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Jedermensch
Zeitschrift
für soziale Dreigliederung, neue Lebensformen und Umweltfragen Sommer 2002 - Nr. 623 |
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Inhalt
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Gewissensbegleitung
Die beiden Treffen, die Anfang Februar 2002 in Amerika stattfanden,
hatten Teilnehmer aus unterschiedlichen Kreisen. Politische Häupter und
Wirtschaftsführer auf der einen Seite in New York; im südbrasilianischen Porto Alegre
trafen sich dagegen Vertreter verschiedenster sozialer und ökologischer Bewegungen zum
Welt-Sozial-Forum. Die Gleichzeitigkeit gegenüber dem nördlichen Welt-Wirtschafts-Forum
war gewollt. Die erlesene Crème der Wirtschaftslenker war damit nicht länger allein,
sondern bekam ein alternatives Interesse an der Bestimmung und Erörterung von wichtigen
Zukunftsfragen an die Seite gestellt. Bei der vorjährigen Versammlung im schweizerischen Davos hatte es
vor den Toren der Konferenz ziemliche Proteste gegeben. Nun, in New York, auch stark unter
dem Eindruck der Anschläge vom 11. September 2001 stehend, war die Veranstaltung selber
deutlich von jenen Appellen geprägt, sich mehr der eigenen wirtschaftlichen Verantwortung
zur Linderung von Armut und damit verbundenen Nöten zu stellen. Die Teilnehmer mußten sich, doch recht ungewohnt, einiges anhören.
Vom südafrikanischen Erzbischof Tutu kam beispielsweise der Satz: Wenn die Welt
jetzt nichts lernt, kann sie Friede und Stabilität vergessen. Senator Leahy von den
Vereinigten Staaten fand den Umfang eigener Entwicklungshilfe nur lächerlich.
Der bekannte Ökonom Jeffrey Sachs mahnte an, daß unzählige Menschen in der dritten Welt
unnötig sterben. Man könnte dies recht einfach verhindern. Einen beginnenden Einsatz
dafür zeigt auch der reichste Mann der Erde. Bill Gates gründete mit seiner Frau eine
eigene Stiftung, in die bereits etliche Millionen geflossen sind, um vor allem der
Aids-Katastrophe in Afrika etwas entgegen zu setzen. Gegenüber dieser doch recht überraschenden Ausrichtung des
Welt-Wirtschafts-Forums gerieten die üblichen Konjunkturbetrachtungen und sonstigen
Wirtschaftsthemen etwas ins Hintertreffen. Daran hatte sicher auch Anteil, daß
gleichzeitig 50 Vertreter verschiedener Religionen eingeladen waren, die mit den anderen
Anwesenden ins Gespräch kamen. Das Schlußwort vom Generalsekretär der Vereinten
Nationen, Kofi Annan, war deutlich. Unter anderem wies er auf die
Landwirtschaftssubventionen der Vereinigten Staaten wie auch der Europäischen Union hin,
woduch entsprechende Waren aus den südlichen Ländern vom Markt verdrängt werden. Die
Entwicklung ärmerer Regionen wird dadurch verhindert. Kofi Annan zog auch die Verbindung
zu Porto Alegre. Man müsse sich den Vorwürfen stellen und sie durch eigene Taten zu
entkräften versuchen. Dort in Brasilien waren etwa 60 000 Menschen aus 2100 Gruppierungen
versammelt. Sie vertraten soziale und Menschenrechtsthemen sowie auch ökologische
Probleme. Die globalisierungskritische Bewegung erwies sich als bunt und breit gefächert.
Wie ein lebendiges Organ gegenseitiger Wahrnehmung ergab sich das Treffen der ansonsten in
der Welt ausgebreiteten Aktivitäten. Das Wichtige war, hieraus wieder neue Impulse zu
bekommen, ohne das Ganze zu stark in eine einzelne Richtung pressen zu wollen. So gab es
auch kein einheitliches Schußdokument. In dieser lockeren weltweiten Zusammenkunft liegt
wohl auch gerade die Kraft, eine wirkliche Ausstrahlung auszuüben, die jedenfalls schon
den Kreis mächtiger Wirtschaftsführer erreicht hat. Jürgen Kaminski |