jedermensch
 

Jedermensch

Zeitschrift für soziale Dreigliederung, neue Lebensformen und Umweltfragen

Frühling 2003 - Nr. 626


Inhalt


Globale Bewegung gegen den Krieg
Auf dem Europäischen Sozialforum (ESF) im November 2002 in Florenz wurde der 15. Februar 2003 zum internationalen Aktionstag gegen den drohenden Golfkrieg erklärt. Aber wer hätte im November gedacht, dass der 15. Februar der Tag der größten weltweiten Anti-Kriegsaktionen werden sollte? Nach vorsichtigen Schätzungen demonstrierten zehn bis fünfzehn Millionen Menschen in mehr als 600 Städten.
Bernd Drücke in „graswurzelrevolution“, März 2003


Drittes Weltsozialforum in Porto Alegre
Das dritte Weltsozialforum brach mit 120.000-130.000 TeilnehmerInnen und einer Verdopplung der Zahl vom letzten Jahr alle Rekorde.

Von Ingrid Spiller, Mitarbeiterin der Heinrich-Böll-Stiftung


GATS – die letzte Grenze
Ein globales Abkommen, über das gegenwärtig verhandelt wird, wird es Unternehmen erlauben die öffentlichen Dienstleistungen in aller Welt zu übernehmen – ob Menschen das wollen oder nicht... Wenn es einmal installiert ist, wird es den Untergang des öffentlichen Sektors bedeuten.
Maude Barlow erklärt, warum das verhindert werden muss.


7 Gründe gegen GATS
der Stopp Gats-Kampagne, Wien


Gegen die Privatisierung von Wasser
Immer schneller und häufiger verkaufen unsere Politiker öffentliches Eigentum, öffentliche Güter, Elektrizitätswerke, Krankenhäuser, öffentlichen Nahverkehr und vor allem eines: das Trinkwasser! Damit wollen sie in gewisser Ausweglosigkeit durch den Verkauf der "Daseinsvorsorge" noch einmal Kasse machen, um den Haushalt aufzupäppeln. Das geht aber nur einmal! Gleichzeitig verlieren die Bürger zunehmend demokratische Einflussmöglichkeit; eine Erosion der Demokratie hat begonnen. Wir steuern einem Ausverkauf unseres Staates entgegen, an globale Konzerne, die dem Profit verpflichtet sind und letztlich faktisch das Sagen haben. Wenn alles verkauft ist, haben die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr viel zu melden.
Eine Kampagne des Omnibus für Direkte Demokratie


Europäisches Vereinseitigen oder Ausgleichen
Diesen Beitrag von Anton Kimpfler können sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen


Eulenspiegel – Nachrichten
Das Projekt Eulenspiegel sucht 20 UnterstützerInnen, die je 1000 Euro leihen


Nachrichten von „Case Caro Carrubo“
Auszüge aus dem Rundbrief des Projektes auf Sizilien


Peter Schilinski
Im Jahresrundbrief von Rainer Rappmann finden wir die Begründung, daß Peter Schilinski eine äußerst wichtige Persönlichkeit für die Volksabstimmungsbewegung ist, wenn nicht ihr Begründer...


Euphorie und Ernüchterung
„Die größte Seifenblase aller Zeiten“ hieß die Überschrift. In dem Bericht im “Tages-Anzeiger“ (Zürich) war anschließend von 6 Billionen Euro zu lesen, welche sich in 18 Monaten „in Luft aufgelöst“ haben. Vom Internet ist natürlich die Rede, von der weltweit vernetzten Computertechnik. Von Jürgen Kaminski


Sich selbst betrügendes Spekulantentum
Diesen Beitrag von Anton Kimpfler können sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen


Lesenswertes
Reaktionelle Lesehinweise lesen Sie in der gedruckten Ausgabe


Vom Selbständigwerden der Menschen
Diesen Beitrag von Lutz von Lölhöffel können sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen


Anthroposophie & jedermensch:
Schöpferisches Betätigen statt suchthafter Getriebenheit

Diesen Beitrag von Anton Kimpfler können sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen


Weitere Beträge und Kurznachrichten finden sie in der gedruckten Ausgabe

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Globale Bewegung

Millionen Menschen demonstrierten gegen den Krieg

 "Gestern haben wir Geschichte gemacht, egal was als nächstes passiert. Gestern war der Tag Eins einer 'Globalisierung von den Graswurzeln empor' - eine weltweite Friedensdemonstration, die erste der Weltgeschichte. Was die Chemiekatastrophe von Bhopal, die Wasserstoffbombe, die Exxon-Ölpest und die weltweite Schuldenkrise ermöglicht hat, ermöglicht auch eine weltweite Gemeinschaft. Was wir vorziehen, liegt an uns." (Rabbi Arthur Waskow, Direktor des Shalom Center, New York, 16. Februar 2003)

Auf dem Europäischen Sozialforum (ESF) im November 2002 in Florenz wurde der 15. Februar 2003 zum internationalen Aktionstag gegen den drohenden Golfkrieg erklärt. Aber wer hätte im November gedacht, dass der 15. Februar der Tag der größten weltweiten Anti-Kriegsaktionen werden sollte? Nach vorsichtigen Schätzungen demonstrierten zehn bis fünfzehn Millionen Menschen in mehr als 600 Städten. In Berlin protestierten über 500.000 Menschen. "Die größte Demo aller Zeiten", so eine Boulevardzeitung am 16. Februar. Gleichzeitig gab es in fast allen Großstädten und in vielen kleinen Orten Kundgebungen und Aktionen. In Stuttgart beteiligten sich ca. 50.000 DemonstrantInnen.

Unter dem Slogan "No a la guerra!" (Nein zum Krieg!) demonstrierten in Spanien in mehr als 50 Städten vier Millionen Menschen - rund 10% der Bevölkerung - auch gegen die Pro-Kriegspolitik des rechten Regierungschefs Aznar. Auch in Italien (Rom: 2,5 Millionen) und Großbritannien (London: 2 Millionen) waren es die größten Friedensdemos in der Geschichte dieser Länder. Die Menschen protestierten gegen die Kriegspolitik und gegen die Regierungen des rechten Medienmoguls Silvio Berlusconi und des Sozialdemokraten Tony Blair. In über 150 Städten der USA gingen am 15. Februar trotz teilweise ausgesprochener Demonstrationsverbote mehr als eine Million Menschen gegen die Kriegspolitik der Bush-Regierung auf die Straße. In Tel Aviv versammelten sich 2.000 KriegsgegnerInnen, um gegen die Politik der rechtsgerichteten Sharon-Regierung und für eine friedliche Lösung der Konflikte im Nahen Osten zu demonstrieren. In Moskau demonstrierten einige Hundert AktivistInnen vor allem aus der libertären Szene sowohl gegen den russischen Kolonialkrieg in Tschetschenien als auch gegen die geplante Invasion in den Irak. In Paris gingen 800.000, in Amsterdam 80.000, in Brüssel 100.000 und in Athen 200.000 Menschen auf die Straße. In australischen Städten wie Brisbane (150.000) und Sydney (250.000) protestierten die Menschen gegen die eigene Regierung, die bereits 3.000 Soldaten zur Unterstützung der US-Truppen in die Golfregion entsendet hat. "Vom südafrikanischen Kapstadt bis zum norwegischen Bergen, von Honolulu über Kairo und Kiew bis Tokio gehen Menschen auf die Strassen, Schneepfade und Feldwege, um den drohenden Krieg gegen den Irak zu verhindern - sogar eine Station auf der Antarktis machte mit. Eine der Stärken der Friedensbewegung ist ihre Breite: Von antikapitalistischen Gruppen/Netzwerken bis hin zu staatstragenden Organisationen reicht das Spektrum", so das basisdemokratische Internetprojekt indymedia. Die globale Massenbewegung gegen den Krieg weckt Hoffnungen auf eine friedliche Lösung: "Stoppt den Krieg bevor er beginnt!" Am 17. Februar erinnerte die einflussreiche New York Times die US-Regierung daran, dass es auf der Erde offenbar "zwei Supermächte gibt: die USA und die Weltöffentlichkeit."

Bisher deutet aber nichts darauf hin, dass die US-Regierung sich von ihren "Präventivkriegs"-Plänen abbringen lässt. Am 20. Februar übten bereits 182.000 US-SoldatInnen in der Golfregion den Krieg, und täglich kommen neue Truppen hinzu. "Die USA würden die von Bush und den anderen Falken angedrohte gewaltsame 'Abrüstung' des Irak auch allein schaffen, sie wissen aber, dass sie mit ihrer Aggression das Völkerrecht, die UN-Charta und die Menschenrechte verletzen. Also wird das 'neue Europa' mit ins Boot geholt, so sind es viele Regierungen, die sich des Rechtsbruchs schuldig machen und - wie geflissentliche Advokaten kund tun - auf diese infame Weise 'neues Völkerrecht' schöpfen. Der Rechtsbruch im Kollektiv verschafft Erleichterung, Legitimation - und Belohnung. (...) Der Griff nach dem schwarzen Gold des Irak führt in eine schwarze Zukunft", so der Sozialwissenschaftler Elmar Altvater.

"The game is over", so verkündete am 6. Februar George W. Bush, der um jeden Preis den "unvollendeten" Krieg seines Vaters "gewinnen" will. Diese menschenverachtende Haltung, für die Krieg - das massenhafte Abschlachten von Menschen - ein Spiel ist, diese Arroganz der Macht, das Streben nach Welthegemonie und Unilateralismus, ist es, was Millionen Menschen zu Recht Angst macht. Menschen, die die Welt sonst eher aus der Perspektive des Fernsehsessels betrachten, erheben sich und demonstrieren massenhaft gegen den angekündigten Krieg.

Bietet diese "Negativkoalition zur Abwehr des Krieges"  auch Chancen für emanzipatorische soziale Bewegungen von unten? Antimilitaristische Positionen, die unter rot-grün marginalisiert wurden, erhalten nun möglicherweise eine breitere Basis. Eine Chance auch für basisdemokratisch organisierte, antimilitaristische Medien der Gegenöffentlichkeit. So musste z.B. die im Februar u.a. als Beilage der mittlerweile vergriffenen GWR 276 herausgegebene NO WAR-Aktionszeitung der graswurzelrevolution innerhalb von zwei Wochen zweimal nachgedruckt werden. In wenigen Tagen wurden bundesweit 55.000 Exemplare verteilt. Für das kleine Graswurzelprojekt eine beachtliche Zahl. Neben bösen E-Mails von Soldaten, die sich über antimilitaristische und libertäre Texte auf der GWR-Homepage www.graswurzel.net empören, wird die GWR-Redaktion nun überhäuft mit Kriegsdienstverweigerungs-Anfragen von jungen Wehrpflichtigen. Einige von ihnen haben wohl zuvor die auch vor Kasernen und in "Soldatenkneipen" verteilte NO WAR-Zeitung bzw. den darin enthaltenen "Jetzt desertieren!"-Aufruf an alle SoldatInnen in die Hände bekommen. Die im Jahr 2002 auf 189.644 gestiegenen und nun weiter steigenden Verweigererzahlen sind erfreulich und zeigen: Soldaten sind potentielle Deserteure!

Die wachsende Friedensbewegung eröffnet Möglich-keiten, libertäre Inhalte und gewaltfreie Konzepte vielen Menschen zu vermitteln. Die Hintergründe der Politik von militärisch mächtigen Staaten und ihrer Militärbündnisse müssen thematisiert und von unten analysiert werden. Menschen können sich politisieren, sich aufklären über Macht- und Herrschaftsverhältnisse. So kann eine Basis für gemeinsamen Widerstand gegen die herrschenden Zustände entstehen. Direkte gewaltfreie Aktionen können zur Radikalisierung der Bewegung beitragen. (...)

Bei den Aktionen sollten wir die deutsche Rolle als kriegsführende Militärmacht aufzeigen.

Beteiligt Euch an der resist-Kampagne! Ziel dieser Kampagne ist es, Aktionen Zivilen Ungehorsams im Vorfeld sowie während eines möglichen Irak-Krieges zu organisieren. Mit Selbstverpflichtungserklärungen von vielen, die schon jetzt ankündigen, sich an den Aktionen zu beteiligen, will resist den Druck auf die Bundesregierung und die Bush-Administration erhöhen. Mehr als 5.000 Menschen haben bereits unterzeichnet.

Bernd Drücke in „graswurzelrevolution“, März 2003

 

Die Kampagne „resist – sich dem Irak-Krieg widersetzen“ ist erreichbar über Friedenskooperative, Römerstr. 88, 53111 Bonn, fax 0228-692906

 

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Drittes Weltsozialforum in Porto Alegre:

Motivationsschub für die Bewegung

Das dritte Weltsozialforum brach mit 120.000-130.000 TeilnehmerInnen und einer Verdopplung der Zahl vom letzten Jahr alle Rekorde. Es brachte die Organisation eines solchen Events aber auch an den Rand des Machbaren. Pfadfinderische Fähigkeiten waren gefragt, um sich durch das Dickicht der Veranstaltungsangebote und den Dschungel der Veranstaltungsorte zu schlagen, die auf vier zum Teil weit auseinanderliegende Standorte verteilt waren, oder aber überhaupt ein ausgedrucktes Programm zu ergattern.

Eindrücke und Bewertungen bleiben damit sehr subjektiv, abhängig davon, wieviel Glück man hatte, die ausgewählten Veranstaltungen auch zu finden. Insgesamt hatte das WSF streckenweise den Charakter eines großen Happenings mit sehr guter Stimmung und viel positiver Energie. Veranstaltungen mit bekannten Persönlichkeiten wie Eduardo Galeano, Leonardo Boff, Noam Chomsky, Arundhati Roy oder Aleida Guevara (Tochter von Che Guevara) platzten aus allen Nähten, die ProtagonistInnen wurden streckenweise gefeiert wie Popidole. (...)

So vielfältig und beeindruckend das WSF auch war, so haben sich doch deutlich die Grenzen gezeigt. Das Markenzeichen - die politische Vielfalt der ProtagonistInnen von Basisbewegungen über Nichtregierungsorganisationen bis hin zu Kirchen, Gewerkschaften und Verbänden - birgt zumindest bei einer solch großen Teilnehmerzahl die Gefahr, über allgemeine Problembeschreibungen nicht hinauszukommen und statt über Strategien nachzudenken, ein weiteres Mal bekannte Informationen weiterzugeben. Auch die politische Heterogenität der Standpunkte fand sich wohl eher selten auf einem Podium als vielmehr in parallelen Veranstaltungen wieder. (...)

Das Nachdenken über die Zukunft des Weltsozialforums hat längst begonnen. Um der wachsenden Teilnehmerzahl entgegenzuwirken und wieder mehr Raum für die Weiterentwicklung von Diskussionen zu schaffen, wurde beschlossen, die regionalen Sozialforen zu stärken und das Weltsozialforum 2004 in Indien stattfinden zu lassen, eine Entscheidung, die im Organisationskomitee sehr kontrovers diskutiert wurde. Der Vorschlag, das WSF künftig nur alle zwei Jahre durchzuführen, konnte sich damit zunächst nicht durchsetzen. Auch die zeitliche Parallelität zum World Economic Forum in Davos steht zur Disposition.

Ein Auswertungsseminar Mitte diesen Jahres soll sich darüber hinaus kritisch mit Form und Inhalt des WSF auseinandersetzen und das Verhältnis von zentral organisierten und von den TeilnehmerInnen selbstorganisierten Veranstaltungen neu gewichten. Durch entsprechende und frühzeitige Koordination könnten dann schon im Vorfeld Kontakte und Vernetzungsmöglichkeiten für die Gruppen ermöglicht werden, die zu ähnlichen Fragestellungen arbeiten und Veranstaltungen anbieten möchten, so daß aus dem Nebeneinander ein Miteinander wird.

Der u.a. in der deutschen Presse zu lesende Abgesang auf die innovative Kraft des WSF scheint damit verfrüht. Die beeindruckende Teilnehmerzahl zeigt, wie wichtig das WSF für die globalisierungskritische Bewegung ist. Vor allem für die jüngeren TeilnehmerInnen scheint dieses Treffen einen ungeheuren Mobilisierungs- und Politisierungseffekt zu haben. Das extra eingerichtete Jugendcamp vermittelte einen Eindruck davon. Eine weitere Stärke liegt in der politischen Bandbreite der versammelten AktivistInnen. Das dritte Weltsozialforum hat aus meiner Sicht weniger neue Denkanstöße und Impulse gesetzt, sondern stand stärker im Zeichen der Verbreitung und Verbreiterung. Die thematische Arbeit zu den wichtigen Themen der Globalisierung wie WTO und GATS, Finanzmärkte und vieles andere mehr muss nun vor Ort in den Regionen weitergeführt werden.

Ingrid Spiller, Mitarbeiterin der Heinrich-Böll-Stiftung

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Ein anderes Asien ist möglich

Beim 1. Asiatischen Sozialgipfel präsentieren sich die globalisierungskritischen Bewegungen des Kontinents. Anliegen und Vorschläge sind bunt gemischt.

Sonalchavan möchte "lernen, wie ich die Globalisierung bekämpfen kann". Und was versteht sie unter Globalisierung? "Wenn Coca-Cola unser Wasser in Plastikflaschen füllt und die Armen dafür bezahlen müssen." Die siebzehnjährige ist mit der Jugendgruppe Akshara aus Bombay zum 1. Asiatischen Sozialforum nach Hyderabad gekommen. Hier führen sie ihr Theaterstück auf, das Kinderarbeit als Folge der Globalisierung thematisiert. (...)

Zehn Großveranstaltungen, hunderte Workshops, Seminare und ein Filmfestival - ein überbordendes Programm, das vor allem den Zweck hat, die Vielfalt der Stimmen, Erfahrungsebenen und Lösungsansätze zueinander in Beziehung zu setzen. "Das Forum bietet erstmals eine Plattform für gemeinsame Klärung und Selbstverständigung zwischen den meist unverbunden nebeneinander agierenden sozialen Gruppierungen, NGOs und Netzwerken", meint John dSouza vom Zentrum für Bildung und Dokumentation in Bombay.

Die neoliberale Globalisierung ist in Hyderabad jedoch nur ein Schwerpunkt. Gleichgewichtig daneben stehen Militarisierung, Krieg und Gewalt sowie Fundamentalismus und Nationalismus. In diesem thematischen Rahmen bewegen sich die Teilnehmer. Fundamentalismen und politisierte Religionen werden vor allem als identitätspolitische und kulturelle Reaktionen auf die westlich dominierte Globalisierung betrachtet. Die USA werden beschuldigt, ihr "Imperium" mit der neoliberalen Agenda als Software und Militarisierung als Hardware gegen die durchzusetzen, die sich ihrer Kontrolle zu entziehen versuchen.

Aber auch die in vielen Ländern zunehmende Militarisierung nach innen wird thematisiert. Nighat Khan, eine der wenigen Pakistanerinnen, die nach Indien einreisen durften, analysiert, dass die Eliten ihre Macht immer mehr durch Gewalt, Terror und Nationalismus absichern, weil ihre Unterstützung durch die Massen zusehends schwindet. In Pakistan leisteten vor allem Frauen Widerstand gegen Militarisierung und Islamisierung, weil ihre Rechte zuerst beschnitten würden.

Durchgängig ist in Hyderabad die Forderung, "die wirtschaftlichen und sozialen Rechte gegen den wachsenden Einfluss privilegierter Interessen" zu stärken, wie Jean Dreze von der Jawaharlal Nehru University New Delhi erklärt. Das Recht auf Bildung etwa werde durch die Privatisierung von Bildungseinrichtungen sowie fundamentalistische Ideologien immer mehr gefährdet. (...)

Medha Patkar, die seit Jahren den Widerstand gegen den Narmada-Staudamm führt, wird wie eine Volkstribunin gefeiert, als sie zum gewaltfreien Kampf gegen das technologisch-industrielle Entwicklungsmodell, das indische Kastensystem und den Hindu-Chauvinismus aufruft. Inspiration dafür sieht sie bei Gandhi, aber auch bei Marx.

Andere setzen auf globaler Ebene an. "Uns ist ein Zwei-Fronten-Kampf aufgezwungen", sagt etwa Walden Bello von Focus on the Global South in Bangkok: "der Kampf gegen die neoliberale Globalisierung durch die WTO und gegen den drohenden US-Krieg gegen den Irak." Beides sieht er als Klammer für die vielfältigen, oft gegensätzlichen Positionen. Seine Vision: Bringt die WTO zum Entgleisen! Für ihn ist das eine Voraussetzung dafür, dass Gesellschaften ihre Ressourcen, ihre Ökonomie und ihre Demokratie wieder selbst kontrollieren können.

Christa Wichterich in der taz Nr. 6946 vom 6.1.2003

 

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Aus: The Ecologist, Donnerstag 19.April 2001



Die letzte Grenze

Ein globales Abkommen, über das gegenwärtig verhandelt wird, wird es Unternehmen erlauben die öffentlichen Dienstleistungen in aller Welt zu übernehmen – ob Menschen das wollen oder nicht... Wenn es einmal installiert ist, wird es den Untergang des öffentlichen Sektors bedeuten.
Maude Barlow erklärt, warum das verhindert werden muss.

Wenn Sie Bolivianer wären, wüssten Sie, warum die Welt besorgt sein müsste über GATS. Gehen Sie zurück in der Zeit ins Frühjahr 2000, in die Stadt Cochabamba in dieser Süd-amerikanischen Nation. Unter dem Druck der Weltbank hat die Bolivianische Regierung ihr öffentliches Stadtwassersystem an ein US-Wasserunternehmen verkauft. Dies war Teil des Weltbank-Programms, die Bolivianische Wirtschaft zu “modernisieren” – in anderen Worten, sie den westlich gegründeten Unternehmen gegenüber zu öffnen. Es war alles, so wurde den Bolivianern versichert, im Namen der ökonomischen Effizienz.
Die Menschen von Cochabamba fanden schnell heraus, worauf diese Effizienz hinauslief. Schon Wochen nachdem die Unternehmensflagge gehisst wurde, auf dem was bislang ein öffentlicher Versorgungsbetrieb war, stiegen die Wasserpreise massiv an. Viele der ländlichen Familien von Cochabamba mussten bis zu einem Drittel ihres Einkommens für ihr Wasser bezahlen – mehr als sie für Nahrungsmittel ausgeben. Die Belastungen waren lähmend, und es gab keine Alternative – sogar Regenwasser als Trinkwasser zu sammeln, war für illegal erklärt worden.
Beschwerden hatten keine Wirkung bei dem Wasserunternehmen, dessen Ziel es nun war, eher Profit zu machen als eine öffentliche Versorgung für elementare Bedürfnisse bereitzustellen. So gingen die Cochabambaner auf die Strasse. Im April nahmen zuerst Hunderte, dann Tausende an den Demonstrationen gegen die Privatisierung dieser elementarsten Güter teil. Vier Tage Streik brachten die Stadt zum Stillstand. Die Regierung gab nach und versprach den Wasserpreis zu senken. Dann änderten sie ihre Meinung. Der Protest begann wieder und wurde dieses Mal größer. Tränengas wurde eingesetzt und der Kriegszustand wurde erklärt. Cochabamba landete im Chaos. Noch immer weigerten sich die Regierung und das Unternehmen, nachzugeben. Protestführer wurden in der Nacht zusammengetrieben. Andersdenkende Medien wurden geschlossen. Der Profit eines fremden Unternehmens hatte Vorrang vor den täglichen Bedürfnissen der Bolivianischen Bevölkerung. Aber diese Menschen gaben nicht auf. Der Protest wuchs sogar noch an. Schließlich, nachdem das Militär einem 17 jährigen protestierenden Jungen ins Gesicht geschossen hatte, realisierte sogar die Regierung, dass das Spiel vorüber war. Zwei Tage später unterzeichneten sie ein Übereinkommen, das die Stadtwasserversorgung wieder der öffentlichen Kontrolle übergab.
Dies war ein Sieg, der nicht andauern wird. Nächstes Mal werden die Menschen, egal wie groß der Protest sein wird, ihre Zeit verschwenden.

Es kommt auch zu Ihnen.
Nur wenige Monate früher wurde in der Nordamerikanischen Stadt Seattle das November 1999 Treffen der Welthandelsorganisation (WTO) stillgelegt – ebenso durch Massenproteste. Es war, so schien es, ein Ereignis, das die Kräfte der Unternehmensglobalisierung auf ihrem Weg gestoppt hat – zumindest für eine gewisse Zeit.
Aber nicht so schnell. Schon Monate nachdem sich der Rauch und das Pfefferspray verzogen hatte, und die Protestierer, die Regierungsoffiziellen und die Reporter gegangen waren, rief schon das “General Agreement on Trade in Services” GATS (Allgemeine Vereinbarung über Handel in Dienstleistungen). Sie haben wahrscheinlich von GATS noch nichts gehört – die Wenigsten haben das. Darum geht es gerade. Aber Sie sollen wissen, welche Bedeutung es für Sie haben wird. Denn diese Verhandlungen gehen immer noch, im Stillen, weiter. Ihre Absicht ist, einfach und sachlich, die öffentlichen Dienstleistungen der ganzen Welt für Unternehmensübernahmen anzupreisen, um das ganze Konzept der öffentlichen Dienstleistungen nicht nur unmöglich, sondern möglicherweise illegal zu machen. Das ist es, worum es in GATS geht. Wenn es letzten April schon in Kraft gewesen wäre, wäre es ganz einfach für die Bolivianische Regierung illegal gewesen, die Wassergesellschaft wieder zu verstaatlichen.
Gute Nachrichten für die Unternehmensprofite, schlechte Nachrichten für Menschen. GATS macht den Weg frei für die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen über die ganze Welt hin. Nichts wird ausgenommen - Erziehung, Gesundheitswesen, Sozialwesen, Post, Museen und Büchereien, öffentlicher Verkehr, alles wird den Unternehmensinteressen geöffnet. Jeder und jeglicher Dienst, der gegenwärtig von den Staaten im Namen des   öffentlichen Interesses zur Verfügung gestellt wird, wird privaten Unternehmen zugänglich gemacht und unter Profitgesichtspunkten betrieben werden. GATS könnte, ganz einfach, die letzte Grenze der Globalisierung sein: Das Ende der Idee gemeinnütziger öffentlicher Dienste. 
GATS wird in über 130 Ländern in Kraft treten, leise, und ohne viel Aufhebens, und dies in weniger als 2 Jahren. Wenn nichts getan wird!

Was ist GATS?
Das allgemeine Abkommen über Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services = GATS) ist eines von mehr als 20 Handelsvereinbarungen, die von der Welthandelsorganisation (WTO) verwaltet und in Kraft gesetzt werden. Das GATS wurde 1994 eingerichtet als Ergebnis der “Uruguay-Runde” des allgemeinen Abkommens über Zölle und Handel (General Agreement on Tariffs and Trade = GATT) die zu der Schaffung der Welthandelsorganisation geführt hat. GATS war eines der Handelsabkommen, das für die Einbeziehung in die WTO übernommen wurde, als diese 1995 gebildet wurde. Die Verhandlungen sollten 5 Jahre später beginnen, mit dem Ziel “progressiv die Ebene der Liberalisierung des Handels” zu heben.
Diese Gespräche wurden wie geplant im Februar 2000 auf den Weg gebracht. Der Weg sieht vor, eine Abschlussvereinbarung bis Dezember 2002 zu erreichen – das sind weniger als 2 Jahre.
Das Mandat von GATS ist die “Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen”. In klarem Deutsch bedeutet dies den Abbau der staatliche Barrieren für die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Ihr Ziel ist, es Regierungen unmöglich zu machen, öffentliche Dienste auf einer gemeinnützigen Basis zu betreiben, ohne die Beteiligung von privaten Unternehmen. GATS wird es der WTO erlauben, staatliche Handlungen bezüglich öffentlicher Dienstleistungen durch eine ganze Reihe gesetzlicher Zwänge einzuschränken. Jede Regierung, die den Regeln der WTO zuwider handelt, wird Sanktionen erfahren. 
Also, was wird geschehen, wenn GATS eingeführt wird? Charlene Barshevsky, die US- amerikanische Handelsbeauftragte, kann es uns sagen. Bevor die GATS-Verhandlungen zu Beginn des letzten Jahres begannen, fragte sie die mächtige US-Lobby-Gruppierung der Koalition der Dienstleistungsindustrien, was sie in den GATS-Vereinbarungen beinhaltet sehen möchte. Die Europäische Kommission hat dasselbe getan mit ihrer Industriekoalition, dem europäischen Dienstleistungsforum. Unter sich haben die Unternehmen die folgenden Prioritätsgebiete für die Handelsliberalisierung identifiziert: Gesundheitswesen; Krankenhauswesen; Häusliche Pflege; Zahnarztwesen; Kinderbetreuung; Altenbetreuung; Erziehung – Schulwesen, Hochschulwesen und Volkshochschulwesen bzw. Erwachsenenbildung; Museen; Büchereien; Gesetzgebung; Sozialberatung; Architektur; Energiewesen; Wasserversorgung; Umweltschutzdienste; Immobilienwesen; Versicherungen; Tourismus; Postdienste; Verkehr; Verlagswesen; Funk- und Fernsehen und viele andere.
Die Konsequenzen hiervon sind niederschmetternd. Es bedeutet, dass die 137 Mitgliedsländer der WTO dabei sind, übereinzustimmen, alle ihre öffentlichen Dienstleistungen für freie Handelsgesetze zu öffnen – denselben Gesetzen, die es der WTO erlaubt haben, die Gesundheit, die Nahrungssicherheit, und die Umweltgesetze in Dutzenden von Ländern zu zerschlagen. Den Unternehmenswölfen wird Einlass in das letzte verbleibende Pferch gewährt. Und sind sie einmal drin, wird es zu spät sein, sie jemals wieder herauszukriegen.

Eine kurze Geschichte der Globalisierung
Wie konnte dies passieren? Wie konnten Regierungen diese Beseitigung der zentralsten Grundrechte erlauben, ohne ihre Bürgerinnen und Bürger zu fragen oder zu informieren? Um die Antwort zu verstehen ist es notwendig zum Ursprung des Welthandelssystems zurückzugehen. 1947 wurde eine neue Handelskörperschaft – die internationale Handelsorganisation (International Trade Organisation ITO) – geschaffen, mit einem sehr anderen Mandat als dem der heutigen WTO. Die ITO sollte geordneten globalen Handel unter der Zuständigkeit der UNO fördern. Der Verfolg des Handels sollte ausdrücklich wichtige soziale Gesichtspunkte berücksichtigen, einschließlich der Vollbeschäftigung und der menschlichen sozialen Rechte, wie sie durch die universelle Erklärung der Menschenrechte durch die UNO garantiert wurden. Die neue ITO hatte sogar das Recht, transnationales Kapital zu regulieren, um sicherzustellen, dass es diesen sozialen Zielen dient.
Aber die ITO war eine Totgeburt, getötet von den US, die beabsichtigten, ein ganz anderes globales Handels- und Investment-Regime zu bilden, das nicht auf mehr, sondern auf weniger Regulierungen gebaut war; ein Regime, das sich selbst, seinen großen Unternehmen und seinen internationalen Interessen Vorteil bringen würde. So schafften die US das GATT und entzogen es der Zuständigkeit der UN. Seit der Bildung des GATT im Jahre 1947 gab es acht Handelsvereinbarungs-“Runden”, jede darauf ausgerichtet, die Grenzen des globalen Handels progressiv weiter auszudehnen. Die ersten sechs Runden konzentrierten sich ausschließlich darauf, die Tarife (Grenzzölle) zu senken, und die Macht von GATT wuchs weiter, weitgehend unbeachtet von der Zivilgesellschaft.
Aber die siebte “Tokio-Runde” (19731979) fiel zusammen mit dem Auftauchen des sogenannten “Washington Consensus” - einem globalen wirtschaftlichen Modell, das auf den Prinzipien der Privatisierung, dem freien Handel und Deregulierungen basiert – und dem Auftauchen von riesigen transnationalen Unternehmen, welche, weil sie nun globale Unternehmen sind, den nationalen Staatsregulierungen entkommen sind und gleichermaßen den Abbau von Regulierungen auf internationalen Ebene wollen. Dies schließt riesige Dienstleistungsunternehmen ein, die erpicht darauf sind, ihre Hand auf Regierungsmonopole legen zu können, besonders im sozialen Dienstleistungssektor. Zum ersten Mal begann GATT sich in nicht-zollbezogene Beschränkungen einzumischen – den Regelungen, Grundsätzen und Praktiken von Regierungen, wie Umweltschutzgesetzen und öffentlich finanzierten sozialen Diensten, die auf den Handel einen Einfluss haben können. Die Uruguay-Verhandlungsrunde (19861994) erweiterte den Umfang der Themen drastisch. Zum ersten Mal wurden Dienstleistungen genannt und Gebiete, die normalerweise mit Handel nicht in Verbindung gebracht werden.
 

Welt wache auf!
Plötzlich wurde es für viele NGOs , Sozialrechtsbefürworter und Umweltschützer klar,  
dass während sie damit beschäftigt waren, Einfluss auf ihre jeweiligen Regierungen und auf die UN zu nehmen, viel von der Macht, die diese bisher hatten, leise übergegangen war in neue Gebiete - ungewählte, und in der Größe ungesehene globale Handelssysteme. Die Architekten der Schluss-Agenda der Uruguay-Runde wollten einen Zusammenhang von Bestimmungen einrichten um die Globalwirtschaft zu regeln – Regeln, die ihnen dienen würden, und die von den Mächten und Organen einer Weltregierung unterstützt worden wären.
Es war die Uruguay-Runde, die zur Schaffung der WTO führte, der globale Polizist für das Handelsprogramm reicher Unternehmen. Ungleich GATT, das ein wirksamer Geschäftsvertrag zwischen Nationen war, wurde der WTO “legale Persönlichkeit” gegeben. Sie hat internationalen Status, gleichwertig der UN, aber mit dem Zusatz, enorme Durchführungskraft zu besitzen.
Ungleich jeder anderen globalen Institution, hat die WTO gesetzgebende und richterliche Macht, die Gesetze, Praktiken und Politik der einzelnen Länder herauszufordern und niederzuschlagen, wenn sie als zu “handelseinschränkend” gesehen werden. Die WTO beinhaltet keine Minimumanforderungen um Arbeit, Menschenrechte, Sozial- oder Umweltstandards zu schützen; jeden einzelnen Fall (mit nur einer Ausnahme),den die WTO nutzte um ein Gesetz zur häuslichen Gesundheit, Nahrungssicherheit, fairen Handel oder Umwelt herauszufordern, hat sie gewonnen. Über die letzten sechs Jahre haben die Durchführungen der WTO gezeigt, dass sie das mächtigste, geheimste und antidemokratischste Organ auf Erden ist, rasend schnell den Mantel einer Globalregierung annehmend und aktiv danach suchend, seine Macht und Reichweite zu vergrößern.

Das Beschneiden der Dienstleistungen
Öffentliche Dienste stehen als nächstes auf der Unternehmens-Abschussliste der WTO. Globale Unternehmen waren überall so erfolgreich darin, Regierungen zu überreden, dass deren Agenden die gleichen sind – nämlich, dass der Erfolg von Unternehmensprofit und das Wohl der Gesellschaft ein und dasselbe sind – so dass deren Zugang zu vielen Bereichen des öffentlichen Lebens sich bereits verbessert hat. Jetzt wollen sie an den ganzen Kuchen. Im internationalen Handel sind Dienstleistungen der Sektor, der am schnellsten wächst und er verspricht reiche Ausbeute für schlaue Unternehmen. Und unter allen öffentlichen Diensten zeichnen sich das Gesundheitswesen, der Erziehungsbereich und die Wasserversorgung als die ab, die potentiell am lukrativsten sind. Die globalen Ausgaben für Wasserversorgung überschreiten jetzt $ 1 Billionen jedes Jahr; für Erziehung überschreiten sie $ 2 Billionen und für die Gesundheitsversorgung überschreiten sie $ 3,5 Billionen. In vielen Teilen der Welt hat das, was GATS beschleunigen wird, bereits versuchsweise begonnen. Die USA könnten ein Modell für den Abbau öffentlicher Dienstleistungen vorschlagen, das GATS dann überall auf der Welt durchführen wird. In Amerika ist die Gesundheitsversorgung bereits ein großes Geschäft geworden, mit gigantischen Gesundheitsversorgungsunternehmen die an der New Yorker Börse registriert sind. Rick Scott, Präsident von Columbia, des weltgrößten profitorientierten Krankenhausunternehmens, ist sich darüber im klaren, dass Gesundheitsversorgung ein Geschäft ist, nicht anders als eine Fluggesellschaft oder die Kugellagerindustrie. Er hat öffentlich geschworen, jedes öffentliche Krankenhaus in Nordamerika zu zerstören. Doktoren, sagt er, sind keine “guten Unternehmensbürger”.
Unterdessen sagen bereits Investitionsgesellschaften wie Merrill Lynch voraus, dass genauso wie das öffentliche Gesundheitswesen privatisiert worden ist, das Erziehungssystem innerhalb des nächsten Jahrzehnts global privatisiert werden wird. Sie sagen, dass dort unschätzbare Profitbeträge erzielt werden können, wenn dies passiert. Die EU hat kürzlich angekündigt, dass jede öffentlich betriebene Schule in Europa bis zum Ende des Jahrzehnts mit einem Unternehmen zusammengeschlossen werden muss. Die Eroberung ausländischer Märkte ist jetzt zu einer gemeinsamen Schlüsselstrategie unter Institutionen für höhere Ausbildung überall auf der Welt geworden.
Viele Teile der “Dritten Welt” sind in den letzten Jahrzehnten von den strukturellen Anpassungsprogrammen des Internationalen Weltwährungsfond (IWF) gezwungen worden, ihre öffentlichen Infrastrukturen abzubauen. Um berechtigt für den Schuldenerlass zu werden, sind z.B. Dutzende von “Entwicklungsländern” in den letzten 20 Jahren dazu gezwungen worden, ihre öffentlichen Sozialprogramme aufzugeben, gleichzeitig wird fremden Unternehmen erlaubt, ins Land zu kommen und ihre Gesundheits- und Erziehungs- “Produkte” an die “Konsumenten” zu verkaufen, die sich diese leisten können, während Millionen von Menschen ohne eine allgemeine soziale Grundversorgung bleiben. Lateinamerikanische Länder erfahren momentan eine Invasion von US-Gesundheitsversorgungs-Unternehmen und Asiatische Länder erlauben, dass Zweigstellen von ausländischen Universitäten und Gesundheitsversorgungsketten in ihr Land kommen. Erst kürzlich hat die Weltbank dieselben Länder gezwungen, ihr Wasserversorgungssystem zu privatisieren und arbeitet offen zusammen mit Wassergiganten wie Vivendi und Suez Lyonnaise des Eaux, um ihre “Rechte”, Profit in der Dritten Welt machen zu können, aufzubauen.
Nun wollen diese Unternehmen durch die GATS-Vereinbarungen bindende, globale und unwiderrufliche Rechte, die ihnen Zugang zu den staatlichen Dienstleistungsverträgen überall in der Welt garantiert. Und sie sind erfolgreich. Bereits über 40 Länder, einschließlich ganz Europa, haben die Erziehung auf die Liste des Zuständigkeitsbereiches von GATS gesetzt, und öffnen ihren öffentlichen Erziehungssektor ausländisch gestütztem Wettbewerb. Fast 100 Länder haben dasselbe mit dem Gesundheitswesen getan. Wenn die neuen Verhandlungen vorankommen, wird es sehr schwer sein für irgendein Land, gegen den Strom zu schwimmen – selbst wenn einige mutig genug sein sollten, es zu versuchen.

Was ist in GATS enthalten?
Das bestehende GATS-Abkommen – das noch nicht entgültig abgeschlossen ist, und sogar noch schlimmer werden kann – deckt alle Dienstleistungs-Bereiche und die meisten Regierungsmaßnahmen ab, einschließlich Recht, Praxis, Regulierungen und Richtlinien, geschriebene und ungeschriebene. Keine staatliche Maßnahme, die den Handel von Dienstleistungen berührt, egal mit welchem Ziel, ob sie den Umwelt- oder Konsumentenschutz, allgemeine Versicherungen oder die Verbesserung von Arbeitsbedingungen betrifft, ist außerhalb des Zugriffs von GATS. Nichts Öffentliches ist sicher.
Im Wesentlichen verbietet die Vereinbarung sogar die “Diskriminierung” ausländischer Unternehmen, die sich anbieten, öffentliche Dienste zu leisten, - sogar wenn dieses Unternehmen eine schlechte Vorgeschichte im Umwelt- oder Sozialen Bereich ausweist.
Es ist bereits Übereinkunft darin erzielt worden, dass einige existierende WTO-Regelungen “flächendeckend” für alle öffentliche Dienste gelten sollen, egal ob die betreffenden Bereiche bereits innerhalb von GATS dezidiert aufgelistet sind, oder nicht. Eine solche “flächendeckende” Regelung ist die der “am meisten bevorzugten Nation”, die besagt, dass falls das Unternehmen aus einem anderen WTO Land innerhalb Deines Marktes operiert, , musst Du die Unternehmen aus allen Ländern der WTO einlassen. Diese Regelung wird für alle Dienste gelten, sogar auch für diejenigen, die in einigen Ländern noch geschützt sind, wie Gesundheitswesen und Erziehung. Gemäß dieser flächendeckenden Regel müssen in ähnlicher Weise alle Regulierungen eines gegebenen Bereiches, einschließlich der Sozialdienste, “am wenigsten handelsrestriktiv” sein – das heißt in Englischer Sprache abgefasst sein. Alle öffentlichen Dienste – sogar die Sozialhilfe – sollen sich den Marktmechanismen unterwerfen.
Die Anhänger von GATS behaupten, dass ihre Gegner hysterisch sind. Es gibt nichts, worüber man beunruhigt sein müsse. Sie verweisen auf die “Ausnahme” innerhalb GATS, die für einige öffentliche Dienste gilt, die von den Regierungen bereit gestellt werden.
Einige Länder, so werden sie betonen, haben bereits Ausnahmen beantragt für ihre öffentlich finanzierten sozialen Sicherheitsprogramme. Aber dies ist nicht so einfach, wie es scheint. Damit eine Dienstleistung gemäß GATS Paragraph 1.3C als unter Regierungsautorität stehend anerkannt werden kann, muss sie “vollkommen unentgeltlich” zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, dass die in Frage stehende Dienstleistung vollkommen von staatlicher Seite finanziert sein muss, und keine kommerziellen Zwecke haben darf. Da fast kein Dienstleistungsbereich vollkommen unentgeltlich ist, ist diese Ausnahme weitgehend bedeutungslos. 

Was mit GATS beabsichtigt ist.
In seinem neuen Buch: “GATS. Wie die neuen Dienstleistungsverhandlungen der WTO die Demokratie bedrohen” beschreibt der Kanadische Forscher Scott Sinclair die drei Prioritäten der laufenden Verhandlungsrunde. Als erstes werden die GATS Bevollmächtigten versuchen, Unternehmenszugänge zu heimischen Märkten zu erweitern. Regierungen werden unter großen Druck geraten, mehr ihrer Dienstleistungen aufzulisten und weniger herauszulassen.
Das wirkungsvollste Druckmittel wird darin bestehen, die “nationale Behandlung” flächendeckend angewendet zu sehen.  Nationale Behandlung ist ein fundamentaler Glaubenssatz des freien Handels; er verbietet Regierungen ihre heimischen Dienstleistungen gegenüber ausländischen Unternehmen zu bevorzugen. Schon jetzt wird die Nationale Behandlung bei verschiedenen Dienstleistungen innerhalb GATS angewendet; und das Ziel ist, dessen allgemeine Anwendung. 
Darüber hinaus werden die mächtigen westlichen Länder auf noch weiteren verbindlichen Marktzugangsbestimmungen bestehen, und die “Entwicklungsländer” unter Druck setzen, unwiderruflichen Zugang zu ihren Märkten zu garantieren und demokratische Regierungsvollmacht zurückzunehmen. 
Zweitens werden die GATS-Bevollmächtigten versuchen, einheimischen Regulierungen strenge Beschränkungen aufzuerlegen, und dadurch die staatlichen Möglichkeiten begrenzen, Umwelt- Gesundheits- und andere Standards , die den freien Handel behindern, einzuführen. Artikel VI: 4 fordert die Entwicklung aller “nötigen Disziplinarmaßnahmen”, um sicherzustellen, dass “Maßnahmen bezüglich Qualifikationsvoraussetzungen und Verfahrensweisen, technischen Standards und Lizenzvergaben nicht unnötige Handelsbarrieren darstellen”. Übersetzt: Kommt bloß nicht mit Euren nervtötenden nationalen Standards ausländischen Unternehmensinteressen in die Quere. Auch diese Bestimmung würde flächendeckend gelten. Die Regierungen würden gezwungen werden nachzuweisen, dass ihre Regulierungen, Standards und Gesetze “notwendig” sind, um WTO sanktionierte Ziele zu erreichen, und dass eine weniger handelsrestriktive Handelsalternative nicht zur Verfügung stand. 
Drittens. Die neuen Gespräche zielen darauf ab, neue GATS Regelungen und Beschränkungen zu entwickeln, mit dem Zweck, den Einsatz staatlicher Subventionen weiter zu beschränken, wie es im öffentlichen Dienst, im städtischen Bereich sowie in den sozialen Programmen geschieht. Eine besonders bedrohliche Entwicklung ist die Forderung nach Ausweitung der harmlos klingenden “Kommerziellen Präsenz”-Regeln. Kommerzielle Präsenz erlaubt einem “Investoren”, der sich in einem GATS Land niedergelassen hat, sich auch in jedem anderen GATS Land niederzulassen, und nicht nur gegen einheimische Anbieter um Aufträge zu konkurrieren, sondern auch gegen einheimische öffentlich finanzierte Institutionen und Dienstleister um die Vergabe öffentlicher Gelder. Zusammengenommen werden diese Vorschläge die Autorität der WTO im Tagesgeschäft der Regierungen ungeheuer ausweiten. Sie werden die Ausübung demokratischer Kontrolle über die Zukunft elementarer öffentlicher Dienste so gut wie unmöglich machen

Wie GATS uns betreffen wird
Jeder einzelne Aspekt des öffentlichen Lebens wird von GATS betroffen werden. Als Ergebnis der globalen Ökonomisierung, durchläuft schon jetzt jedes Land auf der Welt einen fundamentalen Transformationsprozess. Der Reichtum schwimmt an die Spitze, während ein wachsender ökonomischer Abgrund diejenigen, die von dem System profitieren, von einer immer sich vergrößernden Unterklasse trennt. Um das sicherzustellen, was der amerikanische Erziehungsautor Jonathan Kozol in “Das Überleben der Kinder der Stärksten” nennt, wird ein gestuftes Erziehungssystem und soziales Sicherheitssystem die Norm überall auf der Welt werden, während wir kollektiv einen Traum allgemeiner Rechte aufgeben. Wir schaffen Topschulen und Gesundheitsversorgungssysteme für die Elite der Welt und ein gestuftes System - oder überhaupt kein System – für diejenigen, die nicht mehr zählen.
GATS dient dieser unternehmens- und profitgetriebenen Vision der Gesellschaft. Es ist, in nüchternen Worten ausgedrückt, wichtig zu verstehen, was auf dem Spiel steht. Unter dem vorgeschlagenen GATS-Regime werden ausländische Gesundheits- und Erziehungs-Unternehmen das Recht haben, sich in jedem WTO Land niederzulassen. Sie werden das Recht haben, mit öffentlichen Institutionen, wie Krankenhäusern und Schulen, um die Vergabe von öffentlichen Geldern zu konkurrieren. Standards für Mitarbeiter im Gesundheits- und Erziehungswesen werden den WTO Regelungen unterworfen sein, um sicherzustellen, dass sie nicht eine “Behinderung des Handels” werden. Abschlusserteilende Autorität wird an ausländisch gestützte Erziehungsunternehmen vergeben werden. Ausländisch gestützte Telemedizin wird legal werden. Und die Länder werden nicht in der Lage sein, den grenzüberschreitenden Wettbewerb zwischen Niedriglohn-Mitarbeitern im Gesundheits- und Erziehungswesen zu verhindern. Schon jetzt hat die WTO-Dienstleistungsabteilung ein privates Unternehmen angestellt, genannt die Globale Allianz für Transnationale Erziehung, um weltweit Praktiken zu dokumentieren, die “ ausländische Erziehungsversorger diskriminieren”. Die Ergebnisse dieser “Studie” werden benutzt werden, um die Länder unter Druck zu setzen, die noch einen öffentlichen Erziehungssektor aufrechterhalten, um diesen zu Gunsten des globalen Marktes aufzugeben. Beunruhigenderweise beinhaltet GATS auch die Autorität über “Umweltschutzdienstleistungen” und den Schutz natürlicher Ressourcen. Unsere Parks und unsere Tierwelt, unsere Flusssysteme und Wälder werden alle zu Wettbewerbsgebieten, wenn globale transnationale “Umweltschutzdienstleistungs”- Unternehmen das Wettbewerbsmodell für ihr “Management” fordern. Profithungrige Kinderbetreuungsketten werden in jedes Land eindringen, genauso wie Gefängnisketten wie Wackenhut mit seinem Ruf für Gewalt und Missbrauch gegen sowohl Gefangene wie auch Mitarbeiter. Im wörtlichen Sinne unbegrenzter Zugang müsste ausländischen Versorgern gegeben werden im Bereich kommunaler Verträge für Straßenbau, Kläranlagen, Müllverwertung, Sanitäres, Tourismus und Wasserversorgung. 
Einfach ausgedrückt wird das “Gemeinwesen” – oder das was davon noch übrig ist – unter vollen Beschuss geraten, wenn GATS durchgeführt wird. Was bisher Bereiche gemeinsamer Erbschaft waren, wie, Samen und Gene, Luft und Wasser, Kulturelles Erbe, Gesundheits-Versorgung und Erziehung, werden vorgeschlagen, um sie zu Waren zu machen, zu privatisieren, zu verkaufen an den höchsten Bieter auf dem freien Markt. Länder wie Kanada und Frankreich, die ein nationales, frei zugängliches Gesundheitswesen und Erziehungssystem haben und genießen, werden diese verlieren. Länder wie GB und Chile, die einmal allgemeine soziale Programme hatten, oder die US, die niemals ein öffentliches Gesundheitssystem besaßen, werden in der Zukunft den Zugang zu einem öffentlichen Modell verschlossen finden, genauso Länder wie Indien und Südafrika, die gegenwärtig darum kämpfen, solche Rechte für ihre Bevölkerungen zu sichern.
Das letzte Ende dieser Übung ist vielleicht am besten zusammengefasst durch einen Top-US-WTO- Bevollmächtigten, der unverfroren über den GATS/WTO Prozess sagte: “Er wird nicht zu Ende sein, bevor Ausländer endlich beginnen zu denken wie Amerikaner, zu handeln wie Amerikaner und – am wichtigsten – einzukaufen wie Amerikaner”.
 

Was kann getan werden?
Wenn GATS besiegt werden will, ist wirklich keine Zeit zu verlieren. Die Welt muss aufwachen - und zwar schnell - dafür, was hinter ihrem Rücken getan werden kann. Wir brauchen dringend eine internationale Bewegung der Art, die zusammenkam um das Multilaterale Agreement on Investment (MAI) zu bekämpfen, und weitermachte um die Straßen von Seattle zu schließen. (Die Liste mit Gruppen und Individuen, die bereits gegen GATS arbeiten, siehe unten). Wir brauchen Forschung zu jedem Aspekt über GATS in jedem Land, und wir müssen das untereinander aufteilen. Wir müssen gemeinsam Fronten in jedem Land aufbauen, in denen Menschen aus allen Hauptbereichen repräsentiert sind – Erzieher und Lehrer, Arbeiter im Gesundheitswesen und Anwälte, Gewerkschaften aus dem Bereich des öffentlichen Sektors, Umweltschützer, Landwirte, Schriftsteller und Künstler, einheimische Menschen und andere. Wir brauchen Solidarität, Zusammenarbeit und Geschwindigkeit. Wir brauchen GATS-freie Zonen an den Universitäten, Hochschulgeländen, Kirchen und lokalen Gemeindezentren. Wir müssen zu unseren lokalen Regierungen gehen und lokale Resolutionen gegen GATS vorlegen. Wir müssen Briefe an unsere Regierungen und lokalen Zeitungen und alternativen Medienveröffentlichungen schreiben. Einfach gesagt: Wir müssen GATS zu einem Wort machen, das in jedem Haushalt bekannt ist, und zwar nicht als ein schönes. Gegner von GATS und der hinter ihr stehenden Anschauung sollten drei fundamentale Forderungen vertreten. Erstens, wir müssen ein absolutes Stopp der GATS Verhandlungen und der drakonischen Bestimmungen der gegenwärtigen Vereinbarung fordern, z.B der Angriff auf die inländischen Regulierungen. Es ist absolut unakzeptabel, dass unsere Regierungen sich hinter verschlossenen Türen treffen, um unserer Rechte zum Wohle ihrer gemeinsamen Freunde zu beschneiden. Das muss sofort gestoppt werden, während wir eine Bilanz ziehen der Situation und diese öffentlich machen. Im Wesentlichen sollten wir fordern, dass “alles das, was das Gemeinwesen betrifft” überhaupt aus den freien Handelsvereinbarungen herausgenommen wird.
Zweitens brauchen wir stahlharte Garantien von unseren Regierungen, dass keine künftigen GATS Vereinbarungen Regierungen davon abhalten können, ihre Bürger mit guten öffentlichen Dienstleitungen zu versorgen. Darüber hinaus brauchen wir ein GATS, das sich darum bemühen wird, diese nationalen Programme durch das Völkerrecht zu stärken und ihre Entwicklung über die ganze Welt hin zu ermutigen. Schließlich müssen wir auf eine wirklich öffentliche Beteiligung an den Regeln, die den internationalen Handel bestimmen, hinarbeiten. Da wir wissen, dass unsere Regierungen nicht auf uns hören werden, nur weil wir gute Argumente haben, sondern erst, wenn wir politische Muskeln haben, müssen wir uns darum bemühen, eine globale Demokratie zu schaffen, in denen die Regierungen ihren Bürgern dienen werden und ihr Engagement für Menschenrecht und ökologische Gestaltung würdigen. Wir dürfen nicht still an der Seite sitzen und zusehen wie diese Rechte wegverhandelt werden. Die Völker der Welt haben nein gesagt zum MAI. Eine steigende Anzahl von Menschen hat nein gesagt zu den Millenniumsverhandlungen der WTO. Wir müssen nein sagen zu GATS. Und wir müssen gehört werden. Es gibt wirklich keine Alternative.
 

Maude Barlow ist im Vorstandsvorsitzende des “Council of Canadians” und eine Bürgerrechts-Kämpferin. Sie ist Autorin mehrerer Bücher, einschließlich “MAI: The Multilateral Agreement on Investment” und “The Threat to Canadian Sovereignty”, mit Tony Clarke. Ihre Autobiographie “The Fight of My Life: Confessions of an Unrepentant Canadian”, wurde 1998 veröffentlicht

 

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Stopp GATS - Sieben Gründe gegen das GATS

1. Falscher Ansatz

Ein UNO-würdiger Ansatz für eine globale Politik zum Thema Dienstleistungen müsste lauten: „Wie können alle Menschen mit essentiellen Dienstleistungen wie Trinkwasser, Gesundheit, Bildung, Alterssicherheit,
Energie, Post, Telefon und Internet versorgt werden?" Das Ziel dahinter wäre Armutsbekämpfung, Herstellung von Chancengleichheit, Einlösung von Menschenrechten. Die Mittel dazu wären Schuldenstreichung der armen Länder, Tobinsteuer, Erhöhung der Entwicklungshilfe auf die versprochenen 0,7 Prozent, zinsenfreie Kredite für Investitionen in die Daseinsvorsorge.

Der (neokoloniale) GATS-Ansatz lautet hingegen: Wie kann ich „meinen" Konzernen (des jeweiligen WTO-Mitglieds) neue Absatzmärkte (im Süden) und neue Profitsektoren (in der öffentlichen Daseinsvorsorge) erschließen.

 2. Angriff auf die Demokratie

Im GATS sind gleich mehrere Prinzipien enthalten, welche den politischen Gestaltungsspielraum von Gemeinden, Ländern und Parlamenten drastisch einschränken.

Die zwingende Gleichbehandlung von lokalen und ausländischen Anbietern (Prinzip der „Inländerbehandlung") macht Regionalpolitik oder die Förderung von Nahversorgung unmöglich.

Die zwingende Gleichbehandlung von armen und reichen Ländern („Meistbegünstigung") – z. B. Ghana und USA – macht entwicklungspolitische Zielsetzungen zunichte.

In denjenigen Sektoren, in denen Verpflichtungen eingegangen wurden, dürfen Gesetze, Verordnung und Normen nur noch dann erlassen werden, wenn sie

„objektiv und transparent" sind und den freien Dienstleistungshandel „nicht mehr als nötig" beschränken. Andernfalls können diese Regulierungen vor dem WTO-Gericht geklagt werden. Die Nichtbehinderung des Freihandels wird somit zum übergeordneten Verfassungsprinzip, dem sich die gesamte nationale Gesetzgebung unterordnen muss. Ein veritabler Sachzwang wird geschaffen. WTO-Recht steht über nationalem Recht. Bundesrechte sind damit nachrangig.

 3. Daseinsvorsorge in Gefahr

Ziel des GATS ist es, langfristig alle Dienstleistungssektoren (bis auf den Luftverkehr) zu liberalisieren. Erschreckenderweise gilt dies auch für den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge: Gesundheit, Pensionen, Bildung, Wasserversorgung, Post, Strom, Telekommunikation, Öffentlicher Verkehr. Fast alle Erfahrungen mit der Liberalisierung/Privatisierung der Daseinsvorsorge zeigen jedoch, dass die Preise und Tarife steigen, dass ein zunehmender Teil der Bevölkerung von der Versorgung ausgeschlossen wird, dass die Versorgungsqualität abnimmt, dass die Verfolgung politischer Ziele wie Umweltschutz, Chancengleichheit oder Regionalförderung zugunsten des ausschließlichen Ziels des maximalen Profits aufgegeben wird und dass sich die Arbeitsbedingungen in den liberalisierten Bereichen dramatisch verschlechtern. Im Bereich der Daseinsvorsorge sind öffentliche Systeme billiger, sozial gerechter und demokratischer. Hier haben der Markt und globaler Konzernhandel nichts zu suchen.

 4. GATS verschlechtert weltweit die Situation der Frauen

Frauen sind im Dienstleistungssektor besonders stark vertreten und von der globalen Verschärfung der Konkurrenz und der damit einhergehenden Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen und der Maximierung des Shareholder Value umso mehr betroffen.

Wenn öffentliche Bereiche privatisiert werden, ist es aus mit der Gleichbehandlung, und die Lohnschere zwischen Männern und Frauen öffnet sich.

Und wenn Sozialsysteme beschnitten und privatisiert werden, fallen soziale Aufgaben in den Schoß der Familie zurück: Alten-, Kranken- und Kinderbetreuung wird üblicherweise – und unentgeltlich – von Frauen verrichtet.

 5. GATS vertieft die Nord-Süd-Kluft

Nicht kambodschanische Finanz-, Computer- und Telekomkonzerne drängen auf den EU- und US-Markt, sondern umgekehrt. Das GATS ebnet den Weg für eine neue Kolonialisierungswelle. Westliche Konzerne werden sich die Märkte in den armen Ländern aufteilen, bevor diese in der Lage sind, eigene Dienstleistungssektoren aufzubauen. Die große Mehrheit der Menschen wird damit in die Abhängigkeit der Global Players getrieben.

Die Entwicklungsländer wollten keine neuen Liberalisierungsrunden innerhalb der WTO, sie wurden von den Industrieländern aber zum Teil mit Drohungen und Erpressungen (Streichung der Entwicklungshilfe) k.o.-verhandelt. Die EU verlangt von den meisten Entwicklungsländern die Öffnung des gesamten Energiesektors, des Telekom- und Finanzsektors, des Personentransports, des Postwesens, des Tourismus, der Umweltdienstleistungen und der Wasserversorgung. Die bekannte indische Nichtregierungsorganisation Equations bezeichnet diese Forderungen als „frontale Attacke gegen die indische Verfassung".

 6. GATS ist unvereinbar mit nachhaltiger Entwicklung

Die WTO ist nicht Teil des UN-Systems und nimmt in ihren Verträgen keine Rücksicht auf „handelsfremde" Politikfelder wie Umweltschutz oder Arbeitsrecht. Die GATS-Verhandlungen sind weder mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) noch mit Interregierungsorganisationen (IGOs) wie dem Umwelt- oder dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNEP, UNDP) oder der Weltgesundheitsorganisation abgestimmt. Der Ansatz ist Freihandel pur.

Folglich werden bedenkenlos hochproblematische Dienstleistungen der Liberalisierung preisgegeben: Müllverbrennung, Ölförderung, Pipelinebau, Abfallbehandlung, Abwasserentsorgung u. a. „Umweltschutz" findet nur am Ende der Verschmutzungskette statt („end of the pipe"), wodurch eine Vermeidung der verschmutzenden Aktivitäten verhindert wird.

Die einseitige Liberalisierung z. B. des Strommarktes ohne gleichzeitige ökologische, soziale und kartellrechtliche Flankierung – Grundgebührbefreiung für sozial Schwache, progressives Tarifmodell, verpflichtender Mindestanteil und kostendeckende Einspeisetarife für Ökostrom, strenge Fusionskontrolle – widerspricht zutiefst einer nachhaltigen Entwicklung.

Die oben beschriebene Knebelung der Demokratie – Umweltschutzgesetze dürfen nur dann erlassen werden, wenn sie den Freihandel mit Dienstleistungen

nicht mehr als nötig behindern –, stellt einen inakzeptablen Stolperstein für nachhaltige Entwicklung dar.

 7. Geheimverhandlungen

Es ist für eine Demokratie unverzeihlich, dass so weitreichende globale Wirtschaftsverhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Parlamentspräsident Heinz Fischer wusste vom GATS bis Mitte September 2002 nichts. In den Aussendungen der Austria Presse Agentur (APA) kam das Wort  „GATS" von September 2001 bis September 2002 gezählte 11mal vor. (Das Wort „Hollywood" 1209mal.) Auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums finden sich bis heute weder die Forderungen noch die Angebote Österreichs. Es ist eine Mindestanforderung an die Demokratie, globale Wirtschaftsverträge öffentlich zu verhandeln und im Zweifelsfall einer Volksabstimmung zu unterziehen.

 Stopp Gats-Kampagne, c/o GdE, Margaretenstr. 166, 1050 Wien, www. stoppgats.at, gats@attac-austria.org

 

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Gegen die Privatisierung von Wasser
Immer schneller und häufiger verkaufen unsere Politiker öffentliches Eigentum, öffentliche Güter, Elektrizitätswerke, Krankenhäuser, öffentlichen Nahverkehr und vor allem eines: das Trinkwasser! Damit wollen sie in gewisser Ausweglosigkeit durch den Verkauf der "Daseinsvorsorge" noch einmal Kasse machen, um den Haushalt aufzupäppeln. Das geht aber nur einmal! Gleichzeitig verlieren die Bürger zunehmend demokratische Einflussmöglichkeit; eine Erosion der Demokratie hat begonnen. Wir steuern einem Ausverkauf unseres Staates entgegen, an globale Konzerne, die dem Profit verpflichtet sind und letztlich faktisch das Sagen haben. Wenn alles verkauft ist, haben die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr viel zu melden.

Im Falle der Trinkwasserversorgung kann der Ausverkauf besonders bedrohlich sein: Wasser ist Leben, Leben ist Wasser, und es ist unmöglich, ohne Wasser zu leben. Deshalb machen wir uns in höchstem Maße erpressbar, wenn wir unser Wasser verkaufen. Wir müssen letztlich JEDEN Preis bezahlen, um Trinkwasser zu bekommen! Unsere Gesetze, Grundgesetz, Gemeindeordnung und auch der europäische Grundlagenvertrag, legen die Daseinsvorsorge -und damit auch das Wasser- in die Hände der Kommunen. Aus gutem Grunde: die Lebensgrundlagen können und dürfen nicht verkauft, sie dürfen nicht zum Spekulationsobjekt werden. Doch diese Gesetze werden missachtet.

Das sogenannte GATS-Abkommen (Handel mit öffentlichen Dienstleistungen) verschärft all dies noch, indem es auch den Handel mit der Daseinsvorsorge weltweit völkerrechtlich bindend festschreiben will!!

Die Verhandlungen finden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, also hinter verschlossenen Türen. Das GATS-Abkommen soll bis 2005 weltweit bindend Gültigkeit erlangen und würde sich, im Falle des Inkrafttretens, über alle anderen Gesetze und internationale Abkommen stellen. So könnten z.B. Umweltabkommen und Menschenrechte zu Makulatur werden. Die Unterschrift eines Landes unter das GATS-Abkommen ist bindend. Es würde den Ausverkauf öffentlicher Güter auf unabsehbare Zeit festschreiben. Wesentliche Lebensbereiche, Schule, Gesundheit, Soziales, wären dadurch von Profitmaximierung bestimmt. Dennoch halten unsere Regierungen den Steigbügel für eine schleichende "Machtübernahme" internationaler Konzerne. Dagegen steht unser Grundgesetz, welches festschreibt, dass die Bürgerschaft der Souverän ist und nicht etwa internationale Konzerne. Und es fordert uns auf, Angriffe auf die demokratische Verfassung abzuwehren.

Bürgerentscheide sind das stärkste demokratische Instrument der Bürgerinnen und Bürger, mit dem die Lebensbedingungen gestaltet werden können.
Daher stellt sich die brennende Frage: Wie können wir den Ausverkauf öffentlicher Güter wirkungsvoll stoppen? Inzwischen gibt es in allen Bundesländern die Möglichkeit, von kommunalen und landesweiten Bürgerentscheiden. Die formalen Voraussetzungen sind, je nach Bundesland, unterschiedlich. Bürgerentscheide haben in vielen Fällen zum Erfolg geführt. Sie wirken mobilisierend und ein wichtiges Thema kann so zum Stadtgespräch gemacht und ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht werden!

Nachfolgend einige Beispiele, die Mut machen:
In Ottobeuren in Bayern verhinderten die Bürger den Verkauf der kommunalen Wasserrechte. Zweidrittel der Wähler in Münster stimmten am 16. Juni 2001 gegen die Privatisierung der Stadtwerke. Im ersten landkreisweiten Bürgerentscheid Schleswig-Holsteins votierte in Nordfriesland eine satte Mehrheit für den Verbleib der vier Kreis-Krankenhäuser in öffentlicher Hand. In Zwickau und Hamburg unterschrieben jeweils über 20.000 Wähler gegen Klinik-Privatisierungen, in Landau wehrt sich Attac gegen den Verkauf der Müllabfuhr. Am 15. September stimmten die Aachener Bürgerinnen und Bürger über die Privatisierung des städtischen Wohnungsbaus ab. In der Stadt Kulmbach wurde ein Bürgerentscheid "Nix mit Abwassertricks" eingeleitet, mit dem Ziel, einen geplanten "Cross Boarder Leasing"-Vertrag zu verhindern. Die Stadt Kulmbach wollte die Kläranlage und die Abwasserleitung an eine US-Firma "vermieten" und mit diesem dubiosen Steuertrick Geld verdienen. Kurzum: bis heute haben in Deutschland 37 Bürgerentscheide zum Thema Wasser stattgefunden. Kein einziger Bürgerentscheid ist Pro-Privatisierung ausgegangen!! Lediglich ein Bürgerentscheid hatte eine Privatisierung zum Ziel ( Herrsching ) und ist damit klar gescheitert!

Nehmt diese Beispiele als Vorbild! Startet kommunale Bürgerentscheide!
Wichtig sind jetzt Bürgerentscheide, um:
- einen Wasserverkauf zu unterbinden ( wie steht es damit in Eurer Stadt? )
- bereits verkauftes Wasser zurückzufordern
- unsinnige Privatisierungen zu verhindern
- "Cross Boarder Leasing"-Verträge zu verhindern
- die Gemeinde zu verpflichten, sich mit allen rechtlichen Möglichkeiten gegen die Unterzeichnung von internationalen Verträgen (wie z.B.das GATS-Abkommen) durch die Bundesrepublik zu wehren, weil damit die kommunale Hoheit über die Lebensgrundlagen ohne Not aus der Hand gegeben würde.

Omnibus für Direkte Demokratie, Öschstr. 24, 87437 Kempten, Tel. 0831 - 57 07 689, Fax 0831 - 58 59 202, email: info@omnibus.org, web: www.omnibus.org und www.buergerbegehren.org
Mehr Demokratie e.V., Fritz-Berne-Str. 1, 81241 München, Tel. 089 ­ 82 11 774, Fax: 089 ­ 82 11 176, email: info@mehr-demokratie.de, web: www.mehr-demokratie.de sowie: www.buergerbegehren.de

NWWP (Netzwerk WeltWeite Projekte), email: info@nwwp.de, web: www.nwwp.org
Tel. 0711 ­ 46 00 632, Fax: 0711 ­ 48 74 69

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Eindrücke vom Freundeskreistreffen und der Mitgliederversammlung von Modell Wasserburg e V.

 Es war ein sehr intensives und eindrückliches Treffen. Ein großer Zeitraum der Mitgliederversammlung wurde den Berichten der Arbeit aus den Projekten unseres Vereins gewidmet.
Dieter Koschek berichtete zuerst von den über 60 Veranstaltungen der Kultur- und Begegnungsstätte Eulenspiegel. Die Rundgespräche mit und ohne Thema im wöchentlichen Rhythmus sind dabei wesentlich. Anton Kimpfler, Karl-Heinz-Dewitz, H.D. Meyer, Fried-Günther Hansen und Dieter Koschek gestalten die Rundgespräche, die offen für jedermensch sind. Zwei Prospekte zeugten davon, daß Seminare im Eulenspiegel sehr angenommen werden. Zwei eigene mit Anton Kimpfler und Ansgar Liebhardt, sowie mehrere Fremdtagungen belebten den Eulenspiegel. Es zeigt sich, dass Holzhaus, Saal und Gaststätte hier gut zusammenpassen. Dazu die Musik-, Theater-, Kinder- und Lyrikveranstaltungen, die eine lebendige Begegnungsstätte dokumentieren. Mehr als 1000 Menschen kommen dadurch nach Wasserburg.

(Bei Interesse senden wir gerne das Programm zu.)

 Die Projektwerkstatt –Büro für soziale Dreigliederung von Dieter Koschek zeigt die Vielfalt der Tätigkeiten unseres Vereins: Beratung von Gemeinschaftsuchenden und Projekten aller Art, von strukturellen Fragen bis zu Vernetzungszusammenhängen. Der jedermensch mit seinem Informationspool ist hier die Grundlage und der Angelpunkt für die Aktivitäten.

 Der jedermensch-Verlag wurde inhaltlich diskutiert, und es wurden wieder Schwerpunktthemen fixiert: Soziale Dreigliederung und die Bewegung um die weltweiten Sozialforen, das Gesundheitswesen, Ökologie und Kommunikation werden Schwerpunkte der nächsten jedermenschen werden. Kritisch sei zu vermerken, dass der jedermensch seine Abozahlen halten muss, ansonsten müsse eine Konzeptänderung überlegt werden.

 Renate Brutschin und Nunzio Taranto berichteten von Case Caro Carrubo. Siehe die nächsten Seiten.

 Den Bericht der Betriebsgruppe Eulenspiegel prägte die prekäre wirtschaftliche Situation. Seit vier Monaten sanken die Umsätze bedrohlich und führten auch für den Verein Modell Wasserbug zu finanziellen Engpässen, da drei Pachtzahlungen gestundet werden mussten.

Es zeigte sich, dass die Gliederung Verein als Verpächter - Betriebsgruppe als Pächter richtig ist, doch macht das wirtschaftliche Ergebnis hier neue Überlegungen nötig. Dieter Koschek wird zum Ende des Jahres als Pächter ausscheiden. Brigitte Hoffmann – als Einzige der jetzigen Betriebsgruppe – erklärte sich bereit, den „Eulenspiegel“ weiterzuführen, wenn es ihr gelingt neue, motivierte MitarbeiterInnen dafür zu finden. Der Verein wird sie dabei nach Kräften unterstützen. Die dringliche Situation macht es aber nötig, dass auch die TeilnehmerInnen der Mitgliederversammlung und der Freundeskreis aktiv mitsuchen. Bitte nehmen Sie Kontakt mit uns auf, wenn Sie jemanden wissen oder bei Ihnen selber Interesse geweckt wurde.

 Da wir das Projekt Eulenspiegel als Kultur- und Begegnungsstätte mit der sozialen und wirtschaftlichen Innovation Biogaststätte als wesentlichen Bestandteil unserer Arbeit verstehen und erhalten wollen, hat die Mitgliederversammlung beschlossen einen Kredit selber aufzunehmen, um eine Zwischenfinanzierung zu sichern, die zum einen Bankzinsen spart und letztlich dem Verein den Rücken stärkt, denn wenn die Betriebsgruppe die Pacht nicht mehr zahlen kann, bricht auch die gemeinnützige Arbeit des Vereins ein. Diese kostet uns rund 20 000 € im Jahr.

 Drei Entwicklungen der letzten zwei Jahre machen die Kreditaufnahme notwendig:

haben wir wieder saniert: In der Gaststätte haben wir die Elektrik und den Fußboden erneuert. Das kostete insgesamt rund 20 000 €, die wir teilweise durch einen Versicherungsschaden und zum anderen durch die Pachteinnahmen zu finanzieren hatten.

haben wir eine Trennung zwischen Verein und Betriebsgruppe vorgenommen. Nach zwei Jahren ist deutlich geworden, dass für die Gaststätte selbst bei immer noch bescheidenen Löhnen von netto 650 € ein Verlust von etwa 10 000 € bilanziert wurde.

3.         selbst durch vom Betrieb geplante Umsatzsteigerungen und radikale Einschnitte in die Lohnstruktur, wird, bedingt durch die konjunkturelle Flaute seit November 2002 (Umsatzrückgänge von etwa 25 Prozent), auch im Jahr 2003 im besten Fall nichts übrigbleiben.

 Es gibt zwei Wege unsere Arbeit zu unterstützen:

 Spenden für die ideelle Arbeit des Vereins, kleine, große, einmalige und regelmäßige, auf das Konto 100212652 bei der Bodenseebank Wasserburg (BLZ 73369821), Spendenbescheinigungen werden ausgestellt).

 20 x 1000 € - Kredite, kleinere und größere, mit einer Laufzeit von bis zu 10 Jahren, zinslos oder zinsgünstig, um die wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu überstehen. Der Verein bürgt in jedem Fall für die Kredite. Bitte sprechen Sie uns an.

 Der neue Vorstand Heiko Brinkmann, Martin Rösing, Dieter Koschek und Fried-Günter Hansen wird sich mehr um die Geschicke des Hauses in Wasserburg kümmern und sich öfters treffen.

 Günter Edeler schlug ein Seminar oder eine Arbeitsgruppe vor, die die Veränderungen der letzten zehn Jahre des Projektes, die Bedeutung des Geistes der Dreigliederung und einen Blick auf andere Projekte beinhalten soll. Zusammen mit Dieter Koschek wird daran weiter gearbeitet.

 Bitte beachten Sie unsere dringende Bitte und denken Sie daran: auch die kleinste Hilfe (so z.B. auch Zeit- und Sachspenden) hilft uns über den finanziellen Engpaß hinweg.

Dieter Koschek

 

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Seminare im Eulenspiegel 2003

 Ordnungen der Liebe
Systemische Lösungen durch Familienaufstellung mit Hans-Peter Regele

10. – 11. Mai 2003         28. – 29. Juni 2003

19. – 20. Juli 2003          6. –7. September 2003

25. –26. Oktober 2003   6. – 7. Dez. 2003

Diese Seminare wenden sich an alle, die sich das System der eigenen Herkunfts- oder Gegenwartsfamilie anschauen möchten.

Seit uns Virgina Satir und Bert Hellinger mit ihrer Arbeit der Systemischen Familienaufstellung die Tür zur Kraft unserer Familie gezeigt haben, können wir in dieser Arbeit oft ganz erstaunliche Dinge wahrnehmen. Bei vielen Menschen sind diese Kraftquellen z.B. durch Widerstände den Eltern gegenüber verschüttet oder eingeschränkt.

Teilnahmebeitrag 170 € für aufstellende TN

                             85 € für beobachtende TN -

Abendseminare

12.3., 9.4., 14.5., 25.6., 16.7., 17.9., 15.10., 12.11.,10.12.

von 19.30 –22.30 Uhr

Neben den Wochenendseminaren findet einmal im Monat ein offenes Abendseminar statt. Dieses Seminar bietet die Möglichkeit, die Arbeit des Familienstellens einmal kennen zu lernen und ist als offene Gruppe gedacht.

Teilnahmebeitrag 20 € pro Abend

Anmeldung und Information:

Hans-Peter Regele, Dipl. Heilpädagoge und Heilpraktiker, Enzisweiler Str. 16, 88131 Lindau, fon 0049-(0)8382-275212, fax –275213email: Hans-Peter.Regele@t-online.de

 

Entdecke den Clown in dir

mit Elke Maria Riedmann
11. bis 13. Juli 2003

Mit was wir uns an diesem Wochenende „beschäftigen“:
Gefühle – Gefühle kennt jeder – kann sich jeder hinein-fühlen – in ein „Traurigsein“ – in ein „Fröhlichsein“ – in ein „Beleidigtsein“ oder „Gekränktsein“ – ein „Angsthaben“ – umso echter die Gefühle gespielt oder ausgedrückt werden, ... umso schöner ist die Figur, der Clown ... sich blamieren ... kann man üben und lernen bis es Spass macht. Schwächen zeigen ... mit einer reifen Ehrlichkeit.

„So dumm bin ich“ und mit „Mut zur Hässlichkeit“ ... (was zum Beispiel Kleidung betrifft)...Stärken übertreiben...bis ins Lächerliche.Bevor wir aber zu diesen – clownesken – Schwerpunkten kommen, gibt es viel Bewegungs-, Kommunikations- und Kennenlernspiele.Elke Maria Riedmann hat die Theaterschule von Jacques Lecoq in Paris absolviert, sowie bei Desmond Jones in London und bei Dimitri im Tessin gelernt. Sie arbeitet als Clinik-Clown und als Schauspielerin.

Mitzubringen sind:
Bequeme Kleidung, die viel Bewegung zulässt, zu grosse und zu kleine Strassenkleider, normale bzw. schräge Kleidung, die nicht zusammenpasst, die auf der Strasse auffallen würde. Accessoires: Taschen, Schuhe, Hüte, Brillen (keine Sonnenbrillen).Teilnahmebeitrag: 100 €
Veranstalter, Anmeldung und Information: Elke Maria Riedmann, Rohrmoos 55 A-6850 Dornbirn, fonfax 0043-(0)5572-386555email: riedmann.koschek@aon.at

 Clownskurs mit Andreas Weisser

7.-9. November 2003

Clownerie ist das staunende Suchen nach der roten Nase. In Unfällen und Fehlern, im Ringen um Leben und Tod, schlägt der Clown mit seiner Intelligenz Brücken zum Unerwarteten. Der Zufall gibt ihm die Erlaubnis. Tölpelhaft und vogelfrei stolpert der dumme August ins Rampenlicht. Im praktischen Spiel improvisiert er allein, zu zweit und in der Gruppe mit und ohne Requisite. In der Einfachheit fängt er die Szenen ein. Geschichten aus dem Leben.
Die Technik mit der ich arbeite entspringt aus der Theaterarbeit von Grotowski und des Improvisa­tionstheaters. Körperwahrnehmung und Entspan­nungsan­gebote bereiten uns auf eine spielerische Aus­einandersetzung mit unseren Rollen vor. Weitere Sinnesübungen, wie das Spüren – Horchen und Beobachten, helfen uns mehr Raum und Flexi­bilität in unsere Rollen zu legen.
Meine Absicht ist die Spieler dabei zu unterstützen, in einer entspannten Atmosphäre, ihrer Kreativität nahe zu kommen.
Ich bin Clown, Counsellor, und Ergotherapeut.
Am Theaterinstitut Albatross absolvierte ich die Clownsschule. Es schlossen sich verschiedene Schauspielpro­jekte an: Kindertheater Lakritze, Improvisationen auf der Straße, als Mitspieler bei der freien Theatergruppe Panoptikum, und bei Clownsauf­führungen.
Heute arbeite ich freiberuflich als Dozent an Ergotherapieschulen, als Trainer beim Kinderzirkus Moskito Ravensburg, als Clown Gagari, und leite Workshops zum Thema Clownerie und Theater.
Teilnahmegebühr: 140 €
Anmeldung und Information: Andreas Weisser ,Unterlangnau 2, 88069 Tettnang, Tel. 07543 / 9529155, E-Mail: A.Weisser.Art@gmx.de

 

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Nachrichten aus  Case Caro Carrubo

Wir drucken nachfolgend den Jahresrundbrief in gekürzter Form. Bei Interesse schicken wir den Brief mit seinem vollen Inhalt gerne zu.

 Gedicht..........

 Das vorangestellte Gedicht und die Zeichnung stammen von einem Flugblatt, von dem wir nicht mehr wissen, wann es uns in die Hände kam, noch kennen wir den Poeten. Seit geraumer Zeit hat es seinen festen Platz auf unserem Stand bei verschiedensten Veranstaltungen. Es drückt für uns auf schlichte Weise aus, für was Case Caro Carrubo sich einsetzen möchte.  Wenn ich daran denke, dass sich zur Zeit hunderttausende  Soldaten wieder bereit machen, sich wieder die Uniform anziehen und das Gewehr umlegen, um in einen absurden Krieg zu ziehen, wünschte ich mir sehr viele Väter und Mütter, die diese Worte an ihre Kinder richten.

 Was war für uns im Grossen wie im Kleinen das Schönste des vergangenen Jahres, was das Bedrückendste? Wir stellten uns diese Frage, als wir, das heisst Elvi, Nunzio und ich, uns am Jahresende zusammensetzten, um auf das Jahr zurückzublicken. Eines der bedrückendsten Geschehnisse „im Grossen“, ja, das ist die herrschende, kaltblütige Kriegstreiberei, dieser schon vor einem Jahr geplante Krieg und die Zustimmung oder das Stillhalten so vieler Regierungen. Wie offen kann sich heute blanke Machtgier zeigen. Fast unwidersprochen. Doch nicht unwidersprochen von der Bevölkerung und das ist eines der erfreulich­sten, schönsten Geschehnisse des vergangenen Jahres. Es gibt eine neue Qualität in den sozialen Bewegungen und die heisst Toleranz bei gleichzeitiger Kräftebündelung, dort wo Übereinstimmung herrscht. Das bringt viele Menschen zusammen. Das gibt Hoffnung.

 Und „im Kleinen“: Was war in Case Caro Carrubo das schönste bzw. das bedrückendste Ereignis?

Eines der schönsten  fand im Sommer unter der riesigen Baumkuppel unseres „Hauspatrons“, des Johannisbrotbaumes, statt. Eine Taufe. Nunzio wurde Patenonkel von Crispin, dem jüngsten Kind meiner Freundin. Schön war, dass wir ein offenes Ohr bei der Kirche und einen sehr engagierten, jungen Pfarrer fanden, für den diese Haustaufe ... vielmehr „Gartentaufe“ auch die erste in seinem Dienst als Pfarrer war. Es war, als würde Case Caro Carrubo auch ein Stück mitgetauft werden.

 Eine zweite Freude bereitete uns Elvi. Nach einer längeren Reise kam sie zum Entschluss Case Caro Carrubo zu ihrem jetzigen Hauptaufgabenort zu machen.

 Einer der bedrückendsten Faktoren „im Kleinen“ ist unsere finanzielle Situation, die sich leider nicht stabilisieren will. Wir konnten letztes Jahr nicht viel neue Gäste willkommen heissen

Was läuft falsch? Wie weiter? Auch Anzeigen und der Internetanschluss erbrachten keine erkenntliche Verbesserung. So sind wir auf der Suche nach Alternativen. Was könnte ein zweites Standbein in Case Caro Carrubo werden? Ohne dass wir uns, wie momentan, um bezahlte Arbeit ausserhalb bewerben müssen.

Ein Ereignis im Herbst brachte uns auf eine schöne Idee: Biagio, ein Freund, sehr engagiert im sozialpolitischen Geschehen vor Ort, organisierte zusammen mit anderen Freunden für die Gemeinde ein mehrtägiges Fest gegen Fremdenfeindlichkeit. Er fragte uns, ob wir dafür den Essensstand übernehmen wollten. Mit dem ausdrücklichen Wunsch nach biologischer Vollwertkost. .... Ich hatte so meine Bedenken bei der Vorliebe der Sizilianer/innen für Pasta und Sugo. Doch weit gefehlt: Wir wurden jeden Tag ausverkauft und gelobt, wie gut es schmeckt. Begegnung und Gemeinschaft findet in Sizilien beim Essen statt: Schon früher wurden wir ab und zu von Freunden gebeten sie bei uns zu bewirten. Nach dem Erfolg im Herbst möchten wir dieses Angebot im wahrsten Sinne des Wortes „ausbauen“. Denn um Gäste wirklich gut bekochen und bewirten zu können, muss die bis jetzt provisorisch genützte Gemeinschaftsküche bzw. der Aufenthaltsraum fertig renoviert werden. Doch dazu sind rund 5000 Euro vonnöten. Wer könnte uns unter die Arme greifen?

 Ja, vieles gäbe es wieder vom  vergangenen Jahr zu berichten und deshalb nur fragmentarisch:

Da wäre  die Militärbasis zu nennen: Der Plan, sie zum zivilen Flughafen zu machen, wird immer konkreter. Jetzt, wo der Flughafen in Catania durch wochenlangen Ascheregen des Ätna immer wieder schliessen musste, erhoffen sich die Befürworter (und die gehen durch alle örtlichen Parteien) eine schnellere Verwirklichung. Wie Widerstand organisieren? Noch sind es sehr wenige, die Bedenken äussern.

Die Militärbasis als Seminarort für Gewaltfreiheit und zivilen Ungehorsam? ! ? Gleich dreimal wurde letztes Jahr das ehemals grösste Mittelstreckenraketenlager Europas zum Zentrum von Friedensaktivitäten. Der italienische Teil der Militärbasis wurde der Gemeinde von Comiso zur Verwaltung übergeben und diese Räumlichkeiten können nun öffentlich genutzt werden.

Im Juni passierte eine Fahrradstaffette aus dem italienischen Norden die noch immer stacheldrahtgeschützte und beschrankte Einfahrt zur Basis. Menschen aus dem Zusammenhang der verschiedenen sozialen Foren, die sich um und nach Genua gründeten.

Im August wurde die Basis gleich für eine ganze Woche „besetzt“: Ein Seminar für Jugendliche und junge Erwachsene zum Thema Gewaltfreiheit. Von Mexiko bis Palästina die Spannbreite und Referenden. Wir wurden gebeten über die Zeit des Widerstandes gegen die Atomraketen zu berichten und von „Verde Vigna“, dem Friedenscamp an der Militärbasis. Die gleichen Transparente, mit denen wir noch Ende der achtziger Jahre um die Militärbasis herumspazierten und die den wacheschiebenden Jeep sofort auf den Plan riefen, schmückten nun die ehemalige Soldatenmensa. Für uns ein ganz bewegender Moment. Genauso das Passieren der Einfahrt: Uns wurde für diese Woche die Eignerrolle übergeben – die Schlüssel waren in unseren Händen.

 Ein drittes bewegendes Ereignis fand im Zusammenhang des Festes gegen Fremdenfeindlichkeit statt: Eine der bekanntesten Rockgruppen aus der pazifistischen Bewegung Italiens gab ein Konzert in der Basis zugun-sten von Emergency, einer sehr bekannten nationalen Hilfsorganisation, die sich weltweit für Kriegsopfer und speziell gegen Landminen einsetzt. Und in der jetzigen Situation gegen einen Eintritt Italiens in einen Krieg gegen den Irak appelliert.

 Ein viel zu trockenes Jahr. Viel Wind, viel Sonne, kein Wasser. Der Natur konnte man das Entbehren sehr an-sehen. Dafür ist jetzt der Winter gut wasserreich und im Gegensatz zum letzten Jahr ist jetzt alles üppig grün.

 Ein Tropfsystem zum Bewässern der Bäume und des Gartens: Die Trockenheit forderte neue Überlegungen. Auch wenn es erst mal eine grössere Ausgabe und viel Arbeit war, ist es ein grosser Zugewinn. Soviel einfacher, sparsamer und effektiver können wir jetzt die Pflanzen mit Wasser versorgen.

 Dank Klaus, ein Freund der uns letztes Frühjahr besuchte und uns gute Anleitung für die Kompostpflege gab, sind wir nun viel ernsthafter dabei, uns in die biologisch-dynamische Arbeitsweise einzuarbeiten.

 „Gruppo Ambiente, Agricoltura, Salute Sicilia“ – seit neuestem hat die Arbeitsgruppe sogar einen Namen. Im Gegensatz zum örtlichen Coordinamento, das sich doch leider wieder aufgelöst hat, trifft sich der Arbeitskreis weiterhin, wie im letzten Rundbrief erwähnt, an verschiedenen Orten, rund alle zwei Monate. Viele neue Kontakte haben sich dadurch ergeben und es ist sogar ein konkretes Projekt daraus entstanden: Eine kleine Pastakooperative, als Start zum Ausbau einer Lebensmittelkooperative. Es ist schwierig hier in Sizilien gesunde Lebensmittel zu einem erschwinglichen Preis zu erhalten... Jetzt, wo der Biomarkt boomt, noch um so mehr. Getreide aus alten hiesigen Sorten, Wasser von der Quelle, eine Steinmühle und ein Pastahersteller, der sich unseren Bedingungen anpasste. Sachen, die einfach klingen, doch einen grossen Einsatz erforderten. Der normale Weg, auch einer Biopasta, führt über den ertragreicheren Anbau von modernen Einheitssorten, den Export gen Norden, um von dort als fertige Pasta wieder in den Ladenregalen zu erscheinen.           

 Die Bauarbeiten: Das Dach wurde erneuert, ein kleines Badezimmer für das Wohnhaus im Rohbau fertiggemacht, Abwasser- und Regenwasserleitungen verlegt. Das Wasser der meisten Dächer wird nun in der Zisterne gesammelt.

 Die nächsten Bauvorhaben: Wie schon erwähnt, ist die Fertigstellung der Gemeinschaftsküche wegen der Aussicht einer wirtschaftlichen Einnahme das dringlichste Vorhaben. Doch da sind noch zwei andere, nicht gelöste Probleme: Das eine betrifft die Nachfrage nach temporärer Mithilfe; eigentlich erfreulich. Doch der Wohnraum ist viel zu knapp. Elvi muss sich vorerst mit dem Wohnwagen zufrieden geben und wenn es nicht gerade eine Jahreszeit ist, in der gezeltet werden kann, stehen wir vor dem Fragezeichen, wie den Menschen Unterkunft bieten? Die Renovierung des dritten Hauses auf dem Grundstück wird dringend notwendig. Auch deswegen, da das Dach immer brüchiger wird. Das zweite Problem betrifft die Trennung der Gästeküche von der Privatküche. Es zeigte sich im Alltag, dass die gemeinsame Nutzung nur einer Küche verschiedene Probleme in sich birgt. Unser Angebot der gemeinsamen Versorgung entspricht nur einem Teil der Gäste. Und auch wir spüren, dass wir ab und zu die Möglichkeit haben müssen uns zurückziehen zu können. Um diesen Bedürfnissen mehr zu entsprechen, planen wir eine kleine, einfache Gästeküche. Vorhaben, die viel Zeit und Geld kosten und was wir letzteres eigentlich gar nicht haben. Was gibt es für Möglichkeiten? Vielleicht können wir mit Euch darüber ins Gespräch und auf neue Ideen kommen?

 Kleiner aktueller Zusatz:

Im Rundbrief hatten wir für Anfang März zum diesjährigen Sizilianischen Wochenende im Eulenspiegel in Wasserburg eingeladen. In der Gaststätte fanden unsere Speisekarte (dessen Menüs diesmal vom Ätna angehaucht waren) und unsere Produkte regen Anklang. Und auch die drei Abendveranstaltungen waren mit Interesse besucht. Freitagabend berichteten wir über die neuesten Entwicklungen und Pläne von Case Caro Carrubo. Samstagabend platzte der Saal dann fast aus den Nähten, als Filippo über das alltägliche Leben in unmittelbarer Nähe des Ätnas berichtete. Der Ätna ist im Italienischen weiblich und wenn die sizilianische Bevölkerung von ihm liebevoll von „Mutter Ätna“ spricht, wird daraus ihre Beziehung zum Berg ziemlich klar. Filippo ist von Kindheitsbeinen an mit dem Vulkan vertraut. Er lebt in Belpasso, einem kleinen Bergstädtchen kurz unterhalb der Lavafelder. Wir lernten uns durch die Teilnahme an einigen Biomärkten kennen. Sein Wissen über den Berg, die Pflanzenwelt, traditionelle Handwerkskunst und vieles mehr ist unerschöpflich. Es freute uns sehr, dass er sich sofort bereit erklärte, uns dieses Jahr zu begleiten, auch wenn es für ihn nicht einfach war, sich dafür freizumachen. Sein Elan und seine Begeisterungsfähigkeit sind einfach ansteckend. So auch an diesem Abend: Obwohl die Sprache als Barriere dazwischen war (ich dolmetschte), sprang der „Funke“ sofort über.

Am Sonntagabend beschlossen wir das Wochenende in der Gaststätte mit einer Improvisation italienischer und deutscher Friedengedichte und –poesien.

Ein ge- und erfülltes Wochenende. Viel Begegnung, neue Gesichter, viel Austausch und viel Freude darüber, auf wie viel Interesse unsere Arbeit stösst. Leider blieb in der Dichtheit der Begegnungen so manche nur gestreift... doch auch eine Umarmung oder ein Händedruck verbinden.

Wir möchten uns bei allen bedanken, die CaseCaroCarrubo nahe- und uns immer wieder mit Rat und Tat beiseite stehen. Somit GRAZIE TANTO und cari saluti dalla Sicilia von Elvi, Nunzio und mir

 Renate Brutschin

 Case Caro Carrubo, c/o Nunzio Taranto, Via Dei Platani 12, I – 97013 Comiso (RG), Sicilia Tel. 0039-339 3154580
e-mail: carocarrubo@tin.it, www.carocarrubo.org

 Spendenkonto: Modell Wasserburg e.V., Bodenseebank Wasserburg, BLZ 73369821, Konto-Nr.100212652, Stichwort „Caro Carrubo“

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PETER SCHILINSKI

(23.9.1916 Berlin – 24.12.1992 Wasserburg/Bodensee) 

Meine Gedanken und Gefühle waren in den 12 heiligen Rauhnächten deutlich mit ihm beschäftigt, und deshalb möchte ich etwas von ihm erzählen. Sicher liegt es auch daran, daß wir kurz vor Weihnachten im „Eulen-spiegel“ in Wasserburg seines 10-jährigen Todestages gedachten, im ganz kleinen Kreis. Es waren – glaube ich – gerade mal fünf Freunde gekommen. Aber egal. Unsere Gespräche und Beiträge riefen mir Peter wieder lebendig in Erinnerung: Er, der gehbehinderte Feuerkopf, der mit einer unglaublichen Treue für den Impuls der Dreigliederung des sozialen Organismus (R. Steiner) die Fackel trug und das in einer Zeit (nach dem Zweiten Weltkrieg), als man an einer Hand abzählen konnte, wer noch damit lebte und arbeitete. Ich muß es ganz deutlich aussprechen, damit man auch die Dramatik bemerkt, die damit verbunden ist: Schilinski trug diese Flamme – und das fast allein – in einer Zeit, in der die allermeisten etwas ganz anderes im Sinn hatten, nämlich den Krieg und die Nazigreuel zu vergessen und sich um den persönlichen Aufstieg und Wohlstand kümmerten.

Was tat Peter? Er trampte zwischen 1945 und 1952 (1950 wurde ich gerade mal geboren) durch die BRD auf der größtenteils vergeblichen Suche nach Menschen, die sich aktiv mit der Dreigliederung auseinandersetzen.

Was habe ich damit zu tun? Nun, ich erkannte um 1971/ 72 herum, daß genau dieser Impuls der Dreigliederung des sozialen Organismus mein Lebensimpuls sein würde, nachdem in den Zeiten des allgemeinen studentischen Protestes und danach vorwiegend marxistische Ideen „verhandelt“ wurden. Als ich Peter 1973 in Achberg kennenlernte, war er eigentlich für mich, den damals 22-jährigen, bereits Teilnehmer der „Opa“gene-ration. Heute bin ich fast schon genau so alt, wie er damals war.

Ich sehe ihn noch vor mir, als er am Morgen des ersten Tages (Sommerkongreß „Fünf Jahre Prager Frühling“) ans Rednerpult in der Achberghalle trat, um einen kurzen Nachruf zu sprechen für einen „alten Freund“, der am Abend zuvor auf der Dorfstraße (von einem Auto erfaßt) zu Tode gekommen war. Peter warf seine ganze Wärme und Menschlichkeit in die Waagschale und war so geistesgegenwärtig, diesem an sich schrecklichen Ereignis eine positive Richtung zu geben, dergestalt, daß er es gar als „geistiges Opfer“ für den neuen Aufbruch charakterisierte, über den er sich so riesig freute; denn es waren an die 500 Menschen zu diesem Jahreskongreß „Dritter Weg“ gekommen.

 Wie auch immer – trotz des anwärmenden Eindrucks hatte ich mich für Joseph Beuys’ Seminar „Kunst im Wirtschaftsbereich“ entschieden (worüber ich heute jedoch nicht berichten will, das ist bereits an anderer Stelle geschehen), aber Schilinski keineswegs aus den Augen verloren, vielmehr auch seine Seminare besucht und den Kontakt gesucht. Dabei stand für mich sein Dreigliederungsverständnis keineswegs im Vordergrund. Diesbezüglich habe ich von Schmundt vermutlich „mehr“ gelernt. Vielmehr verkörperte Peter eine Qualität, wie man sie gar bei anthroposophisch orientierten Menschen (oder auch anderen) nicht sehr häufig vorfindet: seine mitmenschliche Wärme und Fähigkeit zu emphatischer Anteilnahme. Diese Fähigkeit wurde noch verstärkt dadurch, daß er selbst in der größten Hitze und im Hochsommer eine Pelzmütze und oft auch eine Wolljacke trug: Wärmehaushalt! Er war darum bemüht, den Menschen, wie er eben war, anzunehmen und anzuerkennen. Eine Selbstverständlichkeit? Keineswegs. Gerade damals trugen einige Dreigliederungsaktivisten die Nase sehr hoch und umgaben sich mit Professoren und anderen Titeln. Ihnen war die Art von Schilinski ein Greuel. In ihren Augen umgab er sich mit Abschaum: Kommunisten, Anarchisten, Hippies, Alternative, denen schon damals ein entsprechender Klang und Geruch anhaftete.

 Was bleibt? Ohne Peter Schilinski hätten wir heute weder den „Omnibus für Direkte Demokratie in Deutschland“ noch „Mehr Demokratie“ noch sonst was. (Ich weiß sehr wohl, daß Ideen ganz einfach auch in der Zeit liegen und „nur“ gepflückt und aufgelesen werden müssen.) Zu dieser Behauptung versteige ich mich gerne; denn es war einzig und allein Peter Schilinski, der aus Steiners „Kernpunkten“ die Volksabstimmung herauslas, die dort zwar der Sache nach, aber nicht dem Wort nach darinnen steht. In Peters Worten: „Volksabstimmung über Grundrechte nach vorhergehender freier Information“. So gründete er bereits 1951 in Sylt eine Bürgerinitiative, den „Bund für Volksabstimmung über die Wiederbewaffnung“ der BRD. Er war es, der Steiners Ideen für seine Zeit neu übersetzte und verständlich machen wollte, so, daß sie jeder-Mann verstehen und einsehen konnte.

Joseph Beuys war seit den 60er Jahren Leser des „Jedermann“, der Zeitschrift von Peter. 1970 gründete er die ORGANISATION FÜR NICHTWÄHLER und ein Jahr später das „BÜRO FÜR DIREKTE DEMOKRATIE“ in Düsseldorf und 1972 in Kassel auf der documenta 5. Sein Dreigliederungsverständnis war bis 1973 ganz geprägt von der Schilinski’schen Leseart (vergleiche Rainer Rappmann (Hrsg.) „ DENKER, KÜNSTLER, REVOLUTIONÄRE, Beuys, Dutschke, Schilinski, Schmundt – Vier Leben für Freiheit , Demokratie und Sozialismus“).

Peter Schilinski wirkte – anders als Beuys und Dutschke – weniger in der Öffentlichkeit als vielmehr im Untergrund, zunächst in den 50er Jahren auf Sylt und später in den 60ern in Hamburg und Berlin (zunehmend auch im Rahmen der studentischen Proteste und im Kontakt mit Rudi Dutschke), ab den frühen 70ern in Achberg und dann ab 1976 in Wasserburg am Bodensee.  Man kann sagen, daß er den Willens- und Wärmepol geradezu verkörperte für einen Impuls, der schließlich heute mit der Direkten Demokratie auf Bundes- und Europaebene gelandet ist und jetzt für die Öffentlichkeit immer sichtbarer wird. (Gerade höre ich, daß die CSU in Wildbad Kreuth vorschlägt, die EU-Erweiterung über eine Volksabstimmung absegnen zu lassen! Wer würde dabei ahnen, daß Peter Schilinski dahinter steckt? Daß er dies tut, ist für mich außer Zweifel.)

Peter war – um einen Titel von Joseph Beuys abzuwandeln –  d i e  „Wärmepumpe am Arbeitsplatz“. Ihn kennt zwar heute kaum noch jemand. Aber was bedeutet das schon? Wir stehen (nicht nur) auf seinen Schultern, sondern auf den Schultern von (allesamt) Riesen, die im geschichtlichen Vorlauf wichtige Schritte getan haben. Das gab für mich die Motivationsgrundlage dafür ab, über solche Menschen, wie Peter Schilinski, die drohen in Vergessenheit zu geraten, einen Gedenkband zu publizieren.

Peter Schilinski hat nur gewirkt – und das will für mich sehr viel heißen – durch seine (Mit)-Menschlichkeit und durch sein jedem Scheingefecht abholdes Ringen.   Gerade sein cholerisches Temperament hat ihm das äußerst schwer gemacht. Immer wieder hat er sich zur Haltung „Zeige Deine Wunde“ durchgerungen und sich nackt und unbeschützt vor uns hingestellt, um zu sagen: Der Gaul ist mit mir durchgegangen. Entschuldigt! Ich arbeite daran. So bin ich nun einmal geformt. Politische Arbeit und persönliche Schulung waren ihm zwei Elemente, die ganz eng miteinander zusammenhängen und ineinander übergehen. Bei den Pädagogen kann man das noch einsehen. Aber bei Menschen, die dezidiert „politisch“ wirken wollen ... ?

 Kurz vor seinem Tod habe ich Peter noch einmal besucht, wohl genau in der Zeit als sich auch unter anderem Werner Kuhfuss bei ihm verabschiedete. Der berichtet in „Eine Botschaft“ (Anton Kimpfler (Hrsg.): „ GEISTIGES ÜBEN – MENSCHLICHES BEGEGNEN – SOZIALE PRAXIS, Peter Schilinski und sein Umfeld“ erschienen 1998/99 bei der anthroposophischen Friedensinitiative, Kiel) folgendes:

„Im Nachbild will er mir wie in Wolle und Wärme – es war außerordentlich geheizt in der kleine Stube – verpuppt erscheinen, äußerlich bewegungslos daliegend auf dem kargen Bett. Kerzenlicht tauchte alles in milde, gelbliche Ockertöne ... Wir kamen auf Günther Vogt zu sprechen in Schleswig, den alten Weggenossen für ihn aus der Nachkriegszeit und langjährigen Seemann und Eurythmisten. Damals, so sagte Peter mir, nahm er es diesem krumm, daß er die Kunst, nicht die politische Agitation gewählt hatte. Sag’ ihm, wenn ich heute wieder an diesem Punkt stünde, so würde ich auch die Kunst wählen und neu damit anfangen. Von ihr gehen die eigentlichen Wirkungen für die Zukunft aus  ...

Es ist vielleicht das zu sehen, daß also gerade im Unerlösten und Nichtgelungenen der Bewegungskeim der neuen, der zukünftigen Sozialen Kunst zu erspüren wäre: Wer unermüdlich und schmerzlich auch Glieder regt, die er noch gar nicht hat, dem werden sie gewiß einst tänzerisch wachsen.“

 Damit sind wir fast ungewollt bei der Sozialen Plastik und bei einem seiner wichtigsten Protagonisten gelandet: Joseph Beuys. Der sagte mir einmal in einen Gespräch über Achberg:

„Wenn man sagt, man hat in Achberg etwas anderes gesehen, dann muß man die ganze Geschichte noch mal zurückrepetieren ... (und) sagen: Wer hat es zuerst gemacht? Peter Schilinski ... Dann sieht man aber auch die wichtige Funktion von Peter Schilinski. (Solche Leute wie er) ... haben eigentlich den soliden Boden bereitet.“ Joseph Beuys 14.11.1975.

Ich danke Peter für das Tragen der Fackel und das „Schützen der Flamme“ (Joseph Beuys „ DANK AN WILHELM LEHMBRUCK“, Din A5 Heft,  Kopie, Duisburg 1986) damit es andere, jüngere weitertun können.

 Rainer Rappmann, 88239 Wangen/Allgäu , www.FIU-Verlag.com

 *) Rainer Rappmann (Hrsg.) „ DENKER, KÜNSTLER, REVOLUTIONÄRE, Beuys, Dutschke, Schilinski, Schmundt – Vier Leben für Freiheit , Demokratie und Sozialismus“, ein Buch, das kaum jemand kennt, zu dem ich immer noch als Verleger in den entscheidenden Grundlagen stehe. Preis: (noch) 23,- € * 41,30 CHFr. (in Bälde aber teurer).  Bestell-Nr. B 13

**) Anton Kimpfler (Hrsg.): „ GEISTIGES ÜBEN – MENSCHLICHES BEGEGNEN – SOZIALE PRAXIS, Peter Schilinski und sein Umfeld“ erschienen 1998/99 bei der anthroposoph. Friedensinitiative, Kiel (kann über den FIU-Versand bestellt werden, wie auch alle anderen Titel)

***) Joseph Beuys „ DANK AN WILHELM LEHMBRUCK“, Din A5 Heft,  Kopie, Duisburg 1986

 weitere Titel von und zu Peter Schilinski:

- Peter Schilinski: „MODELLE GESELLSCHAFTLICHER NEUORDNUNG AUF DER GRUNDLAGE VON FREIHEIT, DEMOKRATIE UND SOZIALISMUS“, Hrsg. Aktionsgruppen Dreigliederung in der Demokratischen Union, Hamburg 1970

- Modell Wasserburg e.V.(Hrsg.): „ WAHRHEIT UND LIEBE VERBINDEN, im Gedenken an Peter Schilinski“,  Wasserburg 1995

- Peter Schilinski: „ ZUR GESTALT DER SOZIALEN FRAGE“, Kommentare zu dem Buch „ Die Kernpunkte der sozialen Frage“ von Rudolf Steiner, Wasserburg 1995

vgl. auch www.jedermensch.net/Seite%202.htm. Dort findet sich unter „Ausgabe 625, Winter 2002“ der Versuch einer Biographie von Peter Schilinski sowie ein sehr schöner Nach- oder Rückruf v. Claus Boysen.

 Textfeld:

 

 

 

 

 Peter Schilinski als Seemann, gemalt von Marie-Luise Wilke 1986

 

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Euphorie und Ernüchterung   

 „Die größte Seifenblase aller Zeiten“ hieß die Überschrift. In dem Bericht im “Tages-Anzeiger“ (Zürich) war anschließend von 6 Billionen Euro zu lesen, welche sich in 18 Monaten „in Luft aufgelöst“ haben. Vom Internet ist natürlich die Rede, von der weltweit vernetzten Computertechnik.

Was durch massenweise Aktienbeteiligung zum „Neuen Markt“ wurde, begann vielfach in kleinsten Verhältnissen. Junge Leute, die in der Regel schon anfänglich mit solcher Technik aufgewachsen waren, entwickelten die Geräte weiter beziehungsweise überlegten, was mit dem Internet noch alles anzustellen sei. Zudem gesellte sich – besonders in Amerika – ein starker Geschäftssinn. Es entstanden „Garagen-Firmen“, wo man vielleicht nur einen oder mehrere Computer sah. Aber auch große Firmen wollten nicht abseits stehen und bildeten „Kreativ-Abteilungen“, in denen oftmals Tag und Nacht herumexperimentiert werden durfte.

Ein gewaltiger Enthusiasmus war in dieser Richtung wirksam. Mit beträchtlichen Summen ausgestattet schien sich  eine Revolution anzubahnen, die die Lebenswelt und vor allem die Wirtschaft umkrempeln wollte. In diesen Sog wurden viele gezogen und sahen in dem Aktienwesen eine Möglichkeit, mit Gewinn daran teilzuhaben.

Wie sich nachher zeigte, war viel Betrügerei dabei und mancher Glaube an wundersame Geldvermehrung. Da dachten sich Jugendliche vor ihren Geräten etwas aus, was sie mit dem Internet anstellen wollten und gingen damit zur Bank. Die „bewertete“ diese Idee, oft mit unglaublichen Summen, und gab damit die Basis für eine Börsennotierung. Nun konnte wirkliches Geld fließen und die Jung-Unternehmer sich allerhand leisten. Bis in große Konzerne hinein konnten sie Einfluß nehmen, was mittlerweile gerne vergessen wäre.

Diese „Seifenblase“ ähnelt in manchem schon ein wenig den berüchtigten Kettenbriefen. (In Albanien waren mal die meisten Haushalte davon betroffen.) Nur wer am Anfang stand und die Aktieneuphorie frühzeitig wieder verließ, erlangte finanziellen Reichtum. Die nachfolgende Menge steht mittlerweile recht ärmlich da.

Zum einen sind die großen Firmen jetzt mit der neuen Technik ausgerüstet. Andererseits offenbarte sich auch, was in diesem Bereich länger wirkend ist.

Die meisten können sich eine heutige Welt ohne vernetzte Computer nicht mehr vorstellen. So war an der massiven Verbreitung eine Generation beteiligt, die als erste seit der frühen Kindheit solcherlei Technik ausgesetzt war. Mit Faszination wurde vieles aufgenommen, was sich dadurch einer kritischen Bewertung entzog. Jugendliche Begeisterung nahm bei vielen eine vornehmlich technische Richtung. Man kann vielleicht sagen, dass auf den Bahnen der Jugendbewegung sich etwas  mit einschmuggelte, ohne auf gesellschaftlich kritische Schranken zu stoßen. In vielen Bereichen sind wir schon zu sehr vereinnahmt und müssten mühsam klären, wo wir eigentlich neue elektronische Hilfsmittel einsetzen wollen und wo diese zu sehr unsere Bewegungsfreiheit – innere und äußere – eingrenzen.

Insgesamt muß gerade daran ein einseitig intellektuelles Gesellschaftsideal, etwa in der Schulbildung, in Frage gestellt werden. Vereinnahmung durch materialisierte Intelligenz ist eine heutige Bedrohung, der wir uns zu stellen haben. In der äußeren Welt hängt das mit der Vorherrschaft des Amerikanismus zusammen, was ebenfalls in einen Ausgleich und ins Gleichgewicht zu bringen ist.

Der Mensch selber ist wieder in den Mittelpunkt zu rücken und hinsichtlich seiner Gestaltungskraft geradezu neu zu entdecken. Er darf niemals Sklave einer Technik sein und fatalistisch an irgendwelchen Ideologien hängen. Dies gilt westlicherseits für den Glauben an die Allmacht der „Marktkräfte“, um dem wirtschaftlichen Treiben eine nützliche Form zu geben. Durch Markt, Konkurrenz und Egoismus entsteht ein Gemenge, das unsere gesamte Erdenzukunft zu ruinieren droht. Wenn nicht Menschen sich vernünftigerseits zusammentun, um dem Grenzen zu setzen und in eine sinnvollere Richtung zu bringen, läuft ein ganzer Bereich aus dem Ruder. Das ist eine heutige Erfahrung in Hinblick auf die letzten Jahre. Die von Rudolf Steiner benannte „moralische Phantasie“ ist auch für den äußeren Wirtschaftsbereich zu betätigen.

Mag zur explosiven Verbreitung der Computertechnik beigetragen haben, daß Phantasie nur innerhalb technischer Grenzen tätig war, so müssen wir nun auch von „außerhalb“ eine Richtung geben können. Das gilt
ebenfalls für das Aktienwesen. Der richtige Kern daran ist ja, dass eigentlich alle für die Wirtschaft mit verantwortlich sind und jeder seinen Anteil daran hat.

Ein diesbezüglich kindisches Verhalten ist jedoch, sein Geld hineinzutun, um allein wieder mehr herauszubekommen. Das kann nicht gut gehen. Zum Besseren ändern würde es sich, wenn die Leute zusammensäßen, um zu überlegen, welche Unternehmensrichtungen sie eigentlich befördern wollen.

Weiter gesehen darf das grundgebende Kapital der Wirtschaft niemals allein egoistischen Zwecken unterworfen sein. Das gilt ebenfalls für die Banken. Diese sollten nicht selbst wirtschaften, sondern Gelder so zu Verfügung stellen, dass sie der wirtschaftlichen Entwicklung am meisten dienen. Sie benötigen einen gemeinnützigen Status.

Gemeinwohl-Orientierung statt eines engen Finanz-Egoismus mag utopisch klingen. Doch die äußere Lage geht wohl recht schnell in die Entscheidungsrichtung. Immer hektischer wird den Zinsvorgaben hinterhergehechelt und trotzdem brechen immer mehr Bereiche ein. Ruhige menschliche Arbeit läßt sich schon gar nicht mehr bezahlen und nur größere Rationalisierung scheint einen Ausweg zu bieten. Da stehen Millionen draußen vor in der Erwerbslosigkeit, wodurch der eigentliche Boden immer dünner wird. Mittlerweile droht auch das Finanzsystem ganzer Staaten zu kollabieren. Wie in Brasilien, wo Abermilliarden hineingepumpt werden, die selbstverständlich später mit Zinsen zurückzuzahlen sind. Also muß da noch mehr rotiert und rationalisiert werden als bisher. Letzteres erbringt dann jenes „Wachstum“, wodurch alles noch etwas weiterläuft. An dieser auszehrenden Schraube drehen ebenfalls die Millionen Anleger mit ihren gebündelten Gewinnerwartungen.

Unser Wirtschaften gerät in Streß und einen Sog hinein, der mit Antriebskraft verwechselt wird. Im medizinischen Vergleich geht das nicht ewig gut; ein vernünftiges Leben ist angesagt. Hoffentlich braucht es nicht erst den völligen Zusammenbruch, bevor dieses eingesehen wird. Dazu müssen wir über eine computerhafte Kopfdominanz hinauskommen und lernen, uns wieder ganz menschlich einzubringen. Mit der Herzensorientierung ist zu empfinden, wie wir aufeinander angewiesen sind und letztlich uns gegenseitig tragen. Brüderlich-geschwisterliches Verhalten ist mühsam zu erringen.

Jürgen Kaminski

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