Millionen Menschen demonstrierten gegen den Krieg
"Gestern haben wir Geschichte
gemacht, egal was als nächstes passiert. Gestern war der Tag Eins einer 'Globalisierung
von den Graswurzeln empor' - eine weltweite Friedensdemonstration, die erste der
Weltgeschichte. Was die Chemiekatastrophe von Bhopal, die Wasserstoffbombe, die
Exxon-Ölpest und die weltweite Schuldenkrise ermöglicht hat, ermöglicht auch eine
weltweite Gemeinschaft. Was wir vorziehen, liegt an uns." (Rabbi Arthur Waskow,
Direktor des Shalom Center, New York, 16. Februar 2003)
Auf dem Europäischen Sozialforum (ESF) im November 2002 in Florenz wurde der
15. Februar 2003 zum internationalen Aktionstag gegen den drohenden Golfkrieg erklärt.
Aber wer hätte im November gedacht, dass der 15. Februar der Tag der größten weltweiten
Anti-Kriegsaktionen werden sollte? Nach vorsichtigen Schätzungen demonstrierten zehn bis
fünfzehn Millionen Menschen in mehr als 600 Städten. In Berlin protestierten über
500.000 Menschen. "Die größte Demo aller Zeiten", so eine Boulevardzeitung am
16. Februar. Gleichzeitig gab es in fast allen Großstädten und in vielen kleinen Orten
Kundgebungen und Aktionen. In Stuttgart beteiligten sich ca. 50.000 DemonstrantInnen.
Unter dem Slogan "No a la guerra!" (Nein zum Krieg!) demonstrierten
in Spanien in mehr als 50 Städten vier Millionen Menschen - rund 10% der Bevölkerung -
auch gegen die Pro-Kriegspolitik des rechten Regierungschefs Aznar. Auch in Italien (Rom:
2,5 Millionen) und Großbritannien (London: 2 Millionen) waren es die größten
Friedensdemos in der Geschichte dieser Länder. Die Menschen protestierten gegen die
Kriegspolitik und gegen die Regierungen des rechten Medienmoguls Silvio Berlusconi und des
Sozialdemokraten Tony Blair. In über 150 Städten der USA gingen am 15. Februar trotz
teilweise ausgesprochener Demonstrationsverbote mehr als eine Million Menschen gegen die
Kriegspolitik der Bush-Regierung auf die Straße. In Tel Aviv versammelten sich 2.000
KriegsgegnerInnen, um gegen die Politik der rechtsgerichteten Sharon-Regierung und für
eine friedliche Lösung der Konflikte im Nahen Osten zu demonstrieren. In Moskau
demonstrierten einige Hundert AktivistInnen vor allem aus der libertären Szene sowohl
gegen den russischen Kolonialkrieg in Tschetschenien als auch gegen die geplante Invasion
in den Irak. In Paris gingen 800.000, in Amsterdam 80.000, in Brüssel 100.000 und in
Athen 200.000 Menschen auf die Straße. In australischen Städten wie Brisbane (150.000)
und Sydney (250.000) protestierten die Menschen gegen die eigene Regierung, die bereits
3.000 Soldaten zur Unterstützung der US-Truppen in die Golfregion entsendet hat.
"Vom südafrikanischen Kapstadt bis zum norwegischen Bergen, von Honolulu über Kairo
und Kiew bis Tokio gehen Menschen auf die Strassen, Schneepfade und Feldwege, um den
drohenden Krieg gegen den Irak zu verhindern - sogar eine Station auf der Antarktis machte
mit. Eine der Stärken der Friedensbewegung ist ihre Breite: Von antikapitalistischen
Gruppen/Netzwerken bis hin zu staatstragenden Organisationen reicht das Spektrum", so
das basisdemokratische Internetprojekt indymedia. Die globale Massenbewegung gegen den
Krieg weckt Hoffnungen auf eine friedliche Lösung: "Stoppt den Krieg bevor er
beginnt!" Am 17. Februar erinnerte die einflussreiche New York Times die US-Regierung
daran, dass es auf der Erde offenbar "zwei Supermächte gibt: die USA und die
Weltöffentlichkeit."
Bisher deutet aber nichts darauf hin, dass die US-Regierung sich von ihren
"Präventivkriegs"-Plänen abbringen lässt. Am 20. Februar übten bereits
182.000 US-SoldatInnen in der Golfregion den Krieg, und täglich kommen neue Truppen
hinzu. "Die USA würden die von Bush und den anderen Falken angedrohte gewaltsame
'Abrüstung' des Irak auch allein schaffen, sie wissen aber, dass sie mit ihrer Aggression
das Völkerrecht, die UN-Charta und die Menschenrechte verletzen. Also wird das 'neue
Europa' mit ins Boot geholt, so sind es viele Regierungen, die sich des Rechtsbruchs
schuldig machen und - wie geflissentliche Advokaten kund tun - auf diese infame Weise
'neues Völkerrecht' schöpfen. Der Rechtsbruch im Kollektiv verschafft Erleichterung,
Legitimation - und Belohnung. (...) Der Griff nach dem schwarzen Gold des Irak führt in
eine schwarze Zukunft", so der Sozialwissenschaftler Elmar Altvater.
"The game is over", so verkündete am 6. Februar George W. Bush,
der um jeden Preis den "unvollendeten" Krieg seines Vaters "gewinnen"
will. Diese menschenverachtende Haltung, für die Krieg - das massenhafte Abschlachten von
Menschen - ein Spiel ist, diese Arroganz der Macht, das Streben nach Welthegemonie und
Unilateralismus, ist es, was Millionen Menschen zu Recht Angst macht. Menschen, die die
Welt sonst eher aus der Perspektive des Fernsehsessels betrachten, erheben sich und
demonstrieren massenhaft gegen den angekündigten Krieg.
Bietet diese "Negativkoalition zur Abwehr des Krieges" auch
Chancen für emanzipatorische soziale Bewegungen von unten? Antimilitaristische
Positionen, die unter rot-grün marginalisiert wurden, erhalten nun möglicherweise eine
breitere Basis. Eine Chance auch für basisdemokratisch organisierte, antimilitaristische
Medien der Gegenöffentlichkeit. So musste z.B. die im Februar u.a. als Beilage der
mittlerweile vergriffenen GWR 276 herausgegebene NO WAR-Aktionszeitung der
graswurzelrevolution innerhalb von zwei Wochen zweimal nachgedruckt werden. In wenigen
Tagen wurden bundesweit 55.000 Exemplare verteilt. Für das kleine Graswurzelprojekt eine
beachtliche Zahl. Neben bösen E-Mails von Soldaten, die sich über antimilitaristische
und libertäre Texte auf der GWR-Homepage www.graswurzel.net empören, wird die
GWR-Redaktion nun überhäuft mit Kriegsdienstverweigerungs-Anfragen von jungen
Wehrpflichtigen. Einige von ihnen haben wohl zuvor die auch vor Kasernen und in
"Soldatenkneipen" verteilte NO WAR-Zeitung bzw. den darin enthaltenen
"Jetzt desertieren!"-Aufruf an alle SoldatInnen in die Hände bekommen. Die im
Jahr 2002 auf 189.644 gestiegenen und nun weiter steigenden Verweigererzahlen sind
erfreulich und zeigen: Soldaten sind potentielle Deserteure!
Die wachsende Friedensbewegung eröffnet Möglich-keiten, libertäre Inhalte
und gewaltfreie Konzepte vielen Menschen zu vermitteln. Die Hintergründe der Politik von
militärisch mächtigen Staaten und ihrer Militärbündnisse müssen thematisiert und von
unten analysiert werden. Menschen können sich politisieren, sich aufklären über Macht-
und Herrschaftsverhältnisse. So kann eine Basis für gemeinsamen Widerstand gegen die
herrschenden Zustände entstehen. Direkte gewaltfreie Aktionen können zur Radikalisierung
der Bewegung beitragen. (...)
Bei den Aktionen sollten wir die deutsche Rolle als kriegsführende
Militärmacht aufzeigen.
Beteiligt Euch an der resist-Kampagne! Ziel dieser Kampagne ist es, Aktionen
Zivilen Ungehorsams im Vorfeld sowie während eines möglichen Irak-Krieges zu
organisieren. Mit Selbstverpflichtungserklärungen von vielen, die schon jetzt
ankündigen, sich an den Aktionen zu beteiligen, will resist den Druck auf die
Bundesregierung und die Bush-Administration erhöhen. Mehr als 5.000 Menschen haben
bereits unterzeichnet.
Bernd Drücke in graswurzelrevolution, März 2003
Die Kampagne resist sich dem Irak-Krieg widersetzen ist
erreichbar über Friedenskooperative, Römerstr. 88, 53111 Bonn, fax 0228-692906
Motivationsschub
für die Bewegung
Das dritte Weltsozialforum brach mit 120.000-130.000 TeilnehmerInnen und
einer Verdopplung der Zahl vom letzten Jahr alle Rekorde. Es brachte die Organisation
eines solchen Events aber auch an den Rand des Machbaren. Pfadfinderische Fähigkeiten
waren gefragt, um sich durch das Dickicht der Veranstaltungsangebote und den Dschungel der
Veranstaltungsorte zu schlagen, die auf vier zum Teil weit auseinanderliegende Standorte
verteilt waren, oder aber überhaupt ein ausgedrucktes Programm zu ergattern.
Eindrücke und Bewertungen bleiben damit sehr subjektiv, abhängig davon,
wieviel Glück man hatte, die ausgewählten Veranstaltungen auch zu finden. Insgesamt
hatte das WSF streckenweise den Charakter eines großen Happenings mit sehr guter Stimmung
und viel positiver Energie. Veranstaltungen mit bekannten Persönlichkeiten wie Eduardo
Galeano, Leonardo Boff, Noam Chomsky, Arundhati Roy oder Aleida Guevara (Tochter von Che
Guevara) platzten aus allen Nähten, die ProtagonistInnen wurden streckenweise gefeiert
wie Popidole. (...)
So vielfältig und beeindruckend das WSF auch war, so haben sich doch
deutlich die Grenzen gezeigt. Das Markenzeichen - die politische Vielfalt der
ProtagonistInnen von Basisbewegungen über Nichtregierungsorganisationen bis hin zu
Kirchen, Gewerkschaften und Verbänden - birgt zumindest bei einer solch großen
Teilnehmerzahl die Gefahr, über allgemeine Problembeschreibungen nicht hinauszukommen und
statt über Strategien nachzudenken, ein weiteres Mal bekannte Informationen
weiterzugeben. Auch die politische Heterogenität der Standpunkte fand sich wohl eher
selten auf einem Podium als vielmehr in parallelen Veranstaltungen wieder. (...)
Das Nachdenken über die Zukunft des Weltsozialforums hat längst begonnen.
Um der wachsenden Teilnehmerzahl entgegenzuwirken und wieder mehr Raum für die
Weiterentwicklung von Diskussionen zu schaffen, wurde beschlossen, die regionalen
Sozialforen zu stärken und das Weltsozialforum 2004 in Indien stattfinden zu lassen, eine
Entscheidung, die im Organisationskomitee sehr kontrovers diskutiert wurde. Der Vorschlag,
das WSF künftig nur alle zwei Jahre durchzuführen, konnte sich damit zunächst nicht
durchsetzen. Auch die zeitliche Parallelität zum World Economic Forum in Davos steht zur
Disposition.
Ein Auswertungsseminar Mitte diesen Jahres soll sich darüber hinaus kritisch
mit Form und Inhalt des WSF auseinandersetzen und das Verhältnis von zentral
organisierten und von den TeilnehmerInnen selbstorganisierten Veranstaltungen neu
gewichten. Durch entsprechende und frühzeitige Koordination könnten dann schon im
Vorfeld Kontakte und Vernetzungsmöglichkeiten für die Gruppen ermöglicht werden, die zu
ähnlichen Fragestellungen arbeiten und Veranstaltungen anbieten möchten, so daß aus dem
Nebeneinander ein Miteinander wird.
Der u.a. in der deutschen Presse zu lesende Abgesang auf die innovative Kraft
des WSF scheint damit verfrüht. Die beeindruckende Teilnehmerzahl zeigt, wie wichtig das
WSF für die globalisierungskritische Bewegung ist. Vor allem für die jüngeren
TeilnehmerInnen scheint dieses Treffen einen ungeheuren Mobilisierungs- und
Politisierungseffekt zu haben. Das extra eingerichtete Jugendcamp vermittelte einen
Eindruck davon. Eine weitere Stärke liegt in der politischen Bandbreite der versammelten
AktivistInnen. Das dritte Weltsozialforum hat aus meiner Sicht weniger neue Denkanstöße
und Impulse gesetzt, sondern stand stärker im Zeichen der Verbreitung und Verbreiterung.
Die thematische Arbeit zu den wichtigen Themen der Globalisierung wie WTO und GATS,
Finanzmärkte und vieles andere mehr muss nun vor Ort in den Regionen weitergeführt
werden.
Ingrid Spiller, Mitarbeiterin der Heinrich-Böll-Stiftung
Ein anderes Asien ist möglich
Beim 1.
Asiatischen Sozialgipfel präsentieren sich die globalisierungskritischen Bewegungen des
Kontinents. Anliegen und Vorschläge sind bunt gemischt.
Sonalchavan möchte "lernen, wie ich die Globalisierung bekämpfen
kann". Und was versteht sie unter Globalisierung? "Wenn Coca-Cola unser Wasser
in Plastikflaschen füllt und die Armen dafür bezahlen müssen." Die
siebzehnjährige ist mit der Jugendgruppe Akshara aus Bombay zum 1. Asiatischen
Sozialforum nach Hyderabad gekommen. Hier führen sie ihr Theaterstück auf, das
Kinderarbeit als Folge der Globalisierung thematisiert. (...)
Zehn Großveranstaltungen, hunderte Workshops, Seminare und ein Filmfestival
- ein überbordendes Programm, das vor allem den Zweck hat, die Vielfalt der Stimmen,
Erfahrungsebenen und Lösungsansätze zueinander in Beziehung zu setzen. "Das Forum
bietet erstmals eine Plattform für gemeinsame Klärung und Selbstverständigung zwischen
den meist unverbunden nebeneinander agierenden sozialen Gruppierungen, NGOs und
Netzwerken", meint John dSouza vom Zentrum für Bildung und Dokumentation in Bombay.
Die neoliberale Globalisierung ist in Hyderabad jedoch nur ein Schwerpunkt.
Gleichgewichtig daneben stehen Militarisierung, Krieg und Gewalt sowie Fundamentalismus
und Nationalismus. In diesem thematischen Rahmen bewegen sich die Teilnehmer.
Fundamentalismen und politisierte Religionen werden vor allem als identitätspolitische
und kulturelle Reaktionen auf die westlich dominierte Globalisierung betrachtet. Die USA
werden beschuldigt, ihr "Imperium" mit der neoliberalen Agenda als Software und
Militarisierung als Hardware gegen die durchzusetzen, die sich ihrer Kontrolle zu
entziehen versuchen.
Aber auch die in vielen Ländern zunehmende Militarisierung nach innen wird
thematisiert. Nighat Khan, eine der wenigen Pakistanerinnen, die nach Indien einreisen
durften, analysiert, dass die Eliten ihre Macht immer mehr durch Gewalt, Terror und
Nationalismus absichern, weil ihre Unterstützung durch die Massen zusehends schwindet. In
Pakistan leisteten vor allem Frauen Widerstand gegen Militarisierung und Islamisierung,
weil ihre Rechte zuerst beschnitten würden.
Durchgängig ist in Hyderabad die Forderung, "die wirtschaftlichen und
sozialen Rechte gegen den wachsenden Einfluss privilegierter Interessen" zu stärken,
wie Jean Dreze von der Jawaharlal Nehru University New Delhi erklärt. Das Recht auf
Bildung etwa werde durch die Privatisierung von Bildungseinrichtungen sowie
fundamentalistische Ideologien immer mehr gefährdet. (...)
Medha Patkar, die seit Jahren den Widerstand gegen den Narmada-Staudamm
führt, wird wie eine Volkstribunin gefeiert, als sie zum gewaltfreien Kampf gegen das
technologisch-industrielle Entwicklungsmodell, das indische Kastensystem und den
Hindu-Chauvinismus aufruft. Inspiration dafür sieht sie bei Gandhi, aber auch bei Marx.
Andere setzen auf globaler Ebene an. "Uns ist ein Zwei-Fronten-Kampf
aufgezwungen", sagt etwa Walden Bello von Focus on the Global South in Bangkok:
"der Kampf gegen die neoliberale Globalisierung durch die WTO und gegen den drohenden
US-Krieg gegen den Irak." Beides sieht er als Klammer für die vielfältigen, oft
gegensätzlichen Positionen. Seine Vision: Bringt die WTO zum Entgleisen! Für ihn ist das
eine Voraussetzung dafür, dass Gesellschaften ihre Ressourcen, ihre Ökonomie und ihre
Demokratie wieder selbst kontrollieren können.
Christa Wichterich in der taz Nr. 6946 vom 6.1.2003
Aus: The Ecologist, Donnerstag 19.April 2001
Die letzte Grenze
Ein globales Abkommen, über das gegenwärtig verhandelt wird, wird es
Unternehmen erlauben die öffentlichen Dienstleistungen in aller Welt zu übernehmen
ob Menschen das wollen oder nicht... Wenn es einmal installiert ist, wird es den
Untergang des öffentlichen Sektors bedeuten.
Maude Barlow erklärt, warum das verhindert werden muss.
Wenn Sie Bolivianer wären, wüssten Sie, warum die Welt besorgt sein müsste
über GATS. Gehen Sie zurück in der Zeit ins Frühjahr 2000, in die Stadt Cochabamba in
dieser Süd-amerikanischen Nation. Unter dem Druck der Weltbank hat die Bolivianische
Regierung ihr öffentliches Stadtwassersystem an ein US-Wasserunternehmen verkauft. Dies
war Teil des Weltbank-Programms, die Bolivianische Wirtschaft zu modernisieren
in anderen Worten, sie den westlich gegründeten Unternehmen gegenüber zu öffnen.
Es war alles, so wurde den Bolivianern versichert, im Namen der ökonomischen Effizienz.
Die Menschen von Cochabamba fanden schnell heraus, worauf diese Effizienz hinauslief.
Schon Wochen nachdem die Unternehmensflagge gehisst wurde, auf dem was bislang ein
öffentlicher Versorgungsbetrieb war, stiegen die Wasserpreise massiv an. Viele der
ländlichen Familien von Cochabamba mussten bis zu einem Drittel ihres Einkommens für ihr
Wasser bezahlen mehr als sie für Nahrungsmittel ausgeben. Die Belastungen waren
lähmend, und es gab keine Alternative sogar Regenwasser als Trinkwasser zu
sammeln, war für illegal erklärt worden.
Beschwerden hatten keine Wirkung bei dem Wasserunternehmen, dessen Ziel es nun war, eher
Profit zu machen als eine öffentliche Versorgung für elementare Bedürfnisse
bereitzustellen. So gingen die Cochabambaner auf die Strasse. Im April nahmen zuerst
Hunderte, dann Tausende an den Demonstrationen gegen die Privatisierung dieser
elementarsten Güter teil. Vier Tage Streik brachten die Stadt zum Stillstand. Die
Regierung gab nach und versprach den Wasserpreis zu senken. Dann änderten sie ihre
Meinung. Der Protest begann wieder und wurde dieses Mal größer. Tränengas wurde
eingesetzt und der Kriegszustand wurde erklärt. Cochabamba landete im Chaos. Noch immer
weigerten sich die Regierung und das Unternehmen, nachzugeben. Protestführer wurden in
der Nacht zusammengetrieben. Andersdenkende Medien wurden geschlossen. Der Profit eines
fremden Unternehmens hatte Vorrang vor den täglichen Bedürfnissen der Bolivianischen
Bevölkerung. Aber diese Menschen gaben nicht auf. Der Protest wuchs sogar noch an.
Schließlich, nachdem das Militär einem 17 jährigen protestierenden Jungen ins Gesicht
geschossen hatte, realisierte sogar die Regierung, dass das Spiel vorüber war. Zwei Tage
später unterzeichneten sie ein Übereinkommen, das die Stadtwasserversorgung wieder der
öffentlichen Kontrolle übergab.
Dies war ein Sieg, der nicht andauern wird. Nächstes Mal werden die Menschen, egal wie
groß der Protest sein wird, ihre Zeit verschwenden.
Es kommt auch zu Ihnen.
Nur wenige Monate früher wurde in der Nordamerikanischen Stadt Seattle das November 1999
Treffen der Welthandelsorganisation (WTO) stillgelegt ebenso durch Massenproteste.
Es war, so schien es, ein Ereignis, das die Kräfte der Unternehmensglobalisierung auf
ihrem Weg gestoppt hat zumindest für eine gewisse Zeit.
Aber nicht so schnell. Schon Monate nachdem sich der Rauch und das Pfefferspray verzogen
hatte, und die Protestierer, die Regierungsoffiziellen und die Reporter gegangen waren,
rief schon das General Agreement on Trade in Services GATS (Allgemeine
Vereinbarung über Handel in Dienstleistungen). Sie haben wahrscheinlich von GATS noch
nichts gehört die Wenigsten haben das. Darum geht es gerade. Aber Sie sollen
wissen, welche Bedeutung es für Sie haben wird. Denn diese Verhandlungen gehen immer
noch, im Stillen, weiter. Ihre Absicht ist, einfach und sachlich, die öffentlichen
Dienstleistungen der ganzen Welt für Unternehmensübernahmen anzupreisen, um das ganze
Konzept der öffentlichen Dienstleistungen nicht nur unmöglich, sondern möglicherweise
illegal zu machen. Das ist es, worum es in GATS geht. Wenn es letzten April schon in Kraft
gewesen wäre, wäre es ganz einfach für die Bolivianische Regierung illegal gewesen, die
Wassergesellschaft wieder zu verstaatlichen.
Gute Nachrichten für die Unternehmensprofite, schlechte Nachrichten für Menschen. GATS
macht den Weg frei für die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen über die
ganze Welt hin. Nichts wird ausgenommen - Erziehung, Gesundheitswesen, Sozialwesen, Post,
Museen und Büchereien, öffentlicher Verkehr, alles wird den Unternehmensinteressen
geöffnet. Jeder und jeglicher Dienst, der gegenwärtig von den Staaten im Namen des
öffentlichen Interesses zur Verfügung gestellt wird, wird privaten Unternehmen
zugänglich gemacht und unter Profitgesichtspunkten betrieben werden. GATS könnte, ganz
einfach, die letzte Grenze der Globalisierung sein: Das Ende der Idee gemeinnütziger
öffentlicher Dienste.
GATS wird in über 130 Ländern in Kraft treten, leise, und ohne viel Aufhebens, und dies
in weniger als 2 Jahren. Wenn nichts getan wird!
Was ist GATS?
Das allgemeine Abkommen über Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in
Services = GATS) ist eines von mehr als 20 Handelsvereinbarungen, die von der
Welthandelsorganisation (WTO) verwaltet und in Kraft gesetzt werden. Das GATS wurde 1994
eingerichtet als Ergebnis der Uruguay-Runde des allgemeinen Abkommens über
Zölle und Handel (General Agreement on Tariffs and Trade = GATT) die zu der Schaffung der
Welthandelsorganisation geführt hat. GATS war eines der Handelsabkommen, das für die
Einbeziehung in die WTO übernommen wurde, als diese 1995 gebildet wurde. Die
Verhandlungen sollten 5 Jahre später beginnen, mit dem Ziel progressiv die Ebene
der Liberalisierung des Handels zu heben.
Diese Gespräche wurden wie geplant im Februar 2000 auf den Weg gebracht. Der Weg sieht
vor, eine Abschlussvereinbarung bis Dezember 2002 zu erreichen das sind weniger als
2 Jahre.
Das Mandat von GATS ist die Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen.
In klarem Deutsch bedeutet dies den Abbau der staatliche Barrieren für die Privatisierung
öffentlicher Dienstleistungen. Ihr Ziel ist, es Regierungen unmöglich zu machen,
öffentliche Dienste auf einer gemeinnützigen Basis zu betreiben, ohne die Beteiligung
von privaten Unternehmen. GATS wird es der WTO erlauben, staatliche Handlungen bezüglich
öffentlicher Dienstleistungen durch eine ganze Reihe gesetzlicher Zwänge
einzuschränken. Jede Regierung, die den Regeln der WTO zuwider handelt, wird Sanktionen
erfahren.
Also, was wird geschehen, wenn GATS eingeführt wird? Charlene Barshevsky, die US-
amerikanische Handelsbeauftragte, kann es uns sagen. Bevor die GATS-Verhandlungen zu
Beginn des letzten Jahres begannen, fragte sie die mächtige US-Lobby-Gruppierung der
Koalition der Dienstleistungsindustrien, was sie in den GATS-Vereinbarungen beinhaltet
sehen möchte. Die Europäische Kommission hat dasselbe getan mit ihrer
Industriekoalition, dem europäischen Dienstleistungsforum. Unter sich haben die
Unternehmen die folgenden Prioritätsgebiete für die Handelsliberalisierung
identifiziert: Gesundheitswesen; Krankenhauswesen; Häusliche Pflege; Zahnarztwesen;
Kinderbetreuung; Altenbetreuung; Erziehung Schulwesen, Hochschulwesen und
Volkshochschulwesen bzw. Erwachsenenbildung; Museen; Büchereien; Gesetzgebung;
Sozialberatung; Architektur; Energiewesen; Wasserversorgung; Umweltschutzdienste;
Immobilienwesen; Versicherungen; Tourismus; Postdienste; Verkehr; Verlagswesen; Funk- und
Fernsehen und viele andere.
Die Konsequenzen hiervon sind niederschmetternd. Es bedeutet, dass die 137
Mitgliedsländer der WTO dabei sind, übereinzustimmen, alle ihre öffentlichen
Dienstleistungen für freie Handelsgesetze zu öffnen denselben Gesetzen, die es
der WTO erlaubt haben, die Gesundheit, die Nahrungssicherheit, und die Umweltgesetze in
Dutzenden von Ländern zu zerschlagen. Den Unternehmenswölfen wird Einlass in das letzte
verbleibende Pferch gewährt. Und sind sie einmal drin, wird es zu spät sein, sie jemals
wieder herauszukriegen.
Eine kurze Geschichte der Globalisierung
Wie konnte dies passieren? Wie konnten Regierungen diese Beseitigung der zentralsten
Grundrechte erlauben, ohne ihre Bürgerinnen und Bürger zu fragen oder zu informieren? Um
die Antwort zu verstehen ist es notwendig zum Ursprung des Welthandelssystems
zurückzugehen. 1947 wurde eine neue Handelskörperschaft die internationale
Handelsorganisation (International Trade Organisation ITO) geschaffen, mit einem
sehr anderen Mandat als dem der heutigen WTO. Die ITO sollte geordneten globalen Handel
unter der Zuständigkeit der UNO fördern. Der Verfolg des Handels sollte ausdrücklich
wichtige soziale Gesichtspunkte berücksichtigen, einschließlich der Vollbeschäftigung
und der menschlichen sozialen Rechte, wie sie durch die universelle Erklärung der
Menschenrechte durch die UNO garantiert wurden. Die neue ITO hatte sogar das Recht,
transnationales Kapital zu regulieren, um sicherzustellen, dass es diesen sozialen Zielen
dient.
Aber die ITO war eine Totgeburt, getötet von den US, die beabsichtigten, ein ganz anderes
globales Handels- und Investment-Regime zu bilden, das nicht auf mehr, sondern auf weniger
Regulierungen gebaut war; ein Regime, das sich selbst, seinen großen Unternehmen und
seinen internationalen Interessen Vorteil bringen würde. So schafften die US das GATT und
entzogen es der Zuständigkeit der UN. Seit der Bildung des GATT im Jahre 1947 gab es acht
Handelsvereinbarungs-Runden, jede darauf ausgerichtet, die Grenzen des
globalen Handels progressiv weiter auszudehnen. Die ersten sechs Runden konzentrierten
sich ausschließlich darauf, die Tarife (Grenzzölle) zu senken, und die Macht von GATT
wuchs weiter, weitgehend unbeachtet von der Zivilgesellschaft.
Aber die siebte Tokio-Runde (19731979) fiel zusammen mit dem Auftauchen des
sogenannten Washington Consensus - einem globalen wirtschaftlichen Modell, das
auf den Prinzipien der Privatisierung, dem freien Handel und Deregulierungen basiert
und dem Auftauchen von riesigen transnationalen Unternehmen, welche, weil sie nun
globale Unternehmen sind, den nationalen Staatsregulierungen entkommen sind und
gleichermaßen den Abbau von Regulierungen auf internationalen Ebene wollen. Dies
schließt riesige Dienstleistungsunternehmen ein, die erpicht darauf sind, ihre Hand auf
Regierungsmonopole legen zu können, besonders im sozialen Dienstleistungssektor. Zum
ersten Mal begann GATT sich in nicht-zollbezogene Beschränkungen einzumischen den
Regelungen, Grundsätzen und Praktiken von Regierungen, wie Umweltschutzgesetzen und
öffentlich finanzierten sozialen Diensten, die auf den Handel einen Einfluss haben
können. Die Uruguay-Verhandlungsrunde (19861994) erweiterte den Umfang der Themen
drastisch. Zum ersten Mal wurden Dienstleistungen genannt und Gebiete, die normalerweise
mit Handel nicht in Verbindung gebracht werden.
Welt wache auf!
Plötzlich wurde es für viele NGOs , Sozialrechtsbefürworter und Umweltschützer klar,
dass während sie damit beschäftigt waren, Einfluss auf ihre jeweiligen Regierungen und
auf die UN zu nehmen, viel von der Macht, die diese bisher hatten, leise übergegangen war
in neue Gebiete - ungewählte, und in der Größe ungesehene globale Handelssysteme. Die
Architekten der Schluss-Agenda der Uruguay-Runde wollten einen Zusammenhang von
Bestimmungen einrichten um die Globalwirtschaft zu regeln Regeln, die ihnen dienen
würden, und die von den Mächten und Organen einer Weltregierung unterstützt worden
wären.
Es war die Uruguay-Runde, die zur Schaffung der WTO führte, der globale Polizist für das
Handelsprogramm reicher Unternehmen. Ungleich GATT, das ein wirksamer Geschäftsvertrag
zwischen Nationen war, wurde der WTO legale Persönlichkeit gegeben. Sie hat
internationalen Status, gleichwertig der UN, aber mit dem Zusatz, enorme
Durchführungskraft zu besitzen.
Ungleich jeder anderen globalen Institution, hat die WTO gesetzgebende und richterliche
Macht, die Gesetze, Praktiken und Politik der einzelnen Länder herauszufordern und
niederzuschlagen, wenn sie als zu handelseinschränkend gesehen werden. Die
WTO beinhaltet keine Minimumanforderungen um Arbeit, Menschenrechte, Sozial- oder
Umweltstandards zu schützen; jeden einzelnen Fall (mit nur einer Ausnahme),den die WTO
nutzte um ein Gesetz zur häuslichen Gesundheit, Nahrungssicherheit, fairen Handel oder
Umwelt herauszufordern, hat sie gewonnen. Über die letzten sechs Jahre haben die
Durchführungen der WTO gezeigt, dass sie das mächtigste, geheimste und
antidemokratischste Organ auf Erden ist, rasend schnell den Mantel einer Globalregierung
annehmend und aktiv danach suchend, seine Macht und Reichweite zu vergrößern.
Das Beschneiden der Dienstleistungen
Öffentliche Dienste stehen als nächstes auf der Unternehmens-Abschussliste der WTO.
Globale Unternehmen waren überall so erfolgreich darin, Regierungen zu überreden, dass
deren Agenden die gleichen sind nämlich, dass der Erfolg von Unternehmensprofit
und das Wohl der Gesellschaft ein und dasselbe sind so dass deren Zugang zu vielen
Bereichen des öffentlichen Lebens sich bereits verbessert hat. Jetzt wollen sie an den
ganzen Kuchen. Im internationalen Handel sind Dienstleistungen der Sektor, der am
schnellsten wächst und er verspricht reiche Ausbeute für schlaue Unternehmen. Und unter
allen öffentlichen Diensten zeichnen sich das Gesundheitswesen, der Erziehungsbereich und
die Wasserversorgung als die ab, die potentiell am lukrativsten sind. Die globalen
Ausgaben für Wasserversorgung überschreiten jetzt $ 1 Billionen jedes Jahr; für
Erziehung überschreiten sie $ 2 Billionen und für die Gesundheitsversorgung
überschreiten sie $ 3,5 Billionen. In vielen Teilen der Welt hat das, was GATS
beschleunigen wird, bereits versuchsweise begonnen. Die USA könnten ein Modell für den
Abbau öffentlicher Dienstleistungen vorschlagen, das GATS dann überall auf der Welt
durchführen wird. In Amerika ist die Gesundheitsversorgung bereits ein großes Geschäft
geworden, mit gigantischen Gesundheitsversorgungsunternehmen die an der New Yorker Börse
registriert sind. Rick Scott, Präsident von Columbia, des weltgrößten
profitorientierten Krankenhausunternehmens, ist sich darüber im klaren, dass
Gesundheitsversorgung ein Geschäft ist, nicht anders als eine Fluggesellschaft oder die
Kugellagerindustrie. Er hat öffentlich geschworen, jedes öffentliche Krankenhaus in
Nordamerika zu zerstören. Doktoren, sagt er, sind keine guten Unternehmensbürger.
Unterdessen sagen bereits Investitionsgesellschaften wie Merrill Lynch voraus, dass
genauso wie das öffentliche Gesundheitswesen privatisiert worden ist, das
Erziehungssystem innerhalb des nächsten Jahrzehnts global privatisiert werden wird. Sie
sagen, dass dort unschätzbare Profitbeträge erzielt werden können, wenn dies passiert.
Die EU hat kürzlich angekündigt, dass jede öffentlich betriebene Schule in Europa bis
zum Ende des Jahrzehnts mit einem Unternehmen zusammengeschlossen werden muss. Die
Eroberung ausländischer Märkte ist jetzt zu einer gemeinsamen Schlüsselstrategie unter
Institutionen für höhere Ausbildung überall auf der Welt geworden.
Viele Teile der Dritten Welt sind in den letzten Jahrzehnten von den
strukturellen Anpassungsprogrammen des Internationalen Weltwährungsfond (IWF) gezwungen
worden, ihre öffentlichen Infrastrukturen abzubauen. Um berechtigt für den
Schuldenerlass zu werden, sind z.B. Dutzende von Entwicklungsländern in den
letzten 20 Jahren dazu gezwungen worden, ihre öffentlichen Sozialprogramme aufzugeben,
gleichzeitig wird fremden Unternehmen erlaubt, ins Land zu kommen und ihre Gesundheits-
und Erziehungs- Produkte an die Konsumenten zu verkaufen, die sich
diese leisten können, während Millionen von Menschen ohne eine allgemeine soziale
Grundversorgung bleiben. Lateinamerikanische Länder erfahren momentan eine Invasion von
US-Gesundheitsversorgungs-Unternehmen und Asiatische Länder erlauben, dass Zweigstellen
von ausländischen Universitäten und Gesundheitsversorgungsketten in ihr Land kommen.
Erst kürzlich hat die Weltbank dieselben Länder gezwungen, ihr Wasserversorgungssystem
zu privatisieren und arbeitet offen zusammen mit Wassergiganten wie Vivendi und Suez
Lyonnaise des Eaux, um ihre Rechte, Profit in der Dritten Welt machen zu
können, aufzubauen.
Nun wollen diese Unternehmen durch die GATS-Vereinbarungen bindende, globale und
unwiderrufliche Rechte, die ihnen Zugang zu den staatlichen Dienstleistungsverträgen
überall in der Welt garantiert. Und sie sind erfolgreich. Bereits über 40 Länder,
einschließlich ganz Europa, haben die Erziehung auf die Liste des
Zuständigkeitsbereiches von GATS gesetzt, und öffnen ihren öffentlichen
Erziehungssektor ausländisch gestütztem Wettbewerb. Fast 100 Länder haben dasselbe mit
dem Gesundheitswesen getan. Wenn die neuen Verhandlungen vorankommen, wird es sehr schwer
sein für irgendein Land, gegen den Strom zu schwimmen selbst wenn einige mutig
genug sein sollten, es zu versuchen.
Was ist in GATS enthalten?
Das bestehende GATS-Abkommen das noch nicht entgültig abgeschlossen ist, und sogar
noch schlimmer werden kann deckt alle Dienstleistungs-Bereiche und die meisten
Regierungsmaßnahmen ab, einschließlich Recht, Praxis, Regulierungen und Richtlinien,
geschriebene und ungeschriebene. Keine staatliche Maßnahme, die den Handel von
Dienstleistungen berührt, egal mit welchem Ziel, ob sie den Umwelt- oder
Konsumentenschutz, allgemeine Versicherungen oder die Verbesserung von Arbeitsbedingungen
betrifft, ist außerhalb des Zugriffs von GATS. Nichts Öffentliches ist sicher.
Im Wesentlichen verbietet die Vereinbarung sogar die Diskriminierung
ausländischer Unternehmen, die sich anbieten, öffentliche Dienste zu leisten, - sogar
wenn dieses Unternehmen eine schlechte Vorgeschichte im Umwelt- oder Sozialen Bereich
ausweist.
Es ist bereits Übereinkunft darin erzielt worden, dass einige existierende WTO-Regelungen
flächendeckend für alle öffentliche Dienste gelten sollen, egal ob die
betreffenden Bereiche bereits innerhalb von GATS dezidiert aufgelistet sind, oder nicht.
Eine solche flächendeckende Regelung ist die der am meisten bevorzugten
Nation, die besagt, dass falls das Unternehmen aus einem anderen WTO Land innerhalb
Deines Marktes operiert, , musst Du die Unternehmen aus allen Ländern der WTO einlassen.
Diese Regelung wird für alle Dienste gelten, sogar auch für diejenigen, die in einigen
Ländern noch geschützt sind, wie Gesundheitswesen und Erziehung. Gemäß dieser
flächendeckenden Regel müssen in ähnlicher Weise alle Regulierungen eines gegebenen
Bereiches, einschließlich der Sozialdienste, am wenigsten handelsrestriktiv
sein das heißt in Englischer Sprache abgefasst sein. Alle öffentlichen Dienste
sogar die Sozialhilfe sollen sich den Marktmechanismen unterwerfen.
Die Anhänger von GATS behaupten, dass ihre Gegner hysterisch sind. Es gibt nichts,
worüber man beunruhigt sein müsse. Sie verweisen auf die Ausnahme innerhalb
GATS, die für einige öffentliche Dienste gilt, die von den Regierungen bereit gestellt
werden.
Einige Länder, so werden sie betonen, haben bereits Ausnahmen beantragt für ihre
öffentlich finanzierten sozialen Sicherheitsprogramme. Aber dies ist nicht so einfach,
wie es scheint. Damit eine Dienstleistung gemäß GATS Paragraph 1.3C als unter
Regierungsautorität stehend anerkannt werden kann, muss sie vollkommen
unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, dass die in Frage
stehende Dienstleistung vollkommen von staatlicher Seite finanziert sein muss, und keine
kommerziellen Zwecke haben darf. Da fast kein Dienstleistungsbereich vollkommen
unentgeltlich ist, ist diese Ausnahme weitgehend bedeutungslos.
Was mit GATS beabsichtigt ist.
In seinem neuen Buch: GATS. Wie die neuen Dienstleistungsverhandlungen der WTO die
Demokratie bedrohen beschreibt der Kanadische Forscher Scott Sinclair die drei
Prioritäten der laufenden Verhandlungsrunde. Als erstes werden die GATS Bevollmächtigten
versuchen, Unternehmenszugänge zu heimischen Märkten zu erweitern. Regierungen werden
unter großen Druck geraten, mehr ihrer Dienstleistungen aufzulisten und weniger
herauszulassen.
Das wirkungsvollste Druckmittel wird darin bestehen, die nationale Behandlung
flächendeckend angewendet zu sehen. Nationale Behandlung ist ein fundamentaler
Glaubenssatz des freien Handels; er verbietet Regierungen ihre heimischen Dienstleistungen
gegenüber ausländischen Unternehmen zu bevorzugen. Schon jetzt wird die Nationale
Behandlung bei verschiedenen Dienstleistungen innerhalb GATS angewendet; und das Ziel ist,
dessen allgemeine Anwendung.
Darüber hinaus werden die mächtigen westlichen Länder auf noch weiteren verbindlichen
Marktzugangsbestimmungen bestehen, und die Entwicklungsländer unter Druck
setzen, unwiderruflichen Zugang zu ihren Märkten zu garantieren und demokratische
Regierungsvollmacht zurückzunehmen.
Zweitens werden die GATS-Bevollmächtigten versuchen, einheimischen Regulierungen strenge
Beschränkungen aufzuerlegen, und dadurch die staatlichen Möglichkeiten begrenzen,
Umwelt- Gesundheits- und andere Standards , die den freien Handel behindern, einzuführen.
Artikel VI: 4 fordert die Entwicklung aller nötigen Disziplinarmaßnahmen, um
sicherzustellen, dass Maßnahmen bezüglich Qualifikationsvoraussetzungen und
Verfahrensweisen, technischen Standards und Lizenzvergaben nicht unnötige
Handelsbarrieren darstellen. Übersetzt: Kommt bloß nicht mit Euren nervtötenden
nationalen Standards ausländischen Unternehmensinteressen in die Quere. Auch diese
Bestimmung würde flächendeckend gelten. Die Regierungen würden gezwungen werden
nachzuweisen, dass ihre Regulierungen, Standards und Gesetze notwendig sind,
um WTO sanktionierte Ziele zu erreichen, und dass eine weniger handelsrestriktive
Handelsalternative nicht zur Verfügung stand.
Drittens. Die neuen Gespräche zielen darauf ab, neue GATS Regelungen und Beschränkungen
zu entwickeln, mit dem Zweck, den Einsatz staatlicher Subventionen weiter zu beschränken,
wie es im öffentlichen Dienst, im städtischen Bereich sowie in den sozialen Programmen
geschieht. Eine besonders bedrohliche Entwicklung ist die Forderung nach Ausweitung der
harmlos klingenden Kommerziellen Präsenz-Regeln. Kommerzielle Präsenz
erlaubt einem Investoren, der sich in einem GATS Land niedergelassen hat, sich
auch in jedem anderen GATS Land niederzulassen, und nicht nur gegen einheimische Anbieter
um Aufträge zu konkurrieren, sondern auch gegen einheimische öffentlich finanzierte
Institutionen und Dienstleister um die Vergabe öffentlicher Gelder. Zusammengenommen
werden diese Vorschläge die Autorität der WTO im Tagesgeschäft der Regierungen
ungeheuer ausweiten. Sie werden die Ausübung demokratischer Kontrolle über die Zukunft
elementarer öffentlicher Dienste so gut wie unmöglich machen
Wie GATS uns betreffen wird
Jeder einzelne Aspekt des öffentlichen Lebens wird von GATS betroffen werden. Als
Ergebnis der globalen Ökonomisierung, durchläuft schon jetzt jedes Land auf der Welt
einen fundamentalen Transformationsprozess. Der Reichtum schwimmt an die Spitze, während
ein wachsender ökonomischer Abgrund diejenigen, die von dem System profitieren, von einer
immer sich vergrößernden Unterklasse trennt. Um das sicherzustellen, was der
amerikanische Erziehungsautor Jonathan Kozol in Das Überleben der Kinder der
Stärksten nennt, wird ein gestuftes Erziehungssystem und soziales Sicherheitssystem
die Norm überall auf der Welt werden, während wir kollektiv einen Traum allgemeiner
Rechte aufgeben. Wir schaffen Topschulen und Gesundheitsversorgungssysteme für die Elite
der Welt und ein gestuftes System - oder überhaupt kein System für diejenigen,
die nicht mehr zählen.
GATS dient dieser unternehmens- und profitgetriebenen Vision der Gesellschaft. Es ist, in
nüchternen Worten ausgedrückt, wichtig zu verstehen, was auf dem Spiel steht. Unter dem
vorgeschlagenen GATS-Regime werden ausländische Gesundheits- und Erziehungs-Unternehmen
das Recht haben, sich in jedem WTO Land niederzulassen. Sie werden das Recht haben, mit
öffentlichen Institutionen, wie Krankenhäusern und Schulen, um die Vergabe von
öffentlichen Geldern zu konkurrieren. Standards für Mitarbeiter im Gesundheits- und
Erziehungswesen werden den WTO Regelungen unterworfen sein, um sicherzustellen, dass sie
nicht eine Behinderung des Handels werden. Abschlusserteilende Autorität wird
an ausländisch gestützte Erziehungsunternehmen vergeben werden. Ausländisch gestützte
Telemedizin wird legal werden. Und die Länder werden nicht in der Lage sein, den
grenzüberschreitenden Wettbewerb zwischen Niedriglohn-Mitarbeitern im Gesundheits- und
Erziehungswesen zu verhindern. Schon jetzt hat die WTO-Dienstleistungsabteilung ein
privates Unternehmen angestellt, genannt die Globale Allianz für Transnationale
Erziehung, um weltweit Praktiken zu dokumentieren, die ausländische
Erziehungsversorger diskriminieren. Die Ergebnisse dieser Studie werden
benutzt werden, um die Länder unter Druck zu setzen, die noch einen öffentlichen
Erziehungssektor aufrechterhalten, um diesen zu Gunsten des globalen Marktes aufzugeben.
Beunruhigenderweise beinhaltet GATS auch die Autorität über Umweltschutzdienstleistungen
und den Schutz natürlicher Ressourcen. Unsere Parks und unsere Tierwelt, unsere
Flusssysteme und Wälder werden alle zu Wettbewerbsgebieten, wenn globale transnationale
Umweltschutzdienstleistungs- Unternehmen das Wettbewerbsmodell für ihr Management
fordern. Profithungrige Kinderbetreuungsketten werden in jedes Land eindringen, genauso
wie Gefängnisketten wie Wackenhut mit seinem Ruf für Gewalt und Missbrauch gegen sowohl
Gefangene wie auch Mitarbeiter. Im wörtlichen Sinne unbegrenzter Zugang müsste
ausländischen Versorgern gegeben werden im Bereich kommunaler Verträge für Straßenbau,
Kläranlagen, Müllverwertung, Sanitäres, Tourismus und Wasserversorgung.
Einfach ausgedrückt wird das Gemeinwesen oder das was davon noch
übrig ist unter vollen Beschuss geraten, wenn GATS durchgeführt wird. Was bisher
Bereiche gemeinsamer Erbschaft waren, wie, Samen und Gene, Luft und Wasser, Kulturelles
Erbe, Gesundheits-Versorgung und Erziehung, werden vorgeschlagen, um sie zu Waren zu
machen, zu privatisieren, zu verkaufen an den höchsten Bieter auf dem freien Markt.
Länder wie Kanada und Frankreich, die ein nationales, frei zugängliches Gesundheitswesen
und Erziehungssystem haben und genießen, werden diese verlieren. Länder wie GB und
Chile, die einmal allgemeine soziale Programme hatten, oder die US, die niemals ein
öffentliches Gesundheitssystem besaßen, werden in der Zukunft den Zugang zu einem
öffentlichen Modell verschlossen finden, genauso Länder wie Indien und Südafrika, die
gegenwärtig darum kämpfen, solche Rechte für ihre Bevölkerungen zu sichern.
Das letzte Ende dieser Übung ist vielleicht am besten zusammengefasst durch einen
Top-US-WTO- Bevollmächtigten, der unverfroren über den GATS/WTO Prozess sagte: Er
wird nicht zu Ende sein, bevor Ausländer endlich beginnen zu denken wie Amerikaner, zu
handeln wie Amerikaner und am wichtigsten einzukaufen wie Amerikaner.
Was kann getan werden?
Wenn GATS besiegt werden will, ist wirklich keine Zeit zu verlieren. Die Welt muss
aufwachen - und zwar schnell - dafür, was hinter ihrem Rücken getan werden kann. Wir
brauchen dringend eine internationale Bewegung der Art, die zusammenkam um das
Multilaterale Agreement on Investment (MAI) zu bekämpfen, und weitermachte um die
Straßen von Seattle zu schließen. (Die Liste mit Gruppen und Individuen, die bereits
gegen GATS arbeiten, siehe unten). Wir brauchen Forschung zu jedem Aspekt über GATS in
jedem Land, und wir müssen das untereinander aufteilen. Wir müssen gemeinsam Fronten in
jedem Land aufbauen, in denen Menschen aus allen Hauptbereichen repräsentiert sind
Erzieher und Lehrer, Arbeiter im Gesundheitswesen und Anwälte, Gewerkschaften aus dem
Bereich des öffentlichen Sektors, Umweltschützer, Landwirte, Schriftsteller und
Künstler, einheimische Menschen und andere. Wir brauchen Solidarität, Zusammenarbeit und
Geschwindigkeit. Wir brauchen GATS-freie Zonen an den Universitäten, Hochschulgeländen,
Kirchen und lokalen Gemeindezentren. Wir müssen zu unseren lokalen Regierungen gehen und
lokale Resolutionen gegen GATS vorlegen. Wir müssen Briefe an unsere Regierungen und
lokalen Zeitungen und alternativen Medienveröffentlichungen schreiben. Einfach gesagt:
Wir müssen GATS zu einem Wort machen, das in jedem Haushalt bekannt ist, und zwar nicht
als ein schönes. Gegner von GATS und der hinter ihr stehenden Anschauung sollten drei
fundamentale Forderungen vertreten. Erstens, wir müssen ein absolutes Stopp der GATS
Verhandlungen und der drakonischen Bestimmungen der gegenwärtigen Vereinbarung fordern,
z.B der Angriff auf die inländischen Regulierungen. Es ist absolut unakzeptabel, dass
unsere Regierungen sich hinter verschlossenen Türen treffen, um unserer Rechte zum Wohle
ihrer gemeinsamen Freunde zu beschneiden. Das muss sofort gestoppt werden, während wir
eine Bilanz ziehen der Situation und diese öffentlich machen. Im Wesentlichen sollten wir
fordern, dass alles das, was das Gemeinwesen betrifft überhaupt aus den
freien Handelsvereinbarungen herausgenommen wird.
Zweitens brauchen wir stahlharte Garantien von unseren Regierungen, dass keine künftigen
GATS Vereinbarungen Regierungen davon abhalten können, ihre Bürger mit guten
öffentlichen Dienstleitungen zu versorgen. Darüber hinaus brauchen wir ein GATS, das
sich darum bemühen wird, diese nationalen Programme durch das Völkerrecht zu stärken
und ihre Entwicklung über die ganze Welt hin zu ermutigen. Schließlich müssen wir auf
eine wirklich öffentliche Beteiligung an den Regeln, die den internationalen Handel
bestimmen, hinarbeiten. Da wir wissen, dass unsere Regierungen nicht auf uns hören
werden, nur weil wir gute Argumente haben, sondern erst, wenn wir politische Muskeln
haben, müssen wir uns darum bemühen, eine globale Demokratie zu schaffen, in denen die
Regierungen ihren Bürgern dienen werden und ihr Engagement für Menschenrecht und
ökologische Gestaltung würdigen. Wir dürfen nicht still an der Seite sitzen und zusehen
wie diese Rechte wegverhandelt werden. Die Völker der Welt haben nein gesagt zum MAI.
Eine steigende Anzahl von Menschen hat nein gesagt zu den Millenniumsverhandlungen der
WTO. Wir müssen nein sagen zu GATS. Und wir müssen gehört werden. Es gibt wirklich
keine Alternative.
Maude Barlow ist im Vorstandsvorsitzende des Council of Canadians
und eine Bürgerrechts-Kämpferin. Sie ist Autorin mehrerer Bücher, einschließlich
MAI: The Multilateral Agreement on Investment und The Threat to Canadian
Sovereignty, mit Tony Clarke. Ihre Autobiographie The Fight of My Life:
Confessions of an Unrepentant Canadian, wurde 1998 veröffentlicht
Stopp GATS
- Sieben Gründe gegen das GATS
1. Falscher Ansatz
Ein UNO-würdiger Ansatz für eine globale Politik zum Thema Dienstleistungen
müsste lauten: Wie können alle Menschen mit essentiellen Dienstleistungen wie
Trinkwasser, Gesundheit, Bildung, Alterssicherheit,
Energie, Post, Telefon und Internet versorgt werden?" Das Ziel dahinter wäre
Armutsbekämpfung, Herstellung von Chancengleichheit, Einlösung von Menschenrechten. Die
Mittel dazu wären Schuldenstreichung der armen Länder, Tobinsteuer, Erhöhung der
Entwicklungshilfe auf die versprochenen 0,7 Prozent, zinsenfreie Kredite für
Investitionen in die Daseinsvorsorge.
Der (neokoloniale) GATS-Ansatz lautet hingegen: Wie kann ich meinen"
Konzernen (des jeweiligen WTO-Mitglieds) neue Absatzmärkte (im Süden) und neue
Profitsektoren (in der öffentlichen Daseinsvorsorge) erschließen.
2. Angriff auf die Demokratie
Im GATS sind gleich mehrere Prinzipien enthalten, welche den politischen
Gestaltungsspielraum von Gemeinden, Ländern und Parlamenten drastisch einschränken.
Die zwingende Gleichbehandlung von lokalen und ausländischen Anbietern
(Prinzip der Inländerbehandlung") macht Regionalpolitik oder die Förderung
von Nahversorgung unmöglich.
Die zwingende Gleichbehandlung von armen und reichen Ländern (Meistbegünstigung")
z. B. Ghana und USA macht entwicklungspolitische Zielsetzungen zunichte.
In denjenigen Sektoren, in denen Verpflichtungen eingegangen wurden, dürfen
Gesetze, Verordnung und Normen nur noch dann erlassen werden, wenn sie
objektiv und transparent" sind und den freien
Dienstleistungshandel nicht mehr als nötig" beschränken. Andernfalls können
diese Regulierungen vor dem WTO-Gericht geklagt werden. Die Nichtbehinderung des
Freihandels wird somit zum übergeordneten Verfassungsprinzip, dem sich die gesamte
nationale Gesetzgebung unterordnen muss. Ein veritabler Sachzwang wird geschaffen.
WTO-Recht steht über nationalem Recht. Bundesrechte sind damit nachrangig.
3. Daseinsvorsorge in Gefahr
Ziel des GATS ist es, langfristig alle Dienstleistungssektoren (bis auf den
Luftverkehr) zu liberalisieren. Erschreckenderweise gilt dies auch für den Bereich der
öffentlichen Daseinsvorsorge: Gesundheit, Pensionen, Bildung, Wasserversorgung, Post,
Strom, Telekommunikation, Öffentlicher Verkehr. Fast alle Erfahrungen mit der
Liberalisierung/Privatisierung der Daseinsvorsorge zeigen jedoch, dass die Preise und
Tarife steigen, dass ein zunehmender Teil der Bevölkerung von der Versorgung
ausgeschlossen wird, dass die Versorgungsqualität abnimmt, dass die Verfolgung
politischer Ziele wie Umweltschutz, Chancengleichheit oder Regionalförderung zugunsten
des ausschließlichen Ziels des maximalen Profits aufgegeben wird und dass sich die
Arbeitsbedingungen in den liberalisierten Bereichen dramatisch verschlechtern. Im Bereich
der Daseinsvorsorge sind öffentliche Systeme billiger, sozial gerechter und
demokratischer. Hier haben der Markt und globaler Konzernhandel nichts zu suchen.
4. GATS verschlechtert weltweit die Situation der Frauen
Frauen sind im Dienstleistungssektor besonders stark vertreten und von der
globalen Verschärfung der Konkurrenz und der damit einhergehenden Flexibilisierung der
Arbeitsbedingungen und der Maximierung des Shareholder Value umso mehr betroffen.
Wenn öffentliche Bereiche privatisiert werden, ist es aus mit der
Gleichbehandlung, und die Lohnschere zwischen Männern und Frauen öffnet sich.
Und wenn Sozialsysteme beschnitten und privatisiert werden, fallen soziale
Aufgaben in den Schoß der Familie zurück: Alten-, Kranken- und Kinderbetreuung wird
üblicherweise und unentgeltlich von Frauen verrichtet.
5. GATS vertieft die Nord-Süd-Kluft
Nicht kambodschanische Finanz-, Computer- und Telekomkonzerne drängen auf
den EU- und US-Markt, sondern umgekehrt. Das GATS ebnet den Weg für eine neue
Kolonialisierungswelle. Westliche Konzerne werden sich die Märkte in den armen Ländern
aufteilen, bevor diese in der Lage sind, eigene Dienstleistungssektoren aufzubauen. Die
große Mehrheit der Menschen wird damit in die Abhängigkeit der Global Players getrieben.
Die Entwicklungsländer wollten keine neuen Liberalisierungsrunden innerhalb
der WTO, sie wurden von den Industrieländern aber zum Teil mit Drohungen und Erpressungen
(Streichung der Entwicklungshilfe) k.o.-verhandelt. Die EU verlangt von den meisten
Entwicklungsländern die Öffnung des gesamten Energiesektors, des Telekom- und
Finanzsektors, des Personentransports, des Postwesens, des Tourismus, der
Umweltdienstleistungen und der Wasserversorgung. Die bekannte indische
Nichtregierungsorganisation Equations bezeichnet diese Forderungen als frontale
Attacke gegen die indische Verfassung".
6. GATS ist unvereinbar mit nachhaltiger Entwicklung
Die WTO ist nicht Teil des UN-Systems und nimmt in ihren Verträgen keine
Rücksicht auf handelsfremde" Politikfelder wie Umweltschutz oder Arbeitsrecht.
Die GATS-Verhandlungen sind weder mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) noch mit
Interregierungsorganisationen (IGOs) wie dem Umwelt- oder dem Entwicklungsprogramm der
Vereinten Nationen (UNEP, UNDP) oder der Weltgesundheitsorganisation abgestimmt. Der
Ansatz ist Freihandel pur.
Folglich werden bedenkenlos hochproblematische Dienstleistungen der
Liberalisierung preisgegeben: Müllverbrennung, Ölförderung, Pipelinebau,
Abfallbehandlung, Abwasserentsorgung u. a. Umweltschutz" findet nur am Ende der
Verschmutzungskette statt (end of the pipe"), wodurch eine Vermeidung der
verschmutzenden Aktivitäten verhindert wird.
Die einseitige Liberalisierung z. B. des Strommarktes ohne gleichzeitige
ökologische, soziale und kartellrechtliche Flankierung Grundgebührbefreiung für
sozial Schwache, progressives Tarifmodell, verpflichtender Mindestanteil und
kostendeckende Einspeisetarife für Ökostrom, strenge Fusionskontrolle
widerspricht zutiefst einer nachhaltigen Entwicklung.
Die oben beschriebene Knebelung der Demokratie Umweltschutzgesetze
dürfen nur dann erlassen werden, wenn sie den Freihandel mit Dienstleistungen
nicht mehr als nötig behindern , stellt einen inakzeptablen
Stolperstein für nachhaltige Entwicklung dar.
7. Geheimverhandlungen
Es ist für eine Demokratie unverzeihlich, dass so weitreichende globale
Wirtschaftsverhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Parlamentspräsident
Heinz Fischer wusste vom GATS bis Mitte September 2002 nichts. In den Aussendungen der
Austria Presse Agentur (APA) kam das Wort GATS" von September 2001 bis
September 2002 gezählte 11mal vor. (Das Wort Hollywood" 1209mal.) Auf der
Homepage des Wirtschaftsministeriums finden sich bis heute weder die Forderungen noch die
Angebote Österreichs. Es ist eine Mindestanforderung an die Demokratie, globale
Wirtschaftsverträge öffentlich zu verhandeln und im Zweifelsfall einer Volksabstimmung
zu unterziehen.
Stopp Gats-Kampagne, c/o GdE, Margaretenstr. 166, 1050 Wien, www.
stoppgats.at, gats@attac-austria.org
Gegen die Privatisierung von Wasser
Immer schneller und häufiger verkaufen unsere Politiker
öffentliches Eigentum, öffentliche Güter, Elektrizitätswerke, Krankenhäuser,
öffentlichen Nahverkehr und vor allem eines: das Trinkwasser! Damit wollen sie in
gewisser Ausweglosigkeit durch den Verkauf der "Daseinsvorsorge" noch einmal
Kasse machen, um den Haushalt aufzupäppeln. Das geht aber nur einmal! Gleichzeitig
verlieren die Bürger zunehmend demokratische Einflussmöglichkeit; eine Erosion der
Demokratie hat begonnen. Wir steuern einem Ausverkauf unseres Staates entgegen, an globale
Konzerne, die dem Profit verpflichtet sind und letztlich faktisch das Sagen haben. Wenn
alles verkauft ist, haben die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr viel zu melden.
Im Falle der Trinkwasserversorgung kann der Ausverkauf besonders bedrohlich sein: Wasser
ist Leben, Leben ist Wasser, und es ist unmöglich, ohne Wasser zu leben. Deshalb machen
wir uns in höchstem Maße erpressbar, wenn wir unser Wasser verkaufen. Wir müssen
letztlich JEDEN Preis bezahlen, um Trinkwasser zu bekommen! Unsere Gesetze, Grundgesetz,
Gemeindeordnung und auch der europäische Grundlagenvertrag, legen die Daseinsvorsorge
-und damit auch das Wasser- in die Hände der Kommunen. Aus gutem Grunde: die
Lebensgrundlagen können und dürfen nicht verkauft, sie dürfen nicht zum
Spekulationsobjekt werden. Doch diese Gesetze werden missachtet.
Das sogenannte GATS-Abkommen (Handel mit öffentlichen Dienstleistungen) verschärft all
dies noch, indem es auch den Handel mit der Daseinsvorsorge weltweit völkerrechtlich
bindend festschreiben will!!
Die Verhandlungen finden weitgehend unter Ausschluss der
Öffentlichkeit statt, also hinter verschlossenen Türen. Das GATS-Abkommen soll bis 2005
weltweit bindend Gültigkeit erlangen und würde sich, im Falle des Inkrafttretens, über
alle anderen Gesetze und internationale Abkommen stellen. So könnten z.B. Umweltabkommen
und Menschenrechte zu Makulatur werden. Die Unterschrift eines Landes unter das
GATS-Abkommen ist bindend. Es würde den Ausverkauf öffentlicher Güter auf unabsehbare
Zeit festschreiben. Wesentliche Lebensbereiche, Schule, Gesundheit, Soziales, wären
dadurch von Profitmaximierung bestimmt. Dennoch halten unsere Regierungen den Steigbügel
für eine schleichende "Machtübernahme" internationaler Konzerne. Dagegen steht
unser Grundgesetz, welches festschreibt, dass die Bürgerschaft der Souverän ist und
nicht etwa internationale Konzerne. Und es fordert uns auf, Angriffe auf die demokratische
Verfassung abzuwehren.
Bürgerentscheide sind das stärkste demokratische Instrument der Bürgerinnen und
Bürger, mit dem die Lebensbedingungen gestaltet werden können.
Daher stellt sich die brennende Frage: Wie können wir den Ausverkauf öffentlicher Güter
wirkungsvoll stoppen? Inzwischen gibt es in allen Bundesländern die Möglichkeit, von
kommunalen und landesweiten Bürgerentscheiden. Die formalen Voraussetzungen sind, je nach
Bundesland, unterschiedlich. Bürgerentscheide haben in vielen Fällen zum Erfolg
geführt. Sie wirken mobilisierend und ein wichtiges Thema kann so zum Stadtgespräch
gemacht und ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht werden!
Nachfolgend einige Beispiele, die Mut machen:
In Ottobeuren in Bayern verhinderten die Bürger den Verkauf der kommunalen Wasserrechte.
Zweidrittel der Wähler in Münster stimmten am 16. Juni 2001 gegen die Privatisierung der
Stadtwerke. Im ersten landkreisweiten Bürgerentscheid Schleswig-Holsteins votierte in
Nordfriesland eine satte Mehrheit für den Verbleib der vier Kreis-Krankenhäuser in
öffentlicher Hand. In Zwickau und Hamburg unterschrieben jeweils über 20.000 Wähler
gegen Klinik-Privatisierungen, in Landau wehrt sich Attac gegen den Verkauf der
Müllabfuhr. Am 15. September stimmten die Aachener Bürgerinnen und Bürger über die
Privatisierung des städtischen Wohnungsbaus ab. In der Stadt Kulmbach wurde ein
Bürgerentscheid "Nix mit Abwassertricks" eingeleitet, mit dem Ziel, einen
geplanten "Cross Boarder Leasing"-Vertrag zu verhindern. Die Stadt Kulmbach
wollte die Kläranlage und die Abwasserleitung an eine US-Firma "vermieten" und
mit diesem dubiosen Steuertrick Geld verdienen. Kurzum: bis heute haben in Deutschland 37
Bürgerentscheide zum Thema Wasser stattgefunden. Kein einziger Bürgerentscheid ist
Pro-Privatisierung ausgegangen!! Lediglich ein Bürgerentscheid hatte eine Privatisierung
zum Ziel ( Herrsching ) und ist damit klar gescheitert!
Nehmt diese Beispiele als Vorbild! Startet kommunale Bürgerentscheide!
Wichtig sind jetzt Bürgerentscheide, um:
- einen Wasserverkauf zu unterbinden ( wie steht es damit in Eurer Stadt? )
- bereits verkauftes Wasser zurückzufordern
- unsinnige Privatisierungen zu verhindern
- "Cross Boarder Leasing"-Verträge zu verhindern
- die Gemeinde zu verpflichten, sich mit allen rechtlichen Möglichkeiten gegen die
Unterzeichnung von internationalen Verträgen (wie z.B.das GATS-Abkommen) durch die
Bundesrepublik zu wehren, weil damit die kommunale Hoheit über die Lebensgrundlagen ohne
Not aus der Hand gegeben würde.
Omnibus für Direkte Demokratie, Öschstr. 24, 87437 Kempten, Tel. 0831 - 57 07 689, Fax
0831 - 58 59 202, email: info@omnibus.org, web:
www.omnibus.org und www.buergerbegehren.org
Mehr Demokratie e.V., Fritz-Berne-Str. 1, 81241 München, Tel. 089 82 11 774, Fax: 089
82 11 176, email: info@mehr-demokratie.de, web: www.mehr-demokratie.de sowie:
www.buergerbegehren.de
NWWP (Netzwerk WeltWeite Projekte), email: info@nwwp.de, web: www.nwwp.org
Tel. 0711 46 00 632, Fax: 0711 48 74 69
Eindrücke vom Freundeskreistreffen und der Mitgliederversammlung von Modell
Wasserburg e V.
Es war ein sehr intensives und eindrückliches Treffen.
Ein großer Zeitraum der Mitgliederversammlung wurde den Berichten der Arbeit aus den
Projekten unseres Vereins gewidmet.
Dieter Koschek berichtete zuerst von den über 60 Veranstaltungen der Kultur- und
Begegnungsstätte Eulenspiegel. Die Rundgespräche mit und ohne Thema im wöchentlichen
Rhythmus sind dabei wesentlich. Anton Kimpfler, Karl-Heinz-Dewitz, H.D. Meyer,
Fried-Günther Hansen und Dieter Koschek gestalten die Rundgespräche, die offen für
jedermensch sind. Zwei Prospekte zeugten davon, daß Seminare im Eulenspiegel sehr
angenommen werden. Zwei eigene mit Anton Kimpfler und Ansgar Liebhardt, sowie mehrere
Fremdtagungen belebten den Eulenspiegel. Es zeigt sich, dass Holzhaus, Saal und
Gaststätte hier gut zusammenpassen. Dazu die Musik-, Theater-, Kinder- und
Lyrikveranstaltungen, die eine lebendige Begegnungsstätte dokumentieren. Mehr als 1000
Menschen kommen dadurch nach Wasserburg.
(Bei Interesse senden wir gerne das Programm zu.)
Die Projektwerkstatt Büro für soziale
Dreigliederung von Dieter Koschek zeigt die Vielfalt der Tätigkeiten unseres Vereins:
Beratung von Gemeinschaftsuchenden und Projekten aller Art, von strukturellen Fragen bis
zu Vernetzungszusammenhängen. Der jedermensch mit seinem Informationspool ist hier die
Grundlage und der Angelpunkt für die Aktivitäten.
Der jedermensch-Verlag wurde inhaltlich diskutiert, und
es wurden wieder Schwerpunktthemen fixiert: Soziale Dreigliederung und die Bewegung um die
weltweiten Sozialforen, das Gesundheitswesen, Ökologie und Kommunikation werden
Schwerpunkte der nächsten jedermenschen werden. Kritisch sei zu vermerken, dass der
jedermensch seine Abozahlen halten muss, ansonsten müsse eine Konzeptänderung überlegt
werden.
Renate Brutschin und Nunzio Taranto berichteten von
Case Caro Carrubo. Siehe die nächsten Seiten.
Den Bericht der Betriebsgruppe Eulenspiegel prägte die
prekäre wirtschaftliche Situation. Seit vier Monaten sanken die Umsätze bedrohlich und
führten auch für den Verein Modell Wasserbug zu finanziellen Engpässen, da drei
Pachtzahlungen gestundet werden mussten.
Es zeigte sich, dass die Gliederung Verein als Verpächter -
Betriebsgruppe als Pächter richtig ist, doch macht das wirtschaftliche Ergebnis hier neue
Überlegungen nötig. Dieter Koschek wird zum Ende des Jahres als Pächter ausscheiden.
Brigitte Hoffmann als Einzige der jetzigen Betriebsgruppe erklärte sich
bereit, den Eulenspiegel weiterzuführen, wenn es ihr gelingt neue, motivierte
MitarbeiterInnen dafür zu finden. Der Verein wird sie dabei nach Kräften unterstützen.
Die dringliche Situation macht es aber nötig, dass auch die TeilnehmerInnen der
Mitgliederversammlung und der Freundeskreis aktiv mitsuchen. Bitte nehmen Sie Kontakt mit
uns auf, wenn Sie jemanden wissen oder bei Ihnen selber Interesse geweckt wurde.
Da wir das Projekt Eulenspiegel als Kultur- und
Begegnungsstätte mit der sozialen und wirtschaftlichen Innovation Biogaststätte als
wesentlichen Bestandteil unserer Arbeit verstehen und erhalten wollen, hat die
Mitgliederversammlung beschlossen einen Kredit selber aufzunehmen, um eine
Zwischenfinanzierung zu sichern, die zum einen Bankzinsen spart und letztlich dem Verein
den Rücken stärkt, denn wenn die Betriebsgruppe die Pacht nicht mehr zahlen kann, bricht
auch die gemeinnützige Arbeit des Vereins ein. Diese kostet uns rund 20 000 im
Jahr.
Drei Entwicklungen der letzten zwei Jahre machen die
Kreditaufnahme notwendig:
haben wir wieder saniert: In der Gaststätte haben wir die
Elektrik und den Fußboden erneuert. Das kostete insgesamt rund 20 000 , die wir
teilweise durch einen Versicherungsschaden und zum anderen durch die Pachteinnahmen zu
finanzieren hatten.
haben wir eine Trennung zwischen Verein und Betriebsgruppe
vorgenommen. Nach zwei Jahren ist deutlich geworden, dass für die Gaststätte selbst bei
immer noch bescheidenen Löhnen von netto 650 ein Verlust von etwa 10 000
bilanziert wurde.
3. selbst
durch vom Betrieb geplante Umsatzsteigerungen und radikale Einschnitte in die
Lohnstruktur, wird, bedingt durch die konjunkturelle Flaute seit November 2002
(Umsatzrückgänge von etwa 25 Prozent), auch im Jahr 2003 im besten Fall nichts
übrigbleiben.
Es gibt zwei Wege unsere Arbeit zu unterstützen:
Spenden für die ideelle Arbeit des Vereins,
kleine, große, einmalige und regelmäßige, auf das Konto 100212652 bei der Bodenseebank
Wasserburg (BLZ 73369821), Spendenbescheinigungen werden ausgestellt).
20 x 1000 - Kredite, kleinere und
größere, mit einer Laufzeit von bis zu 10 Jahren, zinslos oder zinsgünstig, um die
wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu überstehen. Der Verein bürgt in jedem Fall für die
Kredite. Bitte sprechen Sie uns an.
Der neue Vorstand Heiko Brinkmann, Martin Rösing,
Dieter Koschek und Fried-Günter Hansen wird sich mehr um die Geschicke des Hauses in
Wasserburg kümmern und sich öfters treffen.
Günter Edeler schlug ein Seminar oder eine
Arbeitsgruppe vor, die die Veränderungen der letzten zehn Jahre des Projektes, die
Bedeutung des Geistes der Dreigliederung und einen Blick auf andere Projekte beinhalten
soll. Zusammen mit Dieter Koschek wird daran weiter gearbeitet.
Bitte beachten Sie unsere dringende Bitte und denken
Sie daran: auch die kleinste Hilfe (so z.B. auch Zeit- und Sachspenden) hilft uns über
den finanziellen Engpaß hinweg.
Dieter Koschek
Seminare im
Eulenspiegel 2003
Ordnungen der Liebe
Systemische Lösungen durch Familienaufstellung mit Hans-Peter Regele
10. 11. Mai 2003
28. 29. Juni 2003
19. 20. Juli 2003
6. 7. September 2003
25. 26. Oktober 2003 6. 7. Dez. 2003
Diese Seminare wenden sich an alle, die sich das System der
eigenen Herkunfts- oder Gegenwartsfamilie anschauen möchten.
Seit uns Virgina Satir und Bert Hellinger mit ihrer Arbeit
der Systemischen Familienaufstellung die Tür zur Kraft unserer Familie gezeigt haben,
können wir in dieser Arbeit oft ganz erstaunliche Dinge wahrnehmen. Bei vielen Menschen
sind diese Kraftquellen z.B. durch Widerstände den Eltern gegenüber verschüttet oder
eingeschränkt.
Teilnahmebeitrag 170 für aufstellende TN
85
für beobachtende TN -
Abendseminare
12.3., 9.4., 14.5., 25.6., 16.7., 17.9., 15.10.,
12.11.,10.12.
von 19.30 22.30 Uhr
Neben den Wochenendseminaren findet einmal im Monat ein
offenes Abendseminar statt. Dieses Seminar bietet die Möglichkeit, die Arbeit des
Familienstellens einmal kennen zu lernen und ist als offene Gruppe gedacht.
Teilnahmebeitrag 20 pro Abend
Anmeldung und Information:
Hans-Peter Regele, Dipl. Heilpädagoge und Heilpraktiker,
Enzisweiler Str. 16, 88131 Lindau, fon 0049-(0)8382-275212, fax 275213email: Hans-Peter.Regele@t-online.de
Entdecke den Clown in dir
mit Elke Maria Riedmann
11. bis 13. Juli 2003
Mit was wir uns an diesem Wochenende beschäftigen:
Gefühle Gefühle kennt jeder kann sich jeder hinein-fühlen
in ein Traurigsein in ein Fröhlichsein in ein
Beleidigtsein oder Gekränktsein ein Angsthaben
umso echter die Gefühle gespielt oder ausgedrückt werden, ... umso schöner ist
die Figur, der Clown ... sich blamieren ... kann man üben und lernen bis es Spass macht.
Schwächen zeigen ... mit einer reifen Ehrlichkeit.
So dumm bin ich und mit Mut zur
Hässlichkeit ... (was zum Beispiel Kleidung betrifft)...Stärken übertreiben...bis
ins Lächerliche.Bevor wir aber zu diesen clownesken Schwerpunkten kommen,
gibt es viel Bewegungs-, Kommunikations- und Kennenlernspiele.Elke Maria Riedmann hat die
Theaterschule von Jacques Lecoq in Paris absolviert, sowie bei Desmond Jones in London und
bei Dimitri im Tessin gelernt. Sie arbeitet als Clinik-Clown und als Schauspielerin.
Mitzubringen sind:
Bequeme Kleidung, die viel Bewegung zulässt, zu grosse und zu kleine
Strassenkleider, normale bzw. schräge Kleidung, die nicht zusammenpasst, die auf der
Strasse auffallen würde. Accessoires: Taschen, Schuhe, Hüte, Brillen (keine
Sonnenbrillen).Teilnahmebeitrag: 100
Veranstalter, Anmeldung und Information: Elke Maria Riedmann, Rohrmoos 55 A-6850
Dornbirn, fonfax 0043-(0)5572-386555email: riedmann.koschek@aon.at
Clownskurs mit Andreas Weisser
7.-9. November 2003
Clownerie ist das staunende Suchen nach der roten Nase. In
Unfällen und Fehlern, im Ringen um Leben und Tod, schlägt der Clown mit seiner
Intelligenz Brücken zum Unerwarteten. Der Zufall gibt ihm die Erlaubnis. Tölpelhaft und
vogelfrei stolpert der dumme August ins Rampenlicht. Im praktischen Spiel improvisiert er
allein, zu zweit und in der Gruppe mit und ohne Requisite. In der Einfachheit fängt er
die Szenen ein. Geschichten aus dem Leben.
Die Technik mit der ich arbeite entspringt aus der Theaterarbeit von Grotowski und
des Improvisationstheaters. Körperwahrnehmung und Entspannungsangebote bereiten uns
auf eine spielerische Auseinandersetzung mit unseren Rollen vor. Weitere Sinnesübungen,
wie das Spüren Horchen und Beobachten, helfen uns mehr Raum und Flexibilität in
unsere Rollen zu legen.
Meine Absicht ist die Spieler dabei zu unterstützen, in einer entspannten
Atmosphäre, ihrer Kreativität nahe zu kommen.
Ich bin Clown, Counsellor, und Ergotherapeut.
Am Theaterinstitut Albatross absolvierte ich die Clownsschule. Es schlossen sich
verschiedene Schauspielprojekte an: Kindertheater Lakritze, Improvisationen auf der
Straße, als Mitspieler bei der freien Theatergruppe Panoptikum, und bei
Clownsaufführungen.
Heute arbeite ich freiberuflich als Dozent an Ergotherapieschulen, als Trainer beim
Kinderzirkus Moskito Ravensburg, als Clown Gagari, und leite Workshops zum Thema Clownerie
und Theater.
Teilnahmegebühr: 140
Anmeldung und Information: Andreas Weisser ,Unterlangnau 2, 88069 Tettnang, Tel.
07543 / 9529155, E-Mail: A.Weisser.Art@gmx.de
Nachrichten
aus Case Caro Carrubo
Wir drucken nachfolgend den Jahresrundbrief in gekürzter
Form. Bei Interesse schicken wir den Brief mit seinem vollen Inhalt gerne zu.
Gedicht..........
Das vorangestellte Gedicht und die Zeichnung stammen
von einem Flugblatt, von dem wir nicht mehr wissen, wann es uns in die Hände kam, noch
kennen wir den Poeten. Seit geraumer Zeit hat es seinen festen Platz auf unserem Stand bei
verschiedensten Veranstaltungen. Es drückt für uns auf schlichte Weise aus, für was
Case Caro Carrubo sich einsetzen möchte. Wenn ich daran denke, dass sich zur Zeit
hunderttausende Soldaten wieder bereit machen, sich wieder die Uniform anziehen und
das Gewehr umlegen, um in einen absurden Krieg zu ziehen, wünschte ich mir sehr viele
Väter und Mütter, die diese Worte an ihre Kinder richten.
Was war für uns im Grossen wie im Kleinen das
Schönste des vergangenen Jahres, was das Bedrückendste? Wir stellten uns diese Frage,
als wir, das heisst Elvi, Nunzio und ich, uns am Jahresende zusammensetzten, um auf das
Jahr zurückzublicken. Eines der bedrückendsten Geschehnisse im Grossen, ja,
das ist die herrschende, kaltblütige Kriegstreiberei, dieser schon vor einem Jahr
geplante Krieg und die Zustimmung oder das Stillhalten so vieler Regierungen. Wie offen
kann sich heute blanke Machtgier zeigen. Fast unwidersprochen. Doch nicht unwidersprochen
von der Bevölkerung und das ist eines der erfreulichsten, schönsten Geschehnisse des
vergangenen Jahres. Es gibt eine neue Qualität in den sozialen Bewegungen und die heisst
Toleranz bei gleichzeitiger Kräftebündelung, dort wo Übereinstimmung herrscht. Das
bringt viele Menschen zusammen. Das gibt Hoffnung.
Und im Kleinen: Was war in Case Caro
Carrubo das schönste bzw. das bedrückendste Ereignis?
Eines der schönsten fand im Sommer unter der riesigen
Baumkuppel unseres Hauspatrons, des Johannisbrotbaumes, statt. Eine Taufe.
Nunzio wurde Patenonkel von Crispin, dem jüngsten Kind meiner Freundin. Schön war, dass
wir ein offenes Ohr bei der Kirche und einen sehr engagierten, jungen Pfarrer fanden, für
den diese Haustaufe ... vielmehr Gartentaufe auch die erste in seinem Dienst
als Pfarrer war. Es war, als würde Case Caro Carrubo auch ein Stück mitgetauft werden.
Eine zweite Freude bereitete uns Elvi. Nach einer
längeren Reise kam sie zum Entschluss Case Caro Carrubo zu ihrem jetzigen
Hauptaufgabenort zu machen.
Einer der bedrückendsten Faktoren im Kleinen
ist unsere finanzielle Situation, die sich leider nicht stabilisieren will. Wir konnten
letztes Jahr nicht viel neue Gäste willkommen heissen
Was läuft falsch? Wie weiter? Auch Anzeigen und der
Internetanschluss erbrachten keine erkenntliche Verbesserung. So sind wir auf der Suche
nach Alternativen. Was könnte ein zweites Standbein in Case Caro Carrubo werden? Ohne
dass wir uns, wie momentan, um bezahlte Arbeit ausserhalb bewerben müssen.
Ein Ereignis im Herbst brachte uns auf eine schöne Idee:
Biagio, ein Freund, sehr engagiert im sozialpolitischen Geschehen vor Ort, organisierte
zusammen mit anderen Freunden für die Gemeinde ein mehrtägiges Fest gegen
Fremdenfeindlichkeit. Er fragte uns, ob wir dafür den Essensstand übernehmen wollten.
Mit dem ausdrücklichen Wunsch nach biologischer Vollwertkost. .... Ich hatte so meine
Bedenken bei der Vorliebe der Sizilianer/innen für Pasta und Sugo. Doch weit gefehlt: Wir
wurden jeden Tag ausverkauft und gelobt, wie gut es schmeckt. Begegnung und Gemeinschaft
findet in Sizilien beim Essen statt: Schon früher wurden wir ab und zu von Freunden
gebeten sie bei uns zu bewirten. Nach dem Erfolg im Herbst möchten wir dieses Angebot im
wahrsten Sinne des Wortes ausbauen. Denn um Gäste wirklich gut bekochen und
bewirten zu können, muss die bis jetzt provisorisch genützte Gemeinschaftsküche bzw.
der Aufenthaltsraum fertig renoviert werden. Doch dazu sind rund 5000 Euro vonnöten. Wer
könnte uns unter die Arme greifen?
Ja, vieles gäbe es wieder vom vergangenen Jahr
zu berichten und deshalb nur fragmentarisch:
Da wäre die Militärbasis zu nennen: Der Plan, sie zum
zivilen Flughafen zu machen, wird immer konkreter. Jetzt, wo der Flughafen in Catania
durch wochenlangen Ascheregen des Ätna immer wieder schliessen musste, erhoffen sich die
Befürworter (und die gehen durch alle örtlichen Parteien) eine schnellere
Verwirklichung. Wie Widerstand organisieren? Noch sind es sehr wenige, die Bedenken
äussern.
Die Militärbasis als Seminarort für Gewaltfreiheit und
zivilen Ungehorsam? ! ? Gleich dreimal wurde letztes Jahr das ehemals grösste
Mittelstreckenraketenlager Europas zum Zentrum von Friedensaktivitäten. Der italienische
Teil der Militärbasis wurde der Gemeinde von Comiso zur Verwaltung übergeben und diese
Räumlichkeiten können nun öffentlich genutzt werden.
Im Juni passierte eine Fahrradstaffette aus dem italienischen
Norden die noch immer stacheldrahtgeschützte und beschrankte Einfahrt zur Basis. Menschen
aus dem Zusammenhang der verschiedenen sozialen Foren, die sich um und nach Genua
gründeten.
Im August wurde die Basis gleich für eine ganze Woche besetzt:
Ein Seminar für Jugendliche und junge Erwachsene zum Thema Gewaltfreiheit. Von Mexiko bis
Palästina die Spannbreite und Referenden. Wir wurden gebeten über die Zeit des
Widerstandes gegen die Atomraketen zu berichten und von Verde Vigna, dem
Friedenscamp an der Militärbasis. Die gleichen Transparente, mit denen wir noch Ende der
achtziger Jahre um die Militärbasis herumspazierten und die den wacheschiebenden Jeep
sofort auf den Plan riefen, schmückten nun die ehemalige Soldatenmensa. Für uns ein ganz
bewegender Moment. Genauso das Passieren der Einfahrt: Uns wurde für diese Woche die
Eignerrolle übergeben die Schlüssel waren in unseren Händen.
Ein drittes bewegendes Ereignis fand im Zusammenhang
des Festes gegen Fremdenfeindlichkeit statt: Eine der bekanntesten Rockgruppen aus der
pazifistischen Bewegung Italiens gab ein Konzert in der Basis zugun-sten von Emergency,
einer sehr bekannten nationalen Hilfsorganisation, die sich weltweit für Kriegsopfer und
speziell gegen Landminen einsetzt. Und in der jetzigen Situation gegen einen Eintritt
Italiens in einen Krieg gegen den Irak appelliert.
Ein viel zu trockenes Jahr. Viel Wind, viel Sonne, kein
Wasser. Der Natur konnte man das Entbehren sehr an-sehen. Dafür ist jetzt der Winter gut
wasserreich und im Gegensatz zum letzten Jahr ist jetzt alles üppig grün.
Ein Tropfsystem zum Bewässern der Bäume und des
Gartens: Die Trockenheit forderte neue Überlegungen. Auch wenn es erst mal eine grössere
Ausgabe und viel Arbeit war, ist es ein grosser Zugewinn. Soviel einfacher, sparsamer und
effektiver können wir jetzt die Pflanzen mit Wasser versorgen.
Dank Klaus, ein Freund der uns letztes Frühjahr
besuchte und uns gute Anleitung für die Kompostpflege gab, sind wir nun viel ernsthafter
dabei, uns in die biologisch-dynamische Arbeitsweise einzuarbeiten.
Gruppo Ambiente, Agricoltura, Salute Sicilia
seit neuestem hat die Arbeitsgruppe sogar einen Namen. Im Gegensatz zum örtlichen
Coordinamento, das sich doch leider wieder aufgelöst hat, trifft sich der Arbeitskreis
weiterhin, wie im letzten Rundbrief erwähnt, an verschiedenen Orten, rund alle zwei
Monate. Viele neue Kontakte haben sich dadurch ergeben und es ist sogar ein konkretes
Projekt daraus entstanden: Eine kleine Pastakooperative, als Start zum Ausbau einer
Lebensmittelkooperative. Es ist schwierig hier in Sizilien gesunde Lebensmittel zu einem
erschwinglichen Preis zu erhalten... Jetzt, wo der Biomarkt boomt, noch um so mehr.
Getreide aus alten hiesigen Sorten, Wasser von der Quelle, eine Steinmühle und ein
Pastahersteller, der sich unseren Bedingungen anpasste. Sachen, die einfach klingen, doch
einen grossen Einsatz erforderten. Der normale Weg, auch einer Biopasta, führt über den
ertragreicheren Anbau von modernen Einheitssorten, den Export gen Norden, um von dort als
fertige Pasta wieder in den Ladenregalen zu erscheinen.
Die Bauarbeiten: Das Dach wurde erneuert, ein kleines
Badezimmer für das Wohnhaus im Rohbau fertiggemacht, Abwasser- und Regenwasserleitungen
verlegt. Das Wasser der meisten Dächer wird nun in der Zisterne gesammelt.
Die nächsten Bauvorhaben: Wie schon erwähnt, ist die
Fertigstellung der Gemeinschaftsküche wegen der Aussicht einer wirtschaftlichen Einnahme
das dringlichste Vorhaben. Doch da sind noch zwei andere, nicht gelöste Probleme: Das
eine betrifft die Nachfrage nach temporärer Mithilfe; eigentlich erfreulich. Doch der
Wohnraum ist viel zu knapp. Elvi muss sich vorerst mit dem Wohnwagen zufrieden geben und
wenn es nicht gerade eine Jahreszeit ist, in der gezeltet werden kann, stehen wir vor dem
Fragezeichen, wie den Menschen Unterkunft bieten? Die Renovierung des dritten Hauses auf
dem Grundstück wird dringend notwendig. Auch deswegen, da das Dach immer brüchiger wird.
Das zweite Problem betrifft die Trennung der Gästeküche von der Privatküche. Es zeigte
sich im Alltag, dass die gemeinsame Nutzung nur einer Küche verschiedene Probleme in sich
birgt. Unser Angebot der gemeinsamen Versorgung entspricht nur einem Teil der Gäste. Und
auch wir spüren, dass wir ab und zu die Möglichkeit haben müssen uns zurückziehen zu
können. Um diesen Bedürfnissen mehr zu entsprechen, planen wir eine kleine, einfache
Gästeküche. Vorhaben, die viel Zeit und Geld kosten und was wir letzteres eigentlich gar
nicht haben. Was gibt es für Möglichkeiten? Vielleicht können wir mit Euch darüber ins
Gespräch und auf neue Ideen kommen?
Kleiner aktueller Zusatz:
Im Rundbrief hatten wir für Anfang März zum diesjährigen
Sizilianischen Wochenende im Eulenspiegel in Wasserburg eingeladen. In der Gaststätte
fanden unsere Speisekarte (dessen Menüs diesmal vom Ätna angehaucht waren) und unsere
Produkte regen Anklang. Und auch die drei Abendveranstaltungen waren mit Interesse
besucht. Freitagabend berichteten wir über die neuesten Entwicklungen und Pläne von Case
Caro Carrubo. Samstagabend platzte der Saal dann fast aus den Nähten, als Filippo über
das alltägliche Leben in unmittelbarer Nähe des Ätnas berichtete. Der Ätna ist im
Italienischen weiblich und wenn die sizilianische Bevölkerung von ihm liebevoll von
Mutter Ätna spricht, wird daraus ihre Beziehung zum Berg ziemlich klar.
Filippo ist von Kindheitsbeinen an mit dem Vulkan vertraut. Er lebt in Belpasso, einem
kleinen Bergstädtchen kurz unterhalb der Lavafelder. Wir lernten uns durch die Teilnahme
an einigen Biomärkten kennen. Sein Wissen über den Berg, die Pflanzenwelt, traditionelle
Handwerkskunst und vieles mehr ist unerschöpflich. Es freute uns sehr, dass er sich
sofort bereit erklärte, uns dieses Jahr zu begleiten, auch wenn es für ihn nicht einfach
war, sich dafür freizumachen. Sein Elan und seine Begeisterungsfähigkeit sind einfach
ansteckend. So auch an diesem Abend: Obwohl die Sprache als Barriere dazwischen war (ich
dolmetschte), sprang der Funke sofort über.
Am Sonntagabend beschlossen wir das Wochenende in der
Gaststätte mit einer Improvisation italienischer und deutscher Friedengedichte und poesien.
Ein ge- und erfülltes Wochenende. Viel Begegnung, neue
Gesichter, viel Austausch und viel Freude darüber, auf wie viel Interesse unsere Arbeit
stösst. Leider blieb in der Dichtheit der Begegnungen so manche nur gestreift... doch
auch eine Umarmung oder ein Händedruck verbinden.
Wir möchten uns bei allen bedanken, die CaseCaroCarrubo
nahe- und uns immer wieder mit Rat und Tat beiseite stehen. Somit GRAZIE TANTO und cari
saluti dalla Sicilia von Elvi, Nunzio und mir
Renate Brutschin
Case Caro Carrubo, c/o Nunzio Taranto, Via Dei Platani
12, I 97013 Comiso (RG), Sicilia Tel. 0039-339 3154580
e-mail: carocarrubo@tin.it, www.carocarrubo.org
Spendenkonto: Modell Wasserburg e.V., Bodenseebank
Wasserburg, BLZ 73369821, Konto-Nr.100212652, Stichwort Caro Carrubo
PETER SCHILINSKI
(23.9.1916 Berlin 24.12.1992 Wasserburg/Bodensee)
Meine Gedanken und Gefühle waren in den 12 heiligen
Rauhnächten deutlich mit ihm beschäftigt, und deshalb möchte ich etwas von ihm
erzählen. Sicher liegt es auch daran, daß wir kurz vor Weihnachten im Eulen-spiegel
in Wasserburg seines 10-jährigen Todestages gedachten, im ganz kleinen Kreis. Es waren
glaube ich gerade mal fünf Freunde gekommen. Aber egal. Unsere Gespräche
und Beiträge riefen mir Peter wieder lebendig in Erinnerung: Er, der gehbehinderte
Feuerkopf, der mit einer unglaublichen Treue für den Impuls der Dreigliederung des
sozialen Organismus (R. Steiner) die Fackel trug und das in einer Zeit (nach dem Zweiten
Weltkrieg), als man an einer Hand abzählen konnte, wer noch damit lebte und arbeitete.
Ich muß es ganz deutlich aussprechen, damit man auch die Dramatik bemerkt, die damit
verbunden ist: Schilinski trug diese Flamme und das fast allein in einer
Zeit, in der die allermeisten etwas ganz anderes im Sinn hatten, nämlich den Krieg und
die Nazigreuel zu vergessen und sich um den persönlichen Aufstieg und Wohlstand
kümmerten.
Was tat Peter? Er trampte zwischen 1945 und 1952 (1950 wurde
ich gerade mal geboren) durch die BRD auf der größtenteils vergeblichen Suche nach
Menschen, die sich aktiv mit der Dreigliederung auseinandersetzen.
Was habe ich damit zu tun? Nun, ich erkannte um 1971/ 72
herum, daß genau dieser Impuls der Dreigliederung des sozialen Organismus mein
Lebensimpuls sein würde, nachdem in den Zeiten des allgemeinen studentischen Protestes
und danach vorwiegend marxistische Ideen verhandelt wurden. Als ich Peter 1973
in Achberg kennenlernte, war er eigentlich für mich, den damals 22-jährigen, bereits
Teilnehmer der Opagene-ration. Heute bin ich fast schon genau so alt, wie er
damals war.
Ich sehe ihn noch vor mir, als er am Morgen des ersten Tages
(Sommerkongreß Fünf Jahre Prager Frühling) ans Rednerpult in der
Achberghalle trat, um einen kurzen Nachruf zu sprechen für einen alten Freund,
der am Abend zuvor auf der Dorfstraße (von einem Auto erfaßt) zu Tode gekommen war.
Peter warf seine ganze Wärme und Menschlichkeit in die Waagschale und war so
geistesgegenwärtig, diesem an sich schrecklichen Ereignis eine positive Richtung zu
geben, dergestalt, daß er es gar als geistiges Opfer für den neuen Aufbruch
charakterisierte, über den er sich so riesig freute; denn es waren an die 500 Menschen zu
diesem Jahreskongreß Dritter Weg gekommen.
Wie auch immer trotz des anwärmenden Eindrucks
hatte ich mich für Joseph Beuys Seminar Kunst im Wirtschaftsbereich
entschieden (worüber ich heute jedoch nicht berichten will, das ist bereits an anderer
Stelle geschehen), aber Schilinski keineswegs aus den Augen verloren, vielmehr auch seine
Seminare besucht und den Kontakt gesucht. Dabei stand für mich sein
Dreigliederungsverständnis keineswegs im Vordergrund. Diesbezüglich habe ich von
Schmundt vermutlich mehr gelernt. Vielmehr verkörperte Peter eine Qualität,
wie man sie gar bei anthroposophisch orientierten Menschen (oder auch anderen) nicht sehr
häufig vorfindet: seine mitmenschliche Wärme und Fähigkeit zu emphatischer Anteilnahme.
Diese Fähigkeit wurde noch verstärkt dadurch, daß er selbst in der größten Hitze und
im Hochsommer eine Pelzmütze und oft auch eine Wolljacke trug: Wärmehaushalt! Er war
darum bemüht, den Menschen, wie er eben war, anzunehmen und anzuerkennen. Eine
Selbstverständlichkeit? Keineswegs. Gerade damals trugen einige Dreigliederungsaktivisten
die Nase sehr hoch und umgaben sich mit Professoren und anderen Titeln. Ihnen war die Art
von Schilinski ein Greuel. In ihren Augen umgab er sich mit Abschaum: Kommunisten,
Anarchisten, Hippies, Alternative, denen schon damals ein entsprechender Klang und Geruch
anhaftete.
Was bleibt? Ohne Peter Schilinski hätten wir heute
weder den Omnibus für Direkte Demokratie in Deutschland noch Mehr
Demokratie noch sonst was. (Ich weiß sehr wohl, daß Ideen ganz einfach auch in der
Zeit liegen und nur gepflückt und aufgelesen werden müssen.) Zu dieser
Behauptung versteige ich mich gerne; denn es war einzig und allein Peter Schilinski, der
aus Steiners Kernpunkten die Volksabstimmung herauslas, die dort zwar der
Sache nach, aber nicht dem Wort nach darinnen steht. In Peters Worten: Volksabstimmung
über Grundrechte nach vorhergehender freier Information. So gründete er bereits
1951 in Sylt eine Bürgerinitiative, den Bund für Volksabstimmung über die
Wiederbewaffnung der BRD. Er war es, der Steiners Ideen für seine Zeit neu
übersetzte und verständlich machen wollte, so, daß sie jeder-Mann verstehen und
einsehen konnte.
Joseph Beuys war seit den 60er Jahren Leser des Jedermann,
der Zeitschrift von Peter. 1970 gründete er die ORGANISATION FÜR NICHTWÄHLER und ein
Jahr später das BÜRO FÜR DIREKTE DEMOKRATIE in Düsseldorf und 1972 in
Kassel auf der documenta 5. Sein Dreigliederungsverständnis war bis 1973 ganz geprägt
von der Schilinskischen Leseart (vergleiche Rainer Rappmann (Hrsg.) DENKER,
KÜNSTLER, REVOLUTIONÄRE, Beuys, Dutschke, Schilinski, Schmundt Vier Leben für
Freiheit , Demokratie und Sozialismus).
Peter Schilinski wirkte anders als Beuys und Dutschke
weniger in der Öffentlichkeit als vielmehr im Untergrund, zunächst in den 50er
Jahren auf Sylt und später in den 60ern in Hamburg und Berlin (zunehmend auch im Rahmen
der studentischen Proteste und im Kontakt mit Rudi Dutschke), ab den frühen 70ern in
Achberg und dann ab 1976 in Wasserburg am Bodensee. Man kann sagen, daß er den
Willens- und Wärmepol geradezu verkörperte für einen Impuls, der schließlich heute mit
der Direkten Demokratie auf Bundes- und Europaebene gelandet ist und jetzt für die
Öffentlichkeit immer sichtbarer wird. (Gerade höre ich, daß die CSU in Wildbad Kreuth
vorschlägt, die EU-Erweiterung über eine Volksabstimmung absegnen zu lassen! Wer würde
dabei ahnen, daß Peter Schilinski dahinter steckt? Daß er dies tut, ist für mich außer
Zweifel.)
Peter war um einen Titel von Joseph Beuys abzuwandeln
d i e Wärmepumpe am Arbeitsplatz. Ihn kennt zwar heute
kaum noch jemand. Aber was bedeutet das schon? Wir stehen (nicht nur) auf seinen
Schultern, sondern auf den Schultern von (allesamt) Riesen, die im geschichtlichen Vorlauf
wichtige Schritte getan haben. Das gab für mich die Motivationsgrundlage dafür ab, über
solche Menschen, wie Peter Schilinski, die drohen in Vergessenheit zu geraten, einen
Gedenkband zu publizieren.
Peter Schilinski hat nur gewirkt und das will für mich sehr viel heißen
durch seine (Mit)-Menschlichkeit und durch sein jedem Scheingefecht abholdes Ringen.
Gerade sein cholerisches Temperament hat ihm das äußerst schwer gemacht. Immer
wieder hat er sich zur Haltung Zeige Deine Wunde durchgerungen und sich nackt
und unbeschützt vor uns hingestellt, um zu sagen: Der Gaul ist mit mir durchgegangen.
Entschuldigt! Ich arbeite daran. So bin ich nun einmal geformt. Politische Arbeit und
persönliche Schulung waren ihm zwei Elemente, die ganz eng miteinander zusammenhängen
und ineinander übergehen. Bei den Pädagogen kann man das noch einsehen. Aber bei
Menschen, die dezidiert politisch wirken wollen ... ?
Kurz vor seinem Tod habe ich Peter noch einmal besucht,
wohl genau in der Zeit als sich auch unter anderem Werner Kuhfuss bei ihm verabschiedete.
Der berichtet in Eine Botschaft (Anton Kimpfler (Hrsg.): GEISTIGES
ÜBEN MENSCHLICHES BEGEGNEN SOZIALE PRAXIS, Peter Schilinski und sein Umfeld
erschienen 1998/99 bei der anthroposophischen Friedensinitiative, Kiel) folgendes:
Im Nachbild will er mir wie in Wolle und Wärme
es war außerordentlich geheizt in der kleine Stube verpuppt erscheinen,
äußerlich bewegungslos daliegend auf dem kargen Bett. Kerzenlicht tauchte alles in
milde, gelbliche Ockertöne ... Wir kamen auf Günther Vogt zu sprechen in Schleswig, den
alten Weggenossen für ihn aus der Nachkriegszeit und langjährigen Seemann und
Eurythmisten. Damals, so sagte Peter mir, nahm er es diesem krumm, daß er die Kunst,
nicht die politische Agitation gewählt hatte. Sag ihm, wenn ich heute wieder an
diesem Punkt stünde, so würde ich auch die Kunst wählen und neu damit anfangen. Von ihr
gehen die eigentlichen Wirkungen für die Zukunft aus ...
Es ist vielleicht das zu sehen, daß also gerade im
Unerlösten und Nichtgelungenen der Bewegungskeim der neuen, der zukünftigen Sozialen
Kunst zu erspüren wäre: Wer unermüdlich und schmerzlich auch Glieder regt, die er noch
gar nicht hat, dem werden sie gewiß einst tänzerisch wachsen.
Damit sind wir fast ungewollt bei der Sozialen Plastik
und bei einem seiner wichtigsten Protagonisten gelandet: Joseph Beuys. Der sagte mir
einmal in einen Gespräch über Achberg:
Wenn man sagt, man hat in Achberg etwas anderes
gesehen, dann muß man die ganze Geschichte noch mal zurückrepetieren ... (und) sagen:
Wer hat es zuerst gemacht? Peter Schilinski ... Dann sieht man aber auch die wichtige
Funktion von Peter Schilinski. (Solche Leute wie er) ... haben eigentlich den soliden
Boden bereitet. Joseph Beuys 14.11.1975.
Ich danke Peter für das Tragen der Fackel und das Schützen der Flamme
(Joseph Beuys DANK AN WILHELM LEHMBRUCK, Din A5 Heft, Kopie, Duisburg
1986) damit es andere, jüngere weitertun können.
Rainer Rappmann, 88239 Wangen/Allgäu , www.FIU-Verlag.com
*) Rainer Rappmann (Hrsg.) DENKER, KÜNSTLER,
REVOLUTIONÄRE, Beuys, Dutschke, Schilinski, Schmundt Vier Leben für Freiheit ,
Demokratie und Sozialismus, ein Buch, das kaum jemand kennt, zu dem ich immer noch
als Verleger in den entscheidenden Grundlagen stehe. Preis: (noch) 23,- * 41,30
CHFr. (in Bälde aber teurer). Bestell-Nr. B 13
**) Anton Kimpfler (Hrsg.): GEISTIGES ÜBEN
MENSCHLICHES BEGEGNEN SOZIALE PRAXIS, Peter Schilinski und sein Umfeld
erschienen 1998/99 bei der anthroposoph. Friedensinitiative, Kiel (kann über den
FIU-Versand bestellt werden, wie auch alle anderen Titel)
***) Joseph Beuys DANK AN WILHELM LEHMBRUCK, Din
A5 Heft, Kopie, Duisburg 1986
weitere Titel von und zu Peter Schilinski:
- Peter Schilinski: MODELLE GESELLSCHAFTLICHER
NEUORDNUNG AUF DER GRUNDLAGE VON FREIHEIT, DEMOKRATIE UND SOZIALISMUS, Hrsg.
Aktionsgruppen Dreigliederung in der Demokratischen Union, Hamburg 1970
- Modell Wasserburg e.V.(Hrsg.): WAHRHEIT UND LIEBE
VERBINDEN, im Gedenken an Peter Schilinski, Wasserburg 1995
- Peter Schilinski: ZUR GESTALT DER SOZIALEN FRAGE,
Kommentare zu dem Buch Die Kernpunkte der sozialen Frage von Rudolf Steiner,
Wasserburg 1995
vgl. auch www.jedermensch.net/Seite%202.htm.
Dort findet sich unter Ausgabe 625, Winter 2002 der Versuch einer Biographie
von Peter Schilinski sowie ein sehr schöner Nach- oder Rückruf v. Claus Boysen.
Peter Schilinski als Seemann, gemalt von Marie-Luise
Wilke 1986
Euphorie und
Ernüchterung
Die größte Seifenblase aller Zeiten hieß
die Überschrift. In dem Bericht im Tages-Anzeiger (Zürich) war anschließend
von 6 Billionen Euro zu lesen, welche sich in 18 Monaten in Luft aufgelöst
haben. Vom Internet ist natürlich die Rede, von der weltweit vernetzten Computertechnik.
Was durch massenweise Aktienbeteiligung zum Neuen Markt
wurde, begann vielfach in kleinsten Verhältnissen. Junge Leute, die in der Regel schon
anfänglich mit solcher Technik aufgewachsen waren, entwickelten die Geräte weiter
beziehungsweise überlegten, was mit dem Internet noch alles anzustellen sei. Zudem
gesellte sich besonders in Amerika ein starker Geschäftssinn. Es entstanden
Garagen-Firmen, wo man vielleicht nur einen oder mehrere Computer sah. Aber
auch große Firmen wollten nicht abseits stehen und bildeten Kreativ-Abteilungen,
in denen oftmals Tag und Nacht herumexperimentiert werden durfte.
Ein gewaltiger Enthusiasmus war in dieser Richtung wirksam.
Mit beträchtlichen Summen ausgestattet schien sich eine Revolution anzubahnen, die
die Lebenswelt und vor allem die Wirtschaft umkrempeln wollte. In diesen Sog wurden viele
gezogen und sahen in dem Aktienwesen eine Möglichkeit, mit Gewinn daran teilzuhaben.
Wie sich nachher zeigte, war viel Betrügerei dabei und
mancher Glaube an wundersame Geldvermehrung. Da dachten sich Jugendliche vor ihren
Geräten etwas aus, was sie mit dem Internet anstellen wollten und gingen damit zur Bank.
Die bewertete diese Idee, oft mit unglaublichen Summen, und gab damit die
Basis für eine Börsennotierung. Nun konnte wirkliches Geld fließen und die
Jung-Unternehmer sich allerhand leisten. Bis in große Konzerne hinein konnten sie
Einfluß nehmen, was mittlerweile gerne vergessen wäre.
Diese Seifenblase ähnelt in manchem schon ein
wenig den berüchtigten Kettenbriefen. (In Albanien waren mal die meisten Haushalte davon
betroffen.) Nur wer am Anfang stand und die Aktieneuphorie frühzeitig wieder verließ,
erlangte finanziellen Reichtum. Die nachfolgende Menge steht mittlerweile recht ärmlich
da.
Zum einen sind die großen Firmen jetzt mit der neuen Technik
ausgerüstet. Andererseits offenbarte sich auch, was in diesem Bereich länger wirkend
ist.
Die meisten können sich eine heutige Welt ohne vernetzte
Computer nicht mehr vorstellen. So war an der massiven Verbreitung eine Generation
beteiligt, die als erste seit der frühen Kindheit solcherlei Technik ausgesetzt war. Mit
Faszination wurde vieles aufgenommen, was sich dadurch einer kritischen Bewertung entzog.
Jugendliche Begeisterung nahm bei vielen eine vornehmlich technische Richtung. Man kann
vielleicht sagen, dass auf den Bahnen der Jugendbewegung sich etwas mit
einschmuggelte, ohne auf gesellschaftlich kritische Schranken zu stoßen. In vielen
Bereichen sind wir schon zu sehr vereinnahmt und müssten mühsam klären, wo wir
eigentlich neue elektronische Hilfsmittel einsetzen wollen und wo diese zu sehr unsere
Bewegungsfreiheit innere und äußere eingrenzen.
Insgesamt muß gerade daran ein einseitig intellektuelles
Gesellschaftsideal, etwa in der Schulbildung, in Frage gestellt werden. Vereinnahmung
durch materialisierte Intelligenz ist eine heutige Bedrohung, der wir uns zu stellen
haben. In der äußeren Welt hängt das mit der Vorherrschaft des Amerikanismus zusammen,
was ebenfalls in einen Ausgleich und ins Gleichgewicht zu bringen ist.
Der Mensch selber ist wieder in den Mittelpunkt zu rücken
und hinsichtlich seiner Gestaltungskraft geradezu neu zu entdecken. Er darf niemals Sklave
einer Technik sein und fatalistisch an irgendwelchen Ideologien hängen. Dies gilt
westlicherseits für den Glauben an die Allmacht der Marktkräfte, um dem
wirtschaftlichen Treiben eine nützliche Form zu geben. Durch Markt, Konkurrenz und
Egoismus entsteht ein Gemenge, das unsere gesamte Erdenzukunft zu ruinieren droht. Wenn
nicht Menschen sich vernünftigerseits zusammentun, um dem Grenzen zu setzen und in eine
sinnvollere Richtung zu bringen, läuft ein ganzer Bereich aus dem Ruder. Das ist eine
heutige Erfahrung in Hinblick auf die letzten Jahre. Die von Rudolf Steiner benannte
moralische Phantasie ist auch für den äußeren Wirtschaftsbereich zu
betätigen.
Mag zur explosiven Verbreitung der Computertechnik
beigetragen haben, daß Phantasie nur innerhalb technischer Grenzen tätig war, so müssen
wir nun auch von außerhalb eine Richtung geben können. Das gilt
ebenfalls für das Aktienwesen. Der richtige Kern daran ist ja, dass eigentlich alle für
die Wirtschaft mit verantwortlich sind und jeder seinen Anteil daran hat.
Ein diesbezüglich kindisches Verhalten ist jedoch, sein Geld
hineinzutun, um allein wieder mehr herauszubekommen. Das kann nicht gut gehen. Zum
Besseren ändern würde es sich, wenn die Leute zusammensäßen, um zu überlegen, welche
Unternehmensrichtungen sie eigentlich befördern wollen.
Weiter gesehen darf das grundgebende Kapital der Wirtschaft
niemals allein egoistischen Zwecken unterworfen sein. Das gilt ebenfalls für die Banken.
Diese sollten nicht selbst wirtschaften, sondern Gelder so zu Verfügung stellen, dass sie
der wirtschaftlichen Entwicklung am meisten dienen. Sie benötigen einen gemeinnützigen
Status.
Gemeinwohl-Orientierung statt eines engen Finanz-Egoismus mag
utopisch klingen. Doch die äußere Lage geht wohl recht schnell in die
Entscheidungsrichtung. Immer hektischer wird den Zinsvorgaben hinterhergehechelt und
trotzdem brechen immer mehr Bereiche ein. Ruhige menschliche Arbeit läßt sich schon gar
nicht mehr bezahlen und nur größere Rationalisierung scheint einen Ausweg zu bieten. Da
stehen Millionen draußen vor in der Erwerbslosigkeit, wodurch der eigentliche Boden immer
dünner wird. Mittlerweile droht auch das Finanzsystem ganzer Staaten zu kollabieren. Wie
in Brasilien, wo Abermilliarden hineingepumpt werden, die selbstverständlich später mit
Zinsen zurückzuzahlen sind. Also muß da noch mehr rotiert und rationalisiert werden als
bisher. Letzteres erbringt dann jenes Wachstum, wodurch alles noch etwas
weiterläuft. An dieser auszehrenden Schraube drehen ebenfalls die Millionen Anleger mit
ihren gebündelten Gewinnerwartungen.
Unser Wirtschaften gerät in Streß und einen Sog hinein, der
mit Antriebskraft verwechselt wird. Im medizinischen Vergleich geht das nicht ewig gut;
ein vernünftiges Leben ist angesagt. Hoffentlich braucht es nicht erst den völligen
Zusammenbruch, bevor dieses eingesehen wird. Dazu müssen wir über eine computerhafte
Kopfdominanz hinauskommen und lernen, uns wieder ganz menschlich einzubringen. Mit der
Herzensorientierung ist zu empfinden, wie wir aufeinander angewiesen sind und letztlich
uns gegenseitig tragen. Brüderlich-geschwisterliches Verhalten ist mühsam zu erringen.
Jürgen Kaminski
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