüber hinaus. Warum können die Neuerungen nicht zu jenem
Ziele führen? Wir kommen zu einem eigenartigen Gesetz: Wenn irgendwo etwas gedacht wird,
und es sich nicht auszugießen vermag, weil es nicht durchdrungen ist von der ganzen
Energie des Menschenwesens, so wirkt es so, dass dies nicht eine Verminderung des
Negativen ist, sondern sich verbindet mit den negativen Zuständen. Es fließt
unterirdisch da hinüber. So hat es Lichtwark ausgedrückt: Teilreformen bewirken nur eine
Verstärkung der bereits bestehenden Tendenzen. Alles andere ist zu erwarten als
eine Neugestaltung. Wir können nur eine weitere Verstärkung der schon vorhandenen
Bestrebungen erwarten. Nun, dieses
Bild habe ich vor Ihnen aufgerollt, um Ihnen deutlich werden zu lassen an dem, was mir
nicht übertrieben scheint, was aus dem persönlichen Leben vieler Lehrender
schicksalsmäßig beseitigt werden möchte, weil wir, wenn wir jenes Bestreben unserer
Freien Schule richtig ins soziale Leben der Zeit hineinfließen lassen wollen, wissen
müssen, welche Gefahr uns von dem alten Schulwesen droht. Rudolf Steiner am 11. Juni 1920 (Gesamtausgabe 298) Verschlimmerung
statt Reform
Im Vergleichstest hatten die bundesdeutschen Schulen
verhältnismäßig schlecht abgeschnitten. Vornehmlich betroffen ist die staatlich
geführte Schule. Regionale Unterschiede begründen sich damit, dass die Schulführung in
der Aufsicht der Bundesländer liegt, bei den sogenannten Kultusministerien. Als Reaktion darauf gab es alsbald Fürsprecher einer stärkeren
Zentralisierung. Auf Bundesebene sollen einheitliche Prüfungskriterien für einen
gleichmäßigen Bildungsstand sorgen. Dieser ist jedoch (nach Ansicht mancher
Bildungsforscher und vieler Betroffener) in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken.
Wie und nach welchen Standards ihn also anheben? Nun gibt es etwa in skandinavischen Ländern pädagogische Formen,
welche ein mehr kindgerechtes Lernen unterstützen. Diese wurden auch sogleich sorgsam in
Augenschein genommen. (Manches davon hat durchaus stärkere Anklänge an die auf die
kindliche Entwicklung bezogene Waldorfpädagogik.) Also wäre jetzt hierzulande ein Schub
in Richtung einer mehr kindgemäßen Pädagogik denkbar. Dahin gehen auch jene
Bestrebungen, die Autonomie der einzelnen Schule gegenüber staatlichen Direktiven zu
stärken. Als eine Gegentendenz zu dieser Entwicklung tritt nun allerdings
jemand auf den Plan, der eine neue Vormundschaft über das Schulwesen anstrebt: die
Wirtschaft. Nachdem nun manche staatliche Ansprüche bröckeln, weil sie immer
offensichtlicher eine schulische Entwicklung mehr behindern als fördern (und die
kompetentesten Pädagogen immer eine Freiheit der Schule gefordert haben), will nun das
wirtschaftliche Management sozusagen auch die Bildung übernehmen. Nicht nur, dass überhaupt kommerziell ausgerichtete, messbare
Strukturen eingeführt werden sollen, was unter dem irreführenden Namen Qualitätsmessung
beziehungsweise Qualitätssicherung läuft. Jetzt hat die wohl bekannteste
Unternehmensberatung ihr Konzept vorgestellt, die deutschen Schulen von Grund auf zu
ändern. Nach einjähriger Arbeit wurde ein großangelegter Kongreß in Berlin abgehalten
im Beisein vieler Träger von Rang und Namen. Zwar bietet es in manchen Bereichen eine Lockerung gegenüber einer
staatlichen Ordnungsschule, doch sind starke zentrale Vorgaben eingeplant. Das reicht bis
dahin, eine Schule zu schließen, die den Anforderungen nicht entspricht. Zwar ist der
Umgangston lockerer, doch bleibt man an der zentralen Bewertung hängen. Der Weg zu den
genormten Zielvorstellungen ist nur etwas anders. Damit zeigt sich, dass das Wesen der kindlichen Schule von dieser
Seite überhaupt nicht verstanden wird. Letztlich werden wieder mal nur Methoden der
Erwachsenenwelt in das hineinverlagert, was etwas ganz anderes ist. Eine kindgerechte
Schule hingegen hätte allein jenes Individuum zum Ziel, das die gegenwärtige Welt
begreifen lernt, ohne schon von ihr vereinnahmt zu werden. In einem Freiraum der
Ungezwungenheit kann die Auseinandersetzung mit ihr erfolgen. Nicht Anpassung an das
Bisherige, sondern kreatives Gegenüberstellen heißt Schule. Diesen aktiven Freiraum zu
sichern ist Aufgabe des Pädagogen. Er muß seine Schützlinge ebenso vor staatlichen
Normierungsforderungen schützen wie auch vor den neuen Vorstellungen aus der Wirtschaft.
Letztere haben eben anzunehmen, was ihnen aus der Schule entgegenkommt, ohne dem
vorzugreifen. Es ist gegenwärtig eine wichtige Frage, ob ein selbständiges
Schulwesen noch zu schwach ist und zu wenig selbstbewußt auftritt. Anstatt seine eigene
gesellschaftliche Stellung zu beziehen, nimmt es dann nur einen anderen Vormund an. Jürgen Kaminski Am deutlichsten wird diese Verrechtlichung der Pädagogik
im Umkreis des Abiturs: Die ständig wachsende Flut von rechtsgültigen Vorschriften über
Meldungen, Planungen, Klausuren, Abitursvorbereitung, Anforderungsniveaus,
Prüfungsvorschläge, Geheimhaltung, Aufsichten, Kontrollen, Korrekturen, mündlichen
Prüfungen, Prüfungskontrolle und Prüfungsauschüsse fordert von jedem beteiligtem
Lehrer höchste Wachsamkeit, damit er nicht versehentlich irgendeine Rechtsvorschrift
verletzt. So müssen etwas die Noten der schriftlichen Abitursklassen wochenlang geheim
gehalten werden, obwohl es von diesen Noten abhängt, ob ein Schüler auch noch mündlich
geprüft wird. Rein juristisch ist also der Lehrer in der absurden Lage, Schüler auf eine
Prüfung vorzubereiten, die aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht stattfindet und
dies nicht durchblicken zu lassen. Selbst die Räume du Termine für die mündliche
Prüfung dürfen aus unerfindlichen Grünen (oder fürchtet man die Planung und
Installation unerlaubter Hilfen?) erst am Prüfungstag mitgeteilt werden. Die mündlichen Prüfungen mit Vorsitzendem, Prüfer und
Protokollführer gleichen durchaus einer Gerichtsverhandlung, nur das hier der Schüler
nicht wegen eines Vergehens, sondern wegen Verdachts auf Dummheit angeklagt erscheint. Der Unterschied liegt im Wesentlichen nur darin, dass er sich selbst
verteidigen muß, dass es keine mildernden Umstände gibt und das sein Schweigen die
Verurteilung zum Verlust von Sozialchancen wegen nun erwiesener Dummheit nach sich
zieht. Sicher klingt das übertrieben, und die juristische Atmosphäre kann durch
persönliches Engagement natürlich abgemildert, ja verwandelt werden. Sie lauert aber
ständig im Hintergrund und kann plötzlich wieder ganz das Feld beherrschen, wie
folgenden Extrembeispiel zeigt: Im ersten Teil der mündlichen Prüfung soll der Schüler 15 Minuten
lang ein selbständiges Referat über eine gestellte Aufgabe halten; nun kann er eventuell
in die völlig falsche Richtung loslegen, kann z.B. den Ansatz in der Mathematik so
machen, dass alles Weitere absolut sinnlos wird. Nun wäre es das natürlichste, dass ihn
die Prüfer darauf aufmerksam machen. Es gibt aber Schulen, wo die Selbständigkeit der
Darstellung so interpretiert wird, dass den Prüfern jegliche Korrektur verboten ist, da
es eine Hilfe wäre, die nicht alle in der gleichen Weise bekommen, was Klagen nach sich
ziehen könnte. Die anwesenden Prüfer müssen also den Schüler die volle Zeit ins Unglück
rennen lassen hin zu einer ungenügenden Leitung für diesen Prüfungsteil.
Dieses Verhalten widerspricht aber jeder Pädagogik, die diesen Namen verdient, und ist
nicht menschlich. Kann man da nicht verstehen, dass ein Schüler, wenn ihm derartiges
nachträglich klar wird, Hassgefühle gegen die Prüfer entwickelt? Mit
Kindern und Jugendlichen Schule neu denken Neueren Erhebungen zufolge brechen in der Bundesrepublik Deutschland
immer mehr Kinder und Jugendliche aus der Familie aus, verlassen Angebote der Schule und
der Jugendhilfe und suchen eine neue Orientierung auf der Straße. In Deutschland wird
deren Zahl auf 60000 bis 70000, in Feiburg auf 300 bis 400 geschätzt. Angesichts dieser dramatischen Entwicklung stellte im Jahre 1997 das
Freiburger Staatliche Schulamt einen Lehrer als Strassensozialarbeiter ein. Die
verantwortliche Arbeit in diesem wohl schwierigsten Feld der sozialen und pädagogischen
Arbeit wird bislang von drei Fachleuten aus Schulpädagogik, Sozialpädagogik und
Sozialarbeit geleistet. Grundlage der Arbeit ist das aus Lateinamerika stammende Konzept der
StraßenSchule. Hierbei ist nicht ein Schulangebot für auf der Straße sich aufhaltende
Kinder gedacht. Auch will StraßenSchule die Kinder und Jugendlichen nicht von der Straße
holen. Vielmehr sollen die von Familie und Elternhaus sich wegbewegenden Kinder und
Jugendlichen über ein Angebot der Straßensozialarbeit Begleitung und neue Orientierung
erhalten. Gleichzeitig will man von ihnen erfahren, wo und auf welche Weise sich Schule
und Jugendhilfe verändern können. Mit einem gezielt angesetzten sozial-, arbeits-, heilpädagogischen,
aber auch schulischen Begleitangebot will das Freiburger Pilotprojekt StraßenSchule die
von Kindern und Jugendlichen ausgehenden Denkanstöße, ihre Erfahrungen, die neuen
sozialen Organisationsformen und Inhalte eines menschlichen Überleben-Lernens aufgreifen
und weitergeben. Davon ausgehend sollen neue Ansätze in der Familie, der Schule und auch
der Jugendhilfe entwickelt und zu verwirklichen versucht werden. Aus dieser Sicht kann StraßenSchule sich auch als eine Schule für
Erwachsene verstehen. Erwachsene sollen die Andersartigkeit ausgegrenzter oder sich
ausgrenzender Kinder und Jugendlicher neu erkennen und verstehen lernen. So kann eine
bedrohliche Auseinanderentwicklung von Gesellschaft und sich zu Straßenkarrieren
hinentwickelnden Kindern und Jugendlichen gegebenenfalls aufgehalten werden. Erste, vorzeigbare Arbeitsergebnisse liegen bereits vor. In Freiburg
wurde auf deren Basis ein präventives Angebot einer Werkstattschule eingerichtet. Das Projekt Werkstattschule richtet sich vorrangig an 10
13jährige Kinder, die sich aufgrund ihrer familiären und schulischen Biographie zu
Straßenkarrieren hinzuentwickeln drohen. Ihnen werden Angebote sozialpädagogischer,
heilpädagogischer und insbesondere arbeitspädagogischer Art gemacht. Hierzu gehören
Arbeiten auf dem Bauernhof, Feuerholzzubereitung im Wald, die Produktion von
Kinderspielzeug, die Errichtung eines Ziegenstalls in einem Tiergehege und anderes mehr. Um der Arbeit auf der Straße und der Werkstattschule einen
verlässlichen Rahmen zu geben, wurde am 20.9.1999 in Freiburg der Verein StraßenSchule
gegründet. Dieser will durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit kindliche Entwicklungen zur
Straße offenlegen. Er setzt sich dafür ein, dass kindliches Aufwachsen nicht von
Ausgrenzung und Entwicklung zu Straßenkarrieren bestimmt wird. StraßenSchule will erreichen, dass allen in unserem Land
aufwachsenden Kindern und Jugendlichen zu einer menschlichen und vor allem lebenswerten
Zukunft verholfen wird. Uwe von Dücker / Freiburger StraßenSchule e.V. Lernen
in Freiheit
Das Stall-Projekt in York (Stables Project) sollte ursprünglich für
16- bis 25jährige Jugendliche sein. Inzwischen sind es hauptsächlich 15jährige, die
daran teilnehmen. Es knüpft an Venture an, einer von Schülern mitgestalteten
Oberstufenarbeit der Waldorfschule (Steiner-School) am dortigen Ort. Der jetzige Name kommt daher, weil ein umgebautes früheres
Stallgebäude zur Verfügung steht, wo intensive Studien ablaufen über Physiologie des
Menschen, Psychologie, Kunstgeschichte, Erdwissenschaften und einiges mehr. Meistens sind
es ungefähr 10 bis 14 Studierende. Auch Ältere können dazukommen. Begleitet wird das
von verschiedenen Lehrenden, unter ihnen auch Linda Fryer, einer ehemaligen Lehrerin der
Steiner School, einem Sohn von ihr und einer Kollegin. Auch künstlerisches und
handwerkliches Tätigsein gehört dazu. Die Studierenden haben es in einer herkömmlichen Schule manchmal
nicht mehr ausgehalten. Oder sie besuchen daneben noch einzelne schulische Kurse, um
bestimmte Prüfungen abzuhalten. Inzwischen kam sogar die Anfrage von einer Schule,
jemanden auszubilden, damit er dann dort wieder eine Prüfung ablegen kann. Eine Bemühung vom Stables Project ist auch, die städtische Umgebung
anzusprechen. So wurden Bewohner fotografiert und eine Ausstellung darüber gemacht.
Plötzlich waren sie selber gewürdigt, statt dass immer zu besonderen Stars
in den Medien aufgeschaut wird. Über derartige Studienarbeiten werden dann umfangreiche
Dokumentationsmappen ausgelegt. Es kann auch sein, dass mal Beteiligte bis nach Rumänien reisen und
an einem Hilfsprojekt für dortige Roma-Kinder (Zigeuner) teilnehmen. Die Finanzierung geschieht vor allem durch einen Sponsor und ein wenig
durch Einnahmen über einzelne Kurse sowie zusätzlich Spenden oder nun auch staatliche
Gelder übers Prüfungsvorbereiten. Außerdem beginnt das Beteiligen an einer
Komplementärwährung (Lets), was auch hilft, lokale Verbindungen zu fördern. Hier noch
die Anschrift: The Stables Project, 10a Nunmill Street, York Yo23 I/U Mit Kinder in eine bessere Welt
Kess Waaldijk: Janusz Korczak Vom klein sein und groß werden.
Aus dem Niederländischen von Verena Kiefer. 190 Seiten Der 1879 in Warschau geborene Arzt und Pädagoge ist durch seine
Opfertat berühmt geworden, als er 1942 mit seinen Waisenkindern das Schicksal in
Treblinka teilte, dem Vernichtungslager in Polen. In diesem Bericht geht es um ein Verständnis der eigenwilligen und
oft widersprüchlichen Theorien des Janusz Korczak, der ursprünglich Henryk Goldszmit
hieß und als polnischer Jude das schwere Schicksal des Landes in den schlimmsten
Kriegsjahren erlebte; der Israel besucht hatte und doch im Ghetto ausharrte, wo das Haus
der Waisen stand, das dank seiner Genialität eine demokratische Arbeitsweise
pflegte, wo er und die Mitarbeiter sich dem Gericht der Kinder fügten, um wahre Ordnung
aufrecht zu erhalten. Zwischen der Tradition starrer Reglementierung in typischen Heimen
seiner Zeit und der aufkommenden antiautoritären Art der Erziehung steuerte Korczak einen
Kurs, der auf dem Verständnis der Einmaligkeit jedes Kindes beruhte; wo Achtung und Liebe
die Waage hielten. Er ließ kein System zurück und es wäre unmöglich, heute seine
Methode zu kopieren, und doch macht Kees Waaldijk es klar, dass wir unendlich viel von
diesem Denker und Praktiker lernen können, vor allem eine Schulung unserer
Beobachtungsfähigkeit im Hinblick auf Kinder. Die Arbeit des Wachsens muß
jedes Kind alleine vollbringen, darin dürfen wir es nicht stören, doch sind klare Regeln
deshalb notwendig, weil sonst die Kleinen und Schwachen leiden würden. Erwachsene haben allen Grund, in bezug auf diese kaputte Welt
dem Kind gegenüber bescheiden zu sein...Kinder bedeuten neue Chancen nicht um die
bestehende Welt aufrecht zu halten, sondern um sie fortzuentwickeln. Korczak wollte
in den Waisen die Sehnsucht nach einer besseren Welt wecken. Es war Korczak wesentlich, Kinder weder sentimental zu verhimmeln,
noch sie zu verdammen. Er sagt: Unter den Kindern gibt es ebenso viele schlechte
Menschen, wie unter den Erwachsenen, und er fordert von Mitarbeitern Nüchternheit
und Realismus. Er kannte die Armenviertel Warschaus und sprach von Kindern als einer
besitzlosen, unterdrückten Klasse, stand aber dem Kommunismus fern und kritisierte die
Kapitalisten, die noch keine menschliche Gesellschaft geschaffen hatten. Interessant ist die Forderung an Mitarbeiter: Sei du selbst,
suche deinen eigenen Weg. Lerne dich selbst kennen, ehe du Kinder zu erkennen trachtest.
Mache dir klar, wo deine Fähigkeiten liegen, ehe du anfängst, den Kindern den Bereich
ihrer Rechte und Pflichten abzustecken. Trotz starker Betonung der Individualität, fördert er
Gemeinschaftsbildung durch Feste, zum Beispiel den Tag des ersten Schnees, Sommerlager und
viel Erzählen , Spielen und Singen. Er schreibt: Der Juli war ein wunderbarer Monat
zwanzig neue Kinder zu entdecken wie zwanzig neue Bücher, die in einer kaum
bekannten Sprache geschrieben sind, Bücher die etwas beschädigt sind, denen einige
Blätter fehlen, ein Rätsel. Es ist ein meisterhaft geschriebenes Werk. Sibylle
Alexander
Der Zukunft Türen öffnen
Die Freie Schule Elztal ist eine auf zwölf Jahre angelegte Schule.
Nach der 8. Klasse endet für die Schülerinnen und Schüler die gemeinsame Zeit mit ihrem
Klassenlehrer oder ihrer Klassenlehrerin. Daran schließen sich die 9. und 10. Klasse mit
einem eigenen Konzept an. Dieses wurde erst vor wenigen Jahren auf der Grundlage
bestehender Erfahrungen mit Jugendlichen von einer Arbeitsgruppe entwickelt. Die Klassen
11 und 12 gibt es zur Zeit nicht, LehrerInnen und Eltern arbeiten jedoch an Konzeption und
Umsetzung. Wir baten einen der derzeitigen Klassenbetreuer, Dieter Wiedner den
besonderen Gang der 9. und 10. Klasse - im Zusammenhang mit der gesamten Schulzeit - zu
beschreiben. Welche grundlegenden Ziele hat sich die Freie Schule Elztal gesetzt? Ganz allgemein kann ich sagen, dass wir versuchen in dem geschützten
Rahmen der Schule den Kindern Entwicklungsraum und -zeit zu geben. Nicht was die
Gesellschaft von ihnen erwartet, soll im Vordergrund stehen, sondern die jedem Menschen
innewohnenden Anlagen und Fähigkeiten sollen zur Reife kommen. Welche Bedürfnisse es auf
diesem Weg und in den jeweiligen Altersstufen zu befriedigen gilt, wollen wir erspüren,
um diesen Lebenskeimen die entsprechende Nahrung zu geben. Dabei ist besonders in den
letzten Jahren deutlich geworden, dass die Kinder das langsame und behutsame Vorangehen in
den ersten drei Jahren zur Nachreifung von motorischen und sozialen Fähigkeiten nützen
und benötigen. Von Klasse 4 bis 8 ist dann verstärkt Zeit zur Begegnung mit den
Kulturtechniken sowie zur Auseinandersetzung mit dem Bildungsstoff. Auch dies geschieht
nicht mit abgepacktem Wissensstoff, sondern so lebensnah wie möglich. Wir
versuchen ganz am Phänomen zu bleiben, also an dem, was durch die Sinne erfahrbar werden
kann, zu begreifen, zu beschreiben. Die Einfachheit der verwendeten Mittel ist uns dabei
ein Anliegen, denn wie im Kleinen so ist es ja dann im Großen. In den Klassen 9 und 10 haben wir zum Ziel, dass die Jugendlichen
einen ersten Blick auf sich selbst wie von außen richten können, auf ihre Fähigkeiten.
Was kann ich, was kann ich nicht? Und eine bewusste Begegnung mit der Welt findet statt,
und zwar mit der Arbeitswelt sowie mit dem Staatsschulsystem. Mit dem Gang in Klasse 9 und
10 haben wir eine Art Drehscheibe geschaffen zwischen der Klassenlehrerzeit und dem
weiteren Lebensweg in Berufsausbildung oder weiterer Schullaufbahn. Wichtig ist uns über die ganze Schulzeit im Maxhaus die relativ
offene Unterrichtssituation. Die Schülerinnen und Schüler gestalten von Beginn an ihren
Entwicklungsweg und den der Klasse mit. Dies geschieht zunächst unbewusst, indem der
Klassenlehrer, oder die Klassenlehrerin dies erlauscht, später findet immer
bewusster dieser Dialog zwischen Pädagogen und Heranwachsenden statt, bis die Schüler in
9 und 10 deutlich eine gestaltende Rolle haben. So entwickelt sich über die gesamte
Schulzeit soziale Kompetenz. Welches sind die wesentlichen Veränderungen in den Klassen 9 und 10? Die ersten acht Jahre sind eine Zeit intensiver Beziehung zwischen der
Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer und den einzelnen Kindern. Sie bildet sozusagen
eine Ergänzung zur elterlichen Erziehung, ist schützend, wärmend, führend. Am Ende ist
ein Ablösungsprozess der14- bis 15jährigen nötig wie ihn auch Eltern in dieser Zeit
mehr oder weniger erfahren. In Klasse 9 und 10 steht den Jugendlichen dann ein Klassenbetreuer
bzw. eine Klassenbetreuerin zur Seite. Doch dieser schützt nicht mehr, hält ihnen eher
den Spiegel hin, um sich selbst zu betrachten. Bei ihm können sie sich zwar immer wieder
Orientierung holen, aber ihnen wird auch deutlich mehr Raum gelassen sich ihre Aufgaben,
ihre Ziele in der konkreten Arbeitsaufgabe selbst zu stecken. Die beiden Schuljahre sind in jeweils drei große Themenschwerpunkte
eingeteilt. Das ist in Klasse 9: Arbeit Sprachen Kunst und in Klasse 10:
nochmals Arbeit Zeitgenossenschaft Abschlüsse. Diese Themen werden in den
stattfindenden Epochen von unterschiedlichsten Seiten beleuchtet, beim Thema Zeitgenossenschaft
z.B. über die Erarbeitung von naturwissenschaftlichen Grundlagen und gleichzeitiger
Betrachtung aus dem Blickwinkel von Religion, Philosophie und Ethik. Und während bis zur 6. Klasse täglich nur eine zweistündige
Epochenzeit (der Hauptunterricht neben den Fachstunden) stattfindet und in
Klasse 7 und 8 dann zwei Epochen parallel laufen, erweitern wir das für die 9 und 10 auf
drei Epochenzeiten plus einer Fachstunde täglich. Diese Erhöhung der Epochenzeiten sowie
die Dreiteilung des Schuljahres in Themenblöcke dient der vertieften Auseinandersetzung
mit dem zu bearbeitenden Stoff. Das ist also eine Steigerung der Konzentration. Jeder
Themenblock endet mit einem in der Form variablen Abschluss. Das kann in Block Sprache
ein Kabarettabend sein oder wie in diesem Schuljahr ein Irischer Abend, wo auf
Englisch über verschiedenste Aspekte von Irland referiert wird. Das Ziel ist von Beginn
an klar, wird gemeinsam entwickelt und beschlossen. Und sowie man sich selbst ein Ziel
gesteckt hat, kann der Arbeitsprozess beginnen, man kann sich mit der Aufgabe
verbinden, die nötigen und nächsten Schritte finden. Und dass die Jugendlichen einen
Überblick über den Verlauf haben ist uns wichtig. Dahinter steckt ja immer unser Ziel die jungen Menschen zur eigenen
Führung zu erziehen. Wie wird das Rhythmische in den Klassen 9 und 10 weitergeführt? Das rhythmische Arbeiten spielt in Klasse 9 und 10 eine große Rolle.
Bei der eben geschilderten dichten Arbeitsweise ist es unbedingt nötig zwischen Hand- und
Kopfarbeit rhythmisch zu wechseln wie zwischen Einatmen und Ausatmen. Eine der drei
Epochenzeiten ist also in der Regel dem handwerklich künstlerischen Tun
vorbehalten. In der 9. Klasse wird da mehr im Handwerklichen, also am Überwinden des
Widerstandes von Materie gearbeitet wie im Gartenbau, im Schreinern, im Kupfertreiben oder
Korbflechten. In der 10. Klasse erscheint eher der künstlerische Bereich. Und dann gibt es noch den rhythmischen Wechsel zwischen dem Arbeiten
und dem Reflektieren der Arbeitsprozesse. In der Nachbesprechung kommt das Erlebte zum
Bewusstsein, wird formuliert und ausgesprochen. Dann kann der Arbeitsprozess von jedem,
jeder selbst beurteilt werden. Was war stimmig, was hat nicht gut gepasst, was hat
gefehlt? Und wie soll es beim nächsten Mal besser gehen? Wie bekommen die Schüler und Schülerinnen Anschluss an die
bestehende Gesellschaft? In den beiden Klassen ist jeweils ein vierwöchiges Berufspraktikum
vorgesehen. In Klasse 9 in einem Handwerksbetrieb in der Region, in Klasse 10 in einem
Industriebetrieb. Wir haben uns bewusst für die ungewöhnlich lange Zeit von 4 Wochen
entschieden. Wieder damit die Schülerinnen und Schüler sich verbinden müssen mit der
Aufgabe. Besonders in der dritten und vierten Woche ist manchmal ganz schön
Durchhaltevermögen nötig. Diese Praktika sind wiederum eingebettet in
Themenzusammenhänge und werden in den Epochen intensiv vorbereitet und nachbereitet. Die
Erfahrungsberichte bekommen wir dann von allen an einem Vortragsabend zu hören.
Natürlich sind diese Betriebspraktika eine Brücke in die Arbeitswelt. Ein zweiter Kreuzungspunkt mit unserer Umgebung ergibt sich durch den
Hauptschulabschluss, den die Schüler extern an der Grund- und Hauptschule Kollnau
ablegen. Er findet in der zweiten Hälfte der 10. Klasse statt. Da werden die Jugendlichen
das erste Mal mit den üblichen Maßstäben des staatlichen Schulsystems konfrontiert und
bewertet. Die Vorbereitung auf diese Prüfungssituation liegt davor zwischen Ostern und
Pfingsten, also ein recht kurzer, begrenzter Zeitraum. Die Freie Schule Elztal schließt mit dem Hauptschulabschluss ab? Nein, der
Hauptschulabschluss ist für die Schülerinnen und Schüler nicht der Abschluss der zwei
Jahre, sondern nur eine Erfahrung darin. Natürlich ist es wichtig, dass sie durch den
Hauptschulabschluss die Möglichkeit bekommen ins staatliche System zu wechseln, z.B.
über Werkrealschule und Gymnasium zum Abitur zu kommen. Oder auf eine Waldorfschule zu
wechseln, die mit Fachhochschulreife oder Abitur abschließt. Oder sich für eine
Berufsausbildung zu entscheiden. Aber die Schulzeit in der Freien Schule endet mit einem schuleigenen
Abschluss und der besteht aus zwei Teilen. Zum einen ist da die Zehnt-Klass-Arbeit:
Während des letzten Schuljahres wird von jedem Schüler ein eigenes Thema gewählt und zu
Hause bearbeitet. Die Klassenbetreuer stehen für Fragen zur Verfügung. Und kurz vor den
Sommerferien werden die theoretischen und praktischen Arbeitsergebnisse der
Schulgemeinschaft vorgestellt. Und als zweites ist da der gemeinsame Rückblick der Klasse auf die
vergangenen zwei Schuljahre. Dieses Zurückschauen stärkt ihr Selbstbewusstsein für die
durchlebten Prozesse und ihre Ergebnisse. Diese Reflexion mündet in einer geführten
Ausstellung, bei der die Klasse vor den interessierten Zuhörern noch einmal die Inhalte
Revue passieren lässt. Und worauf zielt Ihr mit einer möglichen Oberstufe (Klassen 11 und
12)? Die
konzeptionelle Arbeit ist ja noch nicht abgeschlossen, aber die Richtung ist deutlich: Wir
sehen die Zeit der 11. und 12 Klasse als ein Übungsfeld, um einen Weg zwischen den
Anforderungen der Gesellschaft und den individuellen Impulsen zu finden. Es soll das
fortgeführt werden, was in den Jahren davor bereits angelegt und gepflegt wurde, nur auf
einem höheren Niveau. Dieter Wiedner, Klassenbetreuer Waldorfinitiative
Harzvorland e.V. Wir wollen 2003 eine Waldorfschule gründen! Daß dies klappt, davon
sind Rafik und seine Freunde überzeugt. Schließlich wollen sie die ganze Welt erlernen!
Ansgar weiß auch schon, welche Farbe seine Schule haben wird nämlich rot! Die UNESCO-Welterbe-Stadt Quedlinburg lebt mit ihrer 1000-jährigen
Geschichte, und insbesondere unseren Kindern bietet dieser Hintergrund ein Gefühl von
Heimat. Das Althergebrachte mit Leben zu erfüllen, darum bemühen sich in Quedlinburg
viele Bürger und Initiativen. Mit der Gründung einer Freien Waldorf-schule wollen wir
einen Beitrag leisten, dass Kinder den ihnen eigenen Weg finden und die Aufgaben der
Zukunft ergreifen lernen. Die Quedlinburger Waldorfschule soll den Charakter einer achtklassigen
Volkschule haben. Dabei sollen die Schüler klassenübergreifend, teilweise in
Kleingruppen unterrichtet werden. Mit diesem Konzept möchten wir eine Antwort finden auf
das Bedürfnis, auch in einer strukturschwachen Region Waldorfpädagogik zu er-möglichen.
Mehrere junge Waldorflehrerinnen, begleitet von Beratern sowie dem Kollegium der
Magdeburger Patenschule, wollen als Gründungsteam die pädago-gische Verantwortung für
diese Schule übernehmen. Den Beschluss zur Schulgründung hat unser Verein auch im Vertrauen
darauf gefasst, dass wir den Betrag in Höhe von ca. 48 000 Euro, welcher uns zur
Finan-zierung der ersten drei nicht geförderten Schuljahre noch fehlt, rechtzeitig
aufbringen können. Auch wenn diese Summe hoch erscheinen mag viele kleine Schritte
werden zum Erfolg beitragen. Ein erster Grundstock konnte bereits geschaffen werden, und
mit zahlreichen Aktivitäten und Bemühungen ist unser Vorhaben finanziell bereits in
greifbare Nähe gerückt. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie uns durch eine Spende bei
unserem Vorhaben unterstützen möchten! Es ist ganz besonders das Vertrauen von Freunden
und Förderern, welches uns in unserem Bemühen stärkt. Unser Verein ist gemeinnützig,
Spendenquittungen senden wir Ihnen am Ende des Jahres unaufgefordert zu. Außerdem
verlosen wir als kleines Dankeschön unter allen Spendern zum Ende des Jahres ein
Quedlinburg-Wochenende für zwei Personen. Anschrift:
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